Filmkünstler Chuchu erfindet Superhelden für Kenia

"Wir haben einen Mangel an Heldenfiguren"

Der kenianische Filmemacher Jim Chuchu freut sich am 13.02.2015 in Berlin während der 65. Internationalen Filmfestspiele bei der Verleihung des "Teddy Award" über die Auszeichung in der Kategorie "Jury Award".
Für "Stories of our Lives" bekam kenianische Filmemacher Jim Chuchu bei der Berlinale 2015 den Jury-Preis. © dpa / Britta Pedersen
Von Georg Milz · 07.06.2016
Vor fünf Jahren hat Jim Chuchu für ein Musikvideo den Superhelden "Makmende" erfunden. "Makmende" wurde zum YouTube-Star, der Multimediakünstler Chuchu zum Darling der internationalen Kunstszene. Nun läuft Chuchus neue Online-Serie "Tuko Macho" an - wieder geht es um einen afrikanischen Superhelden.
Vor fünf Jahren hat Jim Chuchu für ein Musikvideo den Superhelden "Makmende" erfunden. "Makmende" wurde zum viralen YouTube-Star, der Multimediakünstler Chuchu zum Darling der internationalen Kunstszene. Nun läuft Chuchus neue Online-Serie "Tuko Macho" im Netz an. Wieder geht es sich um einen afrikanischen Superhelden. Denn davon gibt es viel zu wenige, meint Chuchu.
"Meine Online-Serie 'Tuko Macho' zeigt ein Nairobi, dass mich stark an 'Gotham City' erinnert. Großkriminelle haben das Sagen. Die Bevölkerung ist ihren Taten hilflos ausgeliefert. Hinzu kommen, die vielen Graustufen der Kriminalität. Viele Leute schauen bewusst über die Verbrechen hinweg. Für mich zählen sie ebenso zu den Schurken der Stadt."
Der kenianische Regisseur Jim Chuchu zeigt in seiner Online-Serie "Tuko Macho" die Schattenseiten der ostafrikanischen Großstadt Nairobi. Und die sind leider längst nicht nur Fiktion: Erst kürzlich hat die Polizei eine Demonstration gegen die endemische Korruption im Land blutig niedergeschlagen. Und in den Sozialen Medien kocht schon wieder eine Debatte hoch, über den möglichen Ausbruch ethnischer Gewalt, zur kommenden Wahl 2017.

"Jeder hat das Potenzial zum Superhelden"

Ein fiktiver Superheld aus Afrika möchte in diesem Moloch nun ein für allemal für Ordnung sorgen und kommt dabei auch noch ohne die herkömmlichen Superkräfte aus.
"In Nairobi brauchst du keinen Röntgenblick und musst auch nicht Fliegen können. Ehrlichkeit und Anstand reichen völlig aus. Biko, der Held meiner neuen Serie, beweist eine übermenschliche Portion an Mut, Tapferkeit und Geschick. Ich möchte die Narrative aus Hollywood erweitern und zeigen, dass jeder das Potenzial zum Superhelden hat und so etwas dazu beitragen kann, dass sich unsere Stadt verändert."
Es ist nicht das erste Mal, dass Jim Chuchu einen afrikanischen Superhelden aus der Taufe gehoben hat. 2009 verbreitete sich das Musikvideo seines ehemaligen Musiker-Trios "Just a Band" viral: Hunderttausendfach wurde der Clip geteilt. Darin zu sehen: die sagenumwobene Heldenfigur Makmende - eine Art kenianischer Chuck Norris im Look der 60er-Jahre. Mit Sonnenbrille, Stirnband und übertriebener Männlichkeit stellt er sich gegen die Schurken der Stadt.

Ein Superheld aus Afrika - das war neu

Ein Superheld aus Afrika, das war vor sieben Jahren neu. Jim Chuchu wurde mit seiner Gruppe "Just a Band" zu Konzerten nach Europa eingeladen und spielte auf der angesagten Musikmesse "South by South West" in Austin, Texas. Heute zählt er zu den gefragtesten Künstlern aus Kenia, hat in New York, Glasgow und Frankfurt ausgestellt und seine Filme laufen auf Festivals weltweit.
Erst letztes Jahr bekam der 33-Jährige auf der Berlinale für "Stories of our Lives" den Jury-Preis verliehen. In dem Film zeigte er fünf Geschichten über homosexuelle Liebe in Kenia - ein Tabuthema im Land.

Chuchu bleibt seiner Heimatstadt treu

Deshalb ist der Film in Kenia auch verboten, und Jim Chuchu hätte sich auch längst ins Exil absetzten können. Gelegenheiten gab es reichlich. Doch Jim Chuchu bleibt seiner Heimatstadt treu.
"Es gibt eine ganz besondere Energie, die du nur in Nairobi, Johannesburg oder Lagos erleben kannst. Ich habe mich bewusst entschieden in Nairobi zu bleiben. Es ist ein großartiges Gefühl, hier schwarz zu sein und sich voller Fantasie seinen Träumen zu widmen. Jedes Mal, wenn ich in Deutschland oder New York ins Museum gehe, habe ich das Gefühl, dort ist schon alles gesagt worden."
In der Boomtown Nairobi wird es Jim Chuchu jedenfalls nicht langweilig. Auch wenn es ihm mit seiner Musik und der neuen Online-Serie "Tuko Macho" wohl nicht gelingen wird, den Mainstream in seinem Land anzusprechen, gehört er doch zu den spannendsten Künstlern aus Afrika, ist Teil einer neuen Subkultur. Und immer wieder kommt Jim Chuchu im Gespräch auf Biko, seine Heldenfigur aus "Tuko Macho" zurück. Und je länger er von ihr spricht, desto mehr hat man das Gefühl, es steckt ein Stück von Jim Chuchu in seinem afrikanischen Superhelden, der sich in einem Afrika, zwischen Modernität und Konsum für mehr Vernunft einsetzt.
"Wenn du Kinder auf der Straße in Nairobi nach ihren Vorbildern fragst, nennen sie dir Namen wie Nelson Mandela, Mahatma Gandhi oder Martin Luther King. Aus Kenia ist niemand dabei. Wir haben einen Mangel an Heldenfiguren. Und dabei geht es mir gar nicht mal um Superhelden, sondern einfach Personen, denen du vertrauen kannst."
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