Kunstmarkt

Eine Millionen für Wandteppich aus Flaschendeckeln und Kupferdraht

Von Leonie March  · 05.01.2014
Afrikanische Kunst erlebt momentan einen regelrechten Boom. Museen, Galerien und Aktionshäuser zahlen mittlerweile Rekordsummen für Werke von jüngst noch unbekannten Künstlern. Auch finanzstarke, private Sammler haben Geschmack an der afrikanischen Moderne gefunden.
Trommeln, Masken und Holzskulpturen - das war einmal. Zeitgenössische, afrikanische Kunst hat sich im vergangenen Jahrzehnt rapide weiterentwickelt. Sie eröffnet frische, moderne Perspektiven jenseits der Afrika-Klischees. Themen und Ästhetiken seien längst nicht mehr auf einen einfachen Nenner zu reduzieren, betont Bomi Odufunade. Sie ist die Leiterin der internationalen Kunstberatungsfirma "Dash & Rallo", die sich auf Afrika und die Diaspora spezialisiert hat.
"Fotografen dokumentieren beispielsweise längst nicht mehr nur die Armut oder die postkolonialen Konflikte Afrikas. Viele Künstler des Kontinents experimentieren mit Inhalten und Formen. Wir sehen immer mehr Performance-, Video- oder Klangkunst. Im letzten Jahrzehnt haben konzeptuelle Arbeiten deutlich zugenommen. Ihre afrikanischen Wurzeln sieht man ihnen dabei nicht mehr unbedingt an. Ebenso wenig, wie man den Werken Ai Wei Wei's ansieht, dass er aus China stammt."
Diese Vielfalt spiegelt sich bei Kunstmessen wie der südafrikanischen "Joburg Art Fair" wieder. Jedes Jahr nehmen daran mehr Galerien teil, das Publikumsinteresse steigt stetig, ebenso wie die Verkaufszahlen. Zeitgenössische, afrikanische Kunst sei unter internationalen Sammlern längst kein Geheimtipp mehr, erzählt Lien Heidenreich-Seleme vom Goethe-Institut in Johannesburg.
Vor allem junge Talente sind gefragt
"Also im Moment sind es in jedem Fall noch vor allen Dingen europäische Käufer, amerikanische Käufer, die die großen afrikanischen Künstler kaufen. Es gibt einige Galerien, die hier ein ganz gutes internationales Standing haben, wie "Stevenson" oder "Goodman Gallery", und es ist schön, dass so eine Galerie wie "Stevenson", die wirklich junge Künstler hat, die sehr konzeptionell arbeiten, sich auf dem lokalen Markt halten kann. Ich glaube, es trägt dazu bei, dass gerade solche Künstler sich mehr etablieren können."
Gerade nach diesen jungen Talenten halten viele Kunstsammler Ausschau. So wie Samallie Kiyingi. Die Anwältin wurde in Uganda geboren, arbeitet heute in London, sitzt bei der "Tate Modern" im Auswahlkomitee für afrikanische Kunst und sammelt selbst leidenschaftlich.
"Für die Tate suche ich nach der besten Kunst des Kontinents, nach bereits etablierten Namen wie David Goldblatt, Samuel Fosso oder El Anatsui, die in eine internationale Sammlung gehören. Ich selbst kaufe vor allem Kunst von noch unbekannteren Künstlern, deren Werke mich berühren und denen ich eine große Karriere zutraue. Ich sehe meine Sammlung nicht in erster Linie als Investment. Natürlich freut es mich, wenn ihr Wert steigt, aber momentan könnte ich mir nicht vorstellen, mich von einem meiner Werke zu trennen. Es ist eine eher persönliche Sammlung."
Auch auf dem Kontinent selbst steigt die Nachfrage
Auch für Sammler, die nach einer guten Geldanlage suchen, ist zeitgenössische, afrikanische Kunst mittlerweile sehr reizvoll. Die Preise sind im internationalen Vergleich noch erschwinglich und sie steigen stetig weiter. Ein Beispiel dafür sind die Werke des ghanaischen Künstlers El Anantsui. Vor zehn Jahren war sein Name in der internationalen Kunstszene noch weitgehend unbekannt. Mittlerweile jedoch erzielen seine Arbeiten Rekordpreise. Für seinen aus flachgewalzten Flaschendeckeln und Kupferdraht gewebten Wandteppich "Another Plot", erzielte das Auktionshaus Christie's im Mai über eine Million Dollar. Doch nicht nur europäische und amerikanische Museen, Galerien und Sammler reißen sich um Werke wie dieses. Auch auf dem Kontinent selbst steige die Nachfrage, betont Bomi Odufunade.
"Es gibt bereits viele Sammler in Afrika. Aber sie haben bislang überwiegend Kunst aus ihren eigenen Ländern gekauft. Man muss bedenken, dass es bis vor etwa zehn Jahren kaum Austausch innerhalb des Kontinents gab. Als ich in Nigeria aufgewachsen bin, hatte ich zum Beispiel keine Ahnung was in Kenia vor sich ging. Fernsehen und Zeitungen berichteten nicht über andere afrikanische Länder, es gab weder Internet noch direkte Flugverbindungen. Heute ist das anders und das wirkt sich auch auf den Kunstmarkt aus. Momentan haben wohl Afroamerikaner die umfassendsten zeitgenössischen Sammlungen afrikanischer Kunst. Es finden sich zwar auch wunderbare Werke im Besitz von Nigerianern oder Kenianern, aber sie sind noch immer sehr regional geprägt. Ich helfe ihnen dabei, die Brücke zu den anderen Ländern zu schlagen und eine kontinentale Sammlung aufzubauen."
Mit den Sammlungen und dem Interesse wächst auch die Kunst-Infrastruktur: Mittlerweile gibt es mehrere panafrikanische Festivals, Biennalen und Messen, zu denen Künstler aus ganz Afrika anreisen. Einer der renommiertesten Kunstsammler, der deutsche Manager Jochen Zeitz, plant sogar ein Museum für zeitgenössische afrikanische Kunst in Kapstadt - das erste des Kontinents.
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