Filmfestspiele Venedig

"Großes Kino ist das nicht"

Florian Henckel von Donnersmarck at the dinner reception of the Film- und Medienstiftung NRW during the 75th Venice Film Festival at the Ristorante Valentino on August 02, 2018 in Venice, Italy *** Florian Henckel von Donnersmarck at the Dinner reception of the Film and Media Foundation NRW during the 75th Venice Film Festival at the Ristorante Valentino on August 02,2018 in Venice Italy Foto:xD.xBedrosianx/xFuturexImage
Florian Henckel von Donnersmarck vor einem Plakat seines Films "Werk ohne Autor" bei den Filmfestspielen in Venedig © imago stock&people
Patrick Wellinski im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 04.09.2018
Angelehnt an die Biographie von Gerhard Richter erzählt "Werk ohne Autor" von Florian Henckel von Donnersmarck die Geschichte eines DDR-Malers, der in den Westen flieht. Doch unseren Filmkritiker Patrick Wellinski hat er damit nicht begeistern können.
"Werk ohne Autor", der neue Streifen von Florian Henckel von Donnersmarck, ist für den Auslands-Oscar nominiert - es wäre der zweite Oscar für den deutschen Regisseur.
Doch unser Filmkritiker Patrick Wellinski ist nicht überzeugt von diesem Werk. Er erzählt, dass sich nach allen Vorstellungen des Films Lager bei den Kritikern gebildet hätten:
"Die internationalen Kollegen waren sehr angetan, die sagen, er knüpft nahtlos da an, wo er mit 'Das Leben der Anderen' aufgehört hat. Und da ist auch was dran.
Die deutschsprachigen Kollegen sehen den Film überwiegend negativ und können sehr wenig damit anfangen, wie Florian Henckel von Donnersmarck hier Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte quasi nacherzählt."

Ermüdendes Erzählen im Stile eines Wikipedia-Realismus

Die Geschichte beginnt im Zweiten Weltkrieg. In einer frühen Szene ist der Protagonist Kurt Barnert noch ein kleines Kind und geht mit seiner Tante zu einer Ausstellung über "Entartete Kunst" in Dresden. Seine Tante wird später von den Nazis getötet und das löst ein Trauma bei ihm aus. Ihre Todesumstände bleiben ihm aber unklar, auch später, als er in der DDR Kunst studiert.
Doch als er sich dann in eine Frau verliebt, die die Tochter desjenigen Nazi-Kommandanten ist, der die Tötung seiner Tante befohlen hatte, driftet der Film ins Melodramatische, meint Wellinski.
"Ich habe lange nach einem Wort gesucht, um das Visuelle zu beschreiben. Ich bin dann zu dem Begriff 'Wikipedia-Realismus' gekommen. Weil alles, was wir erwarten – Bombenangriff auf Dresden, die Gaskammern – das bekommt man auch gezeigt. In der DDR wird dem Protagonisten von einem Lehrer in Kunstgeschichte das Dogma des sozialistischen Realismus erklärt. Und als er dann in den Westen flüchtet und an der Akademie in Düsseldorf landet, wird dort ein ganz anderer Kunstbegriff unterrichtet.
Aber das kann man ja alles nachlesen. Das ist so eine 'und dann...'-Dramaturgie. Es kommt alles so brav eins nach dem anderen, und dann das und dann das, und das ist auf Dauer etwas ermüdend."

Fragwürdiges Verständnis von Kunst

"Malen ist 'Bilder-Machen', meint Wellinski weiter, "und Filmemachen ist ja auch 'Bilder-Machen'. Und da gibt es eine Reflexionsebene, die dazu einlädt, sich daran abzuarbeiten. Aber mehr, als den Maler zu zeigen, wie er an einer Staffelei steht, fällt dem Regisseur nicht ein. Wir sollen den Künstler begreifen als ein Medium, durch das die Zeitgeschichte fließt. Und irgendwann, im Gucken auf die Kunst, wird er begreifen, was damals mit seiner Tante geschah, ohne es zu wissen, aber er spürt es.
Henckel von Donnersmarck hat auch bei 'Das Leben der Anderen' sein seltsames Kunstverständnis gezeigt: Kunst als Heilung. Damals war es die [Klaviersonate] Appassionata, man hört sie und man ist ein besserer Mensch. Und ein bisschen ist das hier auch so: Ich hatte immer den Eindruck, dass ich einen ZDF-Zweiteiler sehe. Keinen schlechten zwar, aber großes Kino ist das nicht."
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