Filmfestival Mannheim-Heidelberg

Welche Serie gewinnt den "New Creators Award"?

Eine Fernbedienung wird am 09.01.2012 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) in Richtung eines Fernsehers gehalten.
Eigene Serien-Wettbewerbe sind bei Filmfestivals bisher noch selten. © picture alliance / dpa / Caroline Seidel
Von Simone Schlosser · 09.10.2015
Dieser Wettbewerb war längst überfällig. Beim Filmfestival Mannheim-Heidelberg konkurrieren in diesem Jahr erstmals internationale TV- und Web-Serien in einer eigenen Reihe um den "New Creators Award", der am 17. Oktober verliehen wird.
"Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt." (Ausschnitt aus "Familie Braun")
Kai und Thomas sind Neonazis: Sie tragen Bomberjacken und Hakenkreuz-Tätowierungen. Werfen Bierflaschen auf Asylbewerberheime. Und auf Youtube haben die beiden ihren eigenen Kanal.
"Heil Hitler! Heil Hitler!" - "Das Haus war einst ein Haus für Flüchtige. Und das wird jetzt kaputtgemacht." (Ausschnitt aus der Serie "Familie Braun")
Doch dann steht plötzlich Lara vor der Tür der Neonazi-WG: Ein dunkelhäutiges Mädchen, das behauptet, die Tochter von Thomas zu sein, und in Zukunft bei den beiden wohnen soll.
"Sind das die Bullen? - "Nee, eine Negerin." (Ausschnitt aus der Serie "Familie Braun")
"Familie Braun" ist eine ungewöhnliche Mischung: Eine Sitcom um zwei Neonazis, angelegt als Web-Serie, produziert vom öffentlich-rechtlichen Sender ZDF. Es hat eine Weile gedauert, aber das Beispiel "Familie Braun" zeigt: Das deutsche Fernsehen kann auch Serie. Als eine von acht Produktionen ist die Neonazi-Sitcom jetzt für den "New Creators Award" nominiert. Dem ersten deutschen Wettbewerb für internationale TV- und Web-Serien.
Die Serie als audiovisuelle Kunstform
Torsten Zarges vom Medienmagazin DWDL hat die Reihe kuratiert:
"Das Filmfestival Mannheim-Heidelberg ist Deutschlands zweitältestes Filmfestival. Der Fokus liegt auf jungen Filmemachern. Jetzt im 64. Festivaljahr hat man sich gesagt, Serie ist in, Serie ist eine ganz neue audiovisuelle Kunstform, der wir auch gerecht werden müssen, und deshalb gibt jetzt eben diese neue zusätzliche Wettbewerbsreihe für Serien."
Damit ist Deutschland im internationalen Seriengeschäft ausnahmsweise einmal ganz vorne mit dabei. Mittlerweile hat zwar fast jedes Filmfestival von Berlin bis Toronto Fernsehserien im Programm. Doch eigene Serien-Wettbewerbe sind bisher noch selten:
Torsten Zarges:"Die Sphären Kino und Serie sind ja nicht vollkommen voneinander getrennt. Sie gehorchen zwar unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten, aber was die Macher angeht, die Köpfe, haben wir durchaus eine Schnittmenge. Insofern ist der kreative Austausch, den ich mir erhoffe, Serien auf dem Filmfestival zu zeigen, schon sehr spannend."
In der Tradition des Filmfestivals Mannheim-Heidelberg liegt der Fokus auf Serien-Newcomern. Gezeigt werden acht Produktionen aus Australien, Kanada und Europa. Eine neue Generation von Showrunnern, die sich nicht an US-amerikanischen Vorbildern orientiert, sondern ihre eigenen Ideen entwickelt:
Torsten Zarges:"Weltweit trauen sich die Serienentwickler stärker und tiefer in bestimmte Genres hinein. Wir sehen in dieser jüngeren Generation von Serien-Machern eher, dass sie sich bestimmten Themen, bestimmten Genres zuwenden, und die dann sehr konsequent, vielleicht ein bisschen radikaler und kompromissloser als das noch vor Jahren der Fall war, durchziehen und erzählen."
Wirtschaftsthriller aus Skandinavien
Angeführt wird diese neue Generation wieder einmal von den Skandinaviern. Der Däne Jeppe Gjervig Gram war als Autor bereits an der erfolgreichen Politserie "Borgen" beteiligt. In seinem Wirtschaftsthriller "Follow The Money" bewegt er sich selbstverständlich zwischen London und Kopenhagen, und spinnt ein komplexes Netz um einen dänischen Energiekonzern.
"Next we turn our attention to what was once a small Danish company, but has now become an international key player on the world energy market. Joining me now is Alexander Sondergren who is the CEO of that company Energreen. Welcome." – "Thank you." (Ausschnitt aus der Serie "Follow the Money")
Der Wettbewerb macht aber auch Hoffnung für das deutsche Fernsehen. Ebenfalls nominiert ist die Kinderkrankenhausserie "Club der roten Bänder" - die Adaption eines spanischen Formats, und die erste Eigenproduktion des Privatsenders Vox. Eine mutige Serie sie zeigt: Deutsche Sender wollen Serien.
Torsten Zarges:"Natürlich hat so ein Award nicht zuletzt auch die Funktion, etwas anzustoßen, etwas zu bewegen, und eine bestimmte Ermutigung auch herzustellen. Die Hoffnung ist natürlich, dass dadurch auch vielleicht noch ein paar mehr deutsche Kreative, Produzenten und Sender ermutigt werden, noch mehr Gas zu geben."
Eine Aufforderung an deutsche TV-Macher
Eine Aufforderung, die sich auch an die Jury richtet. Eines der Mitglieder ist Marc Ammon. Fiction-Chef von Sky-Deutschland. Hier laufen erfolgreiche US-Serien wie "House of Cards" und "Game of Thrones". Deutsche Produktionen finden sich kaum im Programm. In Hinblick auf den Serien-Wettbewerb gibt sich Marc Ammon selbstkritisch:
"Die deutsche Serienlandschaft ist dominiert von leicht verdaulichen, nett anzuschauenden, am Ende jedoch immer austauschbaren Krimis. Sie laufen erfolgreich, und es scheint eine hohe Nachfrage nach dieser Programmfarbe zu geben. Aber ich wünsche mir, dass Sender und Redakteure öfter den Mut haben, mit komplexen Themen vielleicht ein kleineres Publikum anzusprechen, dafür aber ein breiteres Spektrum inhaltlicher Möglichkeiten anzubieten."
Das Filmfestival Mannheim-Heidelberg zeigt wie das aussehen kann:
"Was ist das?" – "Das ist Adolf Hitler." – "Warum guckt der so traurig?" – "Der guckt nicht traurig, sondern nachdenklich. Der hat viel nachgedacht früher." – "Worüber?" – "Über Deutschland." (Ausschnitt aus der Serie "Familie Braun")
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