Filmemacher Hark Bohm

Lustvolle Kämpfe mit Fatih Akin

Hark Bohm, Fatih Akin und Lars Hubrich bei der Premiere des Kinofilms Tschick im Abaton Kino in Hamburg.
Hark Bohm und Fatih Akin bei der Premiere des Kinofilms "Tschick" im Abaton Kino in Hamburg. © imago / Future Image
Hark Bohm im Gespräch mit Anke Schaefer · 27.12.2016
Soeben hat Hark Bohm gemeinsam mit Fatih Akin "Tschick" verfilmt. Nun arbeiten sie wieder zusammen an dem Thriller "Aus dem Nichts". Im Interview verrät der Drehbuchautor Details des hochaktuellen Stoffs - und warum er und Akin manchmal ganze Zugabteile zusammenschreien.
Anke Schaefer: "Woran arbeiten Sie gerade?" Das fragen wir heute Hark Bohm, einen Mann, der für den Film lebt, der sich insbesondere auch für den deutschen Film engagiert, der Schauspieler ist, Drehbuchautor, Filmregisseur, Produzent, aber auch Filmprofessor. Er hat einige Filme gedreht, vor allem aber auch an Drehbüchern mitgeschrieben, zum Beispiel hat er zusammen mit Niki Stein die Drehbücher für die RTL-Serie geschrieben, basierend auf Thomas Webers Biografie "Hitlers erster Krieg". Und zusammen mit Fatih Akin hat Hark Bohm das Drehbuch zu der Verfilmung des Romans "Tschick" von Wolfgang Herrndorf geschrieben. Jetzt ist er für "Studio 9" am Telefon. Guten Tag!
Hark Bohm: Guten Tag!
Schaefer: Herr Bohm, Sie arbeiten ja wieder mit Fatih Akin zusammen. Sie haben an dessen neuem Film mitgearbeitet mit dem Titel "Aus dem Nichts", da haben Sie auch am Drehbuch mitgeschrieben. Was war das denn für eine Zusammenarbeit genau in der letzten Zeit?
Bohm: Wenn man mit Fatih zusammenarbeitet, ist das immer aufregend, weil Fatih ist ein ausgesprochener Autorenfilmer und ist zunächst mal Vorschlägen, die ich mache, immer skeptisch gegenüber. Und wenn er einen Vorschlag macht und ich denke, nein, das geht in eine falsche Richtung, dann widerspreche ich ihm. Und da wir beide sehr temperamentvolle Menschen sind, können Sie sich vorstellen, wenn wir zum Beispiel, was geschehen ist, mit dem Intercity nach Berlin nach Hamburg fahren, dann schreien wir uns gegenseitig an, und das ganze Passagierpublikum um uns herum zögert wahrscheinlich, müssen wir jetzt eingreifen oder nicht. Dabei befinden wir uns eigentlich in einer Art Rausch. Wir sind dabei, wirklich gegeneinander zu kämpfen, aber lustvoll.
Schaefer: Das heißt, dieser Kampf hat wirklich was Konstruktives, und Sie sind sich danach auch nicht gegenseitig böse?

"Fatih ist der Pate und ich bin der Ratgeber"

Bohm: Nie. Und es kann auch passieren, dass ich eine Idee habe und Fatih mir sagt, was ist das denn für ein Scheiß, so was kann man sich doch überhaupt nicht ausdenken. Und einen Tag später sagt er, Mensch du, war ja genial. Oder umgekehrt genauso. Also möglicherweise spielt da auch eine Rolle, dass ich von der Generation her sein Vater sein könnte – ich bin sogar zwei Jahre älter als sein Vater –, und dass bildlich gesprochen dieses Vater-Sohn-Verhältnis uns doch sehr hilft, dass wir dem anderen einfach zubilligen, dass er Dinge besser beurteilt, besser weiß. Aber in dem Moment, wo man was erfindet und der andere widerspricht, ist man sich dessen natürlich nicht bewusst. Aber dann lässt man das sacken, und oft entstehen daraus auch Kompromisse. Aber das Allerwichtigste ist, glaube ich, dass ich mich selbst wie ein Consigliere empfinde, wissen Sie, wie im "Paten". Fatih ist sozusagen der Don, der Pate, und ich bin der Ratgeber, der Consigliere. Und diese Rollenverteilung hilft uns natürlich sehr.
Schaefer: Das heißt, die Rollenverteilung ist klar, und gleichzeitig kommen Sie so stark aneinander. Ist das auch der Grund, wie Sie es jetzt beschreiben, dieses Vater-Sohn-Verhältnis, dass Sie gesagt haben eben nach "Tschick", wir müssen dringend noch mal zusammenarbeiten, und wir machen jetzt diesen neuen Film, "Aus dem Nichts"?
Bohm: Nein, das war ganz anders. Nach dem Film "The Cut", das ist Fatihs Film über den Völkermord oder anlässlich des Völkermordes der Türken an den Armeniern hat Fatih mir ein Drehbuch gegeben, und ich habe das Drehbuch verrissen. Und dann sind wir lange spazieren gegangen an der Elbe und so und haben eine neue Geschichte erbrütet. Und dann stellte sich heraus, diese Geschichte ist gar nicht so erfunden, sondern die Geschichte hat sehr viel mit Fatih zu tun. Fatih ist ja Türke, aber ein Deutschler, also eigentlich ein Deutscher, der türkische Wurzeln hat, und Fatihs Frau stammt aus Dithmarschen.

"Aus dem Nichts" ist ein hochaktueller Thriller

Und damit habe ich auch skizziert, an was wir gearbeitet haben, an was Fatih arbeitet. Und das ist, wie Sie sich vorstellen können, einerseits hochaktuell, aber es ist eben auch hochemotional, und es ist ein Thriller. Fatih ist ja immer dann wirklich ungeheuer stark und ich wage fast zu sagen Weltklasse, wenn er einen persönlichen Zugang zu der Geschichte hat, die er schreibt, wenn er sich mit einer Figur identifizieren kann in der Geschichte. Das war die wahnsinnige Stärke auch von "Gegen die Wand" und auch "Auf der anderen Seite", ein Film, der ja zum großen Teil in Istanbul spielt. Und das ist jetzt wieder so.
Schaefer: Jetzt haben wir viel über Fatih Akin gesprochen. Aber lassen Sie uns noch mal über Sie sprechen, Herr Bohm. Sagen Sie mir noch mal – Sie sind ja, wenn man Ihnen zuhört, dann spürt man das genau, Sie lieben Geschichten. Ist das auch der Grund, warum Sie Drehbuchautor sind.
Bohm: Ja, ich arbeite auch an einem Stoff, bei dem ich selbst Regie führen werde, und Fatih wird den produzieren.
Schaefer: Das heißt, da werden Sie die Rollen wechseln.
Bohm: So. Wir haben vor allen Dingen auch noch einen Mann gewonnen, das ist Hermann Weigel, das war so die graue Eminenz hinter Bernd Eichinger, der jetzt die Constantin verlassen hat, und wir sind also das Trio Infernal. Also Fatih als der Pate, und wir beide, Hermann Weigel und ich als die Consiglieres.
Schaefer: Wann werden wir denn "Aus dem Nichts" im Kino sehen?
Bohm: Der Ehrgeiz besteht, dass der Film so fertig wird, dass er zumindest den Leuten, die darüber entscheiden, was im Wettbewerb in Cannes gezeigt wird, einen ansehenswerten Film sehen können.
Schaefer: In unserer Reihe "Woran arbeiten Sie gerade?" war das der Filmemacher Hark Bohm. Herr Bohm, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch!
Bohm: Gern!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Unsere Reihe "Woran arbeiten Sie?"
Die meisten von uns haben Vorsätze für das kommende Jahr. Noch fünf Tage, dann beginnt das Jahr 2017. In den Tagen zwischen den Jahren wollen wir im Deutschlandradio Kultur von Wissenschaftlern und Kulturschaffenden wissen, wer schon handfest dabei ist, aus einem guten Vorsatz eine Tat zu machen. Das sind unsere Gesprächspartner:

Dienstag, 27.12.
Joseph Vogl, Professor für Literatur- und Kulturwissenschaften an der Berliner Humboldt-Universität, über seine Arbeite an dem Werk "Epoche des Amok"
Hark Bohm, Drehbuchautor, über seine Zusammenarbeit mit Fatih Akin
Götz Aly, Historiker, über den Antisemitismus in Europa

Mittwoch, 28.12.
Ersan Mondtag, Theaterregisseur
Thomas Mettenleiter, Vogelgrippeforscher
Felix Meyer, Musiker

Donnerstag, 29.12.
Günter M. Ziegler, Mathematiker
Stefan Selke, Soziologe
Gila Lustiger, Schriftstellerin

Freitag, 30.12.
Doris Dörrie,Regisseurin
Armin Falk, Verhaltensökonom Armin Falk
Emmanuelle Charpentier, Genforscherin

Samstag, 31.12.
Bruce Allen, Forscher am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik

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