"Moneyboys" im Kino

Jung, schwul, auf dem Strich und geächtet

09:06 Minuten
Ein Mann lehnt an einem Türrahmen und zieht cool an einer Zigarette. Im Garten dahinter steht ein weiterer Mann im Unschärfebereich des Bildes und schaut den rauchenden Mann an.
Sexarbeit ist in China verboten und Homosexualität geächtet. Entsprechend groß sind die Konflikte, die sich ergeben, wenn sich "Moneyboys" prostituieren. © eksystent Filmverleih
C.B. Yi im Gespräch mit Susanne Burg · 23.07.2022
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"Moneyboys" nennt man in China junge, männliche Prostituierte. Ihr Geschäft ist illegal, die soziale Ächtung enorm - auch für die Eltern, die vom Geld ihrer Söhne leben. Über dieses Phänomen hat Regisseur C.B. Yi einen eindringlichen Film gedreht.
In seinem Spielfilm "Moneyboys" erzählt der Regisseur C.B. Yi von einem jungen Mann namens Fei, der in einer chinesischen Großstadt lebt und sein Geld als illegaler Sexarbeiter verdient, indem er anderen Männern seinen Körper anbietet. Mit dem Geld unterstützt er seine Familie auf dem Land. Diese nimmt das Geld zwar an, lehnt seine Homosexualität aber ab.
Sexarbeit ist in China verboten - entsprechend rührt der junge Filmemacher mit seinem Debüt an ein Tabuthema. Menschen, die sich prostituieren, unterliegen einem erheblichen sozialen Druck, erzählt C.B. Yi. Sie würden von der Polizei gejagt und von Nachbarn denunziert. Oft leben sie nur kurz in einer Stadt, bevor sie weiterziehen müssen. "So ist man ständig auf der Flucht."

Der Regisseur C.B. Yi ist in China geboren und kam mit 13 Jahren nach Österreich, wo er an der Filmakademie Wien unter anderem bei Michael Haneke und Christian Berger studiert hat. Sein Debütfilm "Moneyboys" weckte das Interesse zahlreicher Festivals: In Cannes lief er in der Reihe "Un Certain Regard", die besondere Entdeckungen präsentiert. Beim Nachwuchs-Festival "Max Ophüls Preis" in Saarbrücken wurde er als bester Spielfilm ausgezeichnet. Gedreht wurde der Film in Taiwan. In China selbst wäre der Stoff wegen seiner queeren Thematik nicht umsetzbar gewesen.

Zwar kennt C.B. Yi keine konkrete Zahlen, wie weit verbreitet das Phänomen der "Moneyboys" in China ist. Ein Bekannter von ihm habe aber mehr als 2000 "Moneyboys" interviewt und deren Erfahrungen in einem tausendseitigen Buch gebündelt.
Entsprechend ist seine Hauptfigur Fei aus den Erlebnissen vieler verschiedener "Moneyboys" zusammengesetzt. Deswegen steht im Filmtitel auch die Mehrzahl: In seinem Film geht es nicht um eine konkrete Person, sondern um die Erfahrungen der "Moneyboys" im Allgemeinen.

Die Eltern im Dorf schämen sich

Wie schambehaftet Prostitution in China ist, zeigt C.B. Yi in einer Szene, in der sich Onkel und Tanten am Esstisch über Feis Gelderwerb echauffieren, während die Eltern, die auf das Geld ihres Sohnes angewiesen sind, vor Scham kein Wort verlieren. "Der Vater kann dazu nicht viel sagen, er kann sich nicht äußern - nicht dafür und nicht dagegen. Ich glaube, das ist das Dilemma, das in vielen Ländern passiert."
Oft handele es sich bei den "Moneyboys" um junge Leute, die vom Dorf in die Stadt kommen und schnell viel Geld verdienen müssen, erzählt der Regisseur, der für seinen Film zahlreiche Gespräche mit echten "Moneyboys" geführt hat.
Um sie nicht zu beschämen, lügen viele "Moneyboys" ihre Eltern an und geben vor, etwa bei McDonald's oder Apple zu arbeiten. "Die Eltern glauben dann, whoa - toll. Sie schicken dann noch mehr Verwandte her und wollen dann natürlich, dass er ihnen auch einen solchen Job besorgt. In solchen Fällen muss der Moneyboy flüchten und irgendeinen Grund finden, um in eine andere Stadt zu ziehen."

Die Verantwortung des Filmemachers

Überwachungskameras gehören in China zum Alltag, auch deshalb war es C.B. Yi ein Anliegen, seine Figuren in langen, beobachtenden Einstellungen zu zeigen. Er wollte damit den Eindruck vermitteln, dass sie "wie in einem Gefängnis leben". Diese formale Strenge könnte auch mit seinem Lehrmeister Michael Haneke zusammenhängen. Der preisgekrönte Regisseur ("Das weiße Band") bevorzugt in seinen Filmen eine klare, konzentrierte Bildsprache.
Dem Einfluss Hanekes sei es auch zu verdanken, dass aus dem ursprünglich semi-dokumentarisch angelegten Projekt ein fiktionaler Spielfilm entstanden ist, erzählt C.B Yi: "Letztendlich habe ich aus dem Gespräch mit Haneke gelernt, dass der Regisseur Verantwortung trägt, wenn er seine Protagonisten auf die Leinwand hebt. Man weiß nie, was danach passiert."

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