Field Music: "Making a New World"

Der Erste Weltkrieg und die neue Welt danach

05:55 Minuten
 Auf dem in schwarz-weiß abfotografierten Gemälde "We are making a new world" ("Wir schaffen eine neue Welt") des britischen Surrealisten Paul Nash von 1918 zum Ersten Weltkrieg ist ein verwüstetes, menschenleeres Schlachtfeld in Belgien zu sehen.
"We are Making a New World": Das Gemälde des britischen Surrealisten Paul Nash von 1918 inspirierte Field Music. © picture alliance / United Archives / TopFoto / Paul Nash
Von Robert Rotifer · 13.01.2020
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Die britische Band Field Music hat im Auftrag eines Kriegsmuseums ein Konzeptalbum aufgenommen. Es thematisiert die Folgen des Ersten Weltkriegs – von der Damenbinde bis zum Völkerbund. Trotz aller Verkopftheit: Die Songs sind emotional tief berührend.
Der ferne Klang von Haubitzen am Horizont, das monotone Dröhnen der Kriegsmaschinerie – und dann, am 11.11.1918 um Punkt 11.11 Uhr, das plötzliche Schweigen der Waffen. Mit der Vertonung dieses historischen Moments beginnt das neue Album von Field Music – ein Auftragswerk, das die Band rund um die Gebrüder David und Peter Brewis für das Imperial War Museum in Salford komponiert hat.
Zunächst waren Field Music eher skeptisch gegenüber ihren Auftragsgebern. Doch, wie David Brewis erklärt, ein Besuch des Kriegsmuseums und seiner Betreiber überzeugte bald vom Sinn der Zusammenarbeit: "Dieser Auftrag diente zur Illustration dessen, wofür das Imperial War Museum da ist – jenseits der Zelebrierung militärischer Macht, die bei seiner Gründung sicher im Mittelpunkt stand."
Seine Bedenken seien verschwunden, weil ihnen die Betreiber so offen gegenüber standen, sagt Brewis. "Unsere Idee, zu zeigen, wie die Nachwirkungen dieses Krieges immer noch anhalten, passt perfekt zu ihrer Sicht ihrer eigenen Rolle."
Anfangs aber, so Brewis, als ihnen das Projekt vorgeschlagen wurde, seien "Imperial" und "War" allerdings nicht gerade seine Lieblingsworte gewesen.

Bild von menschenleerer Verwüstung

Aus der vom Museum kuratierten, ursprünglich wortlosen Komposition entwickelte sich schließlich Song um Song ein Konzeptalbum namens "Making A New World".
Der Album-Titel geht auf ein Gemälde zurück, das der britische Maler Paul Nash 1918 zum Gedenken an den ersten Weltkrieg malte. Sein Titel, "Wir machen eine neue Welt", kontrastierte dabei vielsagend mit der dargestellten, menschenleeren Verwüstung eines belgischen Schlachtfelds. "So vieles an diesem Bild impliziert die Schrecken des Kriegs, ohne sie explizit zu zeigen", erklärt Brewis. "Und ich glaube, das passt zu unserem Herangehen an diese Platte."
Im Gegensatz zu themenverwandten Projekten wie PJ Harveys "Let England Shake" aus dem Jahr 2010 unternimmt "Making A New World" keinerlei Versuch, aus der Entfernung eines Jahrhunderts den Krieg selbst oder die von ihm hinterlassene Verwüstung zu beschreiben.
Stattdessen erzählen die Songs von Field Music etwa davon, wie die Erfindung der Damenbinde auf ein damals entwickeltes Verbandsmaterial für Verwundete zurückgeht. Oder über das in heutigen Zeiten des Isolationismus allzu aktuelle Thema des Scheiterns des 1920 gegründeten Völkerbunds. Oder auch – im Song "Money Is A Memory" – über den bürokratischen Alltag der Empfangnahme deutscher Reparationszahlungen, die bis ins Jahr 2010 anhielten.

Unsentimentale Auseinandersetzung mit dem Stoff

Tatsächlich ist Field Music hier eine gänzlich unsentimentale Auseinandersetzung mit einem potenziell klischeegefährdeten Stoff geglückt: Trotz aller Verkopftheit emotional tief berührend, allerdings nur, wenn man sich in der durchkonzipierten Gesamtheit darauf einlässt und bereit ist, den historischen Hintergründen der Texte nachzugehen.
Gegen die in Britannien grassierende Weltkriegsnostalgie wird eine komplexe Platte wie "Making A New World" jedenfalls sicher nichts ausrichten. Aber David Brewis sieht keine Schande darin, nur die Nische der Gleichgesinnten anzusprechen. "Ich fühle mich nicht schlecht dabei, zu Bekehrten zu predigen. Von Donald Trump behauptet man ja auch, dass er selbst kein Rassist sei, aber Rassisten ermutige, und umgekehrt will ich eben freundliche, fortschrittliche, ethische Menschen ermutigen."
(abr)
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