So funktioniert die Grand Jury (Audio) - Die Aufgabe von Grand Jurys ist es, vorliegende Beweise in möglichen Verbrechensfällen zu prüfen und zu entscheiden, ob Anklage erhoben werden soll.
- Zumeist werden sie eingeschaltet, wenn es sich um größere und kontroverse Fälle handelt - das heißt, wenn die Staatsanwaltschaft nicht alleine über eine mögliche Anklageerhebung entscheiden will.
- Die Schwelle für eine Anklage ist zumeist relativ niedrig: Es reicht aus, wenn die Jury einen begründeten Verdacht sieht.
- Das Verfahren erfolgt stets hinter verschlossenen Türen, und in der Regel sind weder der Beschuldigte noch dessen Rechtsvertreter anwesend. Auch muss die Entscheidung nicht einstimmig fallen.
- Das Gremium, das in Ferguson beriet, hatte zwölf Mitglieder, davon drei Schwarze. Für eine Entscheidung reichte eine Mehrheit von neun Juroren aus, das genaue Votum aus Ferguson ist nicht bekannt.
"Keine Gerechtigkeit – kein Frieden!"
Nach der Entscheidung gegen eine Anklage wegen der tödlichen Polizeischüsse von Ferguson gibt es dort neue Krawalle. Sie sind nach Einschätzung der Polizei schlimmer als die Ausschreitungen im August.
Brennende Autos, Geschäfte in Flammen, geplünderte Läden: Die Polizei kriegt die Randalierer unter den friedlichen Demonstranten nicht in den Griff. In Ferguson regiert das Chaos,
berichtete Dagmar Pepping im Deutschlandradio Kultur
. Das geschehe den Leuten in St. Louis recht, "nach all dem Unrecht, das sie uns angetan haben", sagte eine ältere schwarze Frau in der Menge.
Die Geschworenen sähen keine hinreichenden Beweise für eine Straftat, gab Staatsanwalt Robert McCulloch bekannt. Die drei schwarzen und neun weißen Geschworenen hätten sich in 25 Sitzungen mit dem Fall beschäftigt und 60 Zeugen vernommen. "Es ist keine Frage, dass Darren Wilson den Tod von Michael Brown verursacht hat, indem er ihn erschoss", erläuterte McCulloch. "Aber die Pflicht der Grand Jury ist, die Fakten von Erfundenem zu trennen. Es existiert kein hinreichender Verdacht für irgendwelche Anklagepunkte."
"Dies ist hier nicht das letzte Wort über Ferguson", sagte die amerikanische Publizistin und Juristin Melinda Crane im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Es gebe zwei laufende Ermittlungen im US-Justizministerium. Der Staatsanwalt in diesem Prozess sei "anfechtbar" und nicht wirklich neutral gewesen, da einer seiner Angehörigen von einem Schwarzen getötet worden sei. Crane erwartet eine Untersuchung über rassistisches Handeln in der Polizei von St. Louis, "dann hätte man einen anderen Hebel, um hier gegen die Polizei anzugehen".
Der weiße Polizist Wilson hatte den dunkelhäutigen Teenager Brown am 9. August nach einer Auseinandersetzung erschossen. Die zentrale Frage: War es Polizeigewalt oder Notwehr?
Unmittelbar nach der Verkündung der Entscheidung kam es in Ferguson bei Protestkundgebungen zu ersten Gewaltausbrüchen. Demonstranten warfen mit Flaschen und Ziegelsteinen auf Polizeifahrzeuge, wie die Sender CNN und MSNBC berichteten. Mehrere Gebäude wurden in Brand gesteckt. CNN zeigte Bilder von Plünderungen. Außerdem seien mehrere Schaufensterscheiben zerschmettert worden. Mehrere Schüsse seien zu hören gewesen, hieß es weiter. Die Polizei hatte sich auf Ausschreitungen vorbereitet. Ein Sprecher sagte: "Die Ausschreitungen sind wahrscheinlich viel schlimmer als in der schlimmsten Nacht im August." Nach dem Tod Browns war es bereits damals zu teils schwere Unruhen gekommen.
Über den Tag hatten sich nach Schätzungen Hunderte zu einer Protestkundgebung versammelt. Einige trugen Schilder, auf denen sie eine Anklage des Polizisten forderten. Andere skandierten den seit Monaten geltenden Slogan der Demonstranten "No justice, no peace" ("Keine Gerechtigkeit, kein Frieden"). Ebenfalls prägend für den Protest ist seit Monaten die Parole "Hands up! Don't shoot!" ("Hände hoch! Nicht schießen!") - was Brown dem Polizisten zugerufen haben soll. Proteste gegen die Entscheidung gab es auch in vielen anderen amerikanischen Städten wie New York, Chicago, Los Angeles oder Seattle.
A scene from outside the police station in Ferguson. Police say they are using smoke to break up crowds pic.twitter.com/3udk9xGT8H— The New York Times (@nytimes) 25. November 2014
Obama beklagt Misstrauen zwischen Schwarzen und der Polizei
US-Präsident Obama wandte sich umgehend an die Medien, um das Urteil der Geschworenenkammer zu verteidigen. "Wir sind eine Nation, die auf dem Rechtsstaatsprinzip gründet", sagte er in Washington. "Wir müssen diese Entscheidung akzeptieren, die von der Jury zu treffen war." Zugleich rief Obama auf, nicht mit gewaltsamen Protesten zu reagieren. "Es gibt keine Entschuldigung für Gewalt", sagte er. Die Polizei forderte er auf, friedliche Proteste mit Vorsicht und Zurückhaltung zu begleiten.
Die Situation sei aber auch exemplarisch für gesellschaftliche Herausforderungen in den USA, sagte der Präsident. Es bestehe immer noch tiefes Misstrauen zwischen dunkelhäutigen Menschen und der Polizei. "Es gibt immer noch Probleme und die schwarzen Gemeinden erfinden die nicht einfach nur."
Die Familie von Michael Brown kritisierte die Entscheidung. "Wir sind zutiefst enttäuscht, dass sich der Killer unseres Kindes nicht den Konsequenzen seiner Taten stellen wird", ließen seine Eltern über ihren Anwalt mitteilen. Gleichzeitig riefen sie Demonstranten gegen das Urteil auf, friedlich zu bleiben. "Auf Gewalt mit Gewalt zu antworten, ist keine angemessene Reaktion."
Die Entscheidung und die Gewalt führt zu vielen Reaktionen auf Twitter:
(mdr/nch/lob)