Wie sich mein Berlin verändert

Unser Autor Maximilian Klein ist nach drei Jahren zurückgekehrt - in die Partywelt Berlins. Das Nachtleben in Berlin sei inzwischen zu einer ernsten Angelegenheit geworden. Ein Besuch in seiner alten Stammkneipe.
Obermayer. Bar. Ich bestelle zwei Shots.
Eine Bar in Berlin Mitte.
Josek: "Man kommt rein es ist sehr, sehr dunkel, es ist rotes Licht überall hängen nackte Menschen rum... Man hört mich: Also ich sehe hier keine nackten Menschen...."
"An den Wänden natürlich...."
"Du kannst hier sehr, sehr gut drin versacken...."
Tim. Ein alter Feier-Freund von mir. Er geht noch immer jede Woche in unsere Stammkneipe. Genau wie ich, ist er in Berlin geboren und aufgewachsen.
Josek: "Und arbeite jetzt seit bestimmt vier bis fünf Jahren, bzw. seit einem Jahr nicht mehr hauptberuflich in der Gastronomie. Bin dem aber treu geblieben."
Tim nippt an seinem Gin-Tonic. Wir sind beide gleichalt. Das Nachtleben ist nicht spurlos an ihm vorbei gegangen. Augenringe, erste Falten.
Ich fühle mich etwas verloren auf dem schwarzen Barhocker. Vor drei Jahren war ich das letzte Mal hier. Bevor aus meinen Zwanzigern, die Dreißiger wurden. Bevor meine Tochter auf die Welt kam. Bevor aus sechs Uhr morgens ins Bett fallen, 23 Uhr Licht aus geworden ist.
"Touristenhorden machen die Kultur kaputt". "Die Stadt wird Mainstreamig","Berlin hat seinen Höhepunkt erreicht". Schlagzeilen die ich in den letzten Jahren oft gelesen habe. Soll es das gewesen sein? Hat sich das Nachtleben meiner Stadt so schnell so sehr verändert? Ich vermisse die alten Zeiten. Was ist aus den Leuten von damals geworden? Aus dem Gefühl von Freiheit? Aus meinem Nachtleben?
Einheimische, Junkies, Individualisten
Es ist Mittwoch. Mittwoch war es in meiner alten Stammkneipe immer voll. Verrückte, Einheimische, Junkies, Individualisten. Tanzen, diskutieren, trinken. Heute sind nur ein paar Leute gekommen. Die Luft ist raus.
Josek: "Ich hab das Gefühl das die Berliner und Berlinerinnen die jetzt nicht frisch hergezogen sind, und die jetzt entweder schon eine Weile hier wohnen oder hier groß geworden sind. Das die nicht mehr so erpicht darauf sind und diese Feierwut nicht mehr haben."
Ich will von Tim wissen, ob sich die Stimmung auf den Partys verändert hat. Liegt es einfach daran, dass wir älter geworden sind oder daran, dass jetzt der Kommerz die Partyszene regiert? Die Gentrifzierung schluckt so manchen Club. Die Eintrittspreise steigen. Die Finanzkrise treibt unzählige junge Menschen aus ganz Europa nach Berlin. Nur, dass es hier auch nicht so einfach ist einen Job zu bekommen. Das Partyleben kann betäuben. Auffressen. Und die schwere unserer Zeit vergessen machen. Manchmal wünsche ich mich auch in eine perfekte Welt aus Beats und flüchtigen aber intensiven Bekanntschaften. Tim weiß darauf keine Antwort. Sucht selbst.
Ich ziehe weiter, bin mit einem verabredet der das Nachtleben zu seinem Beruf gemacht hat.
Jemek: "Ich bin Jemek Jemovit und ich bin DJ und Musiker. Ich mach das jetzt seit acht Jahren, na eigentlich mach ich das schon seit ich 16 bin Musik. Jetzt bin ich 30 fast. Fast!"
Clubs sind ein Wirtschaftsfaktor
Schmale Finger, dicke Brille, Basecap, blondierte Haare. Auch er hat Kind und Frau.
Jemek: "Also es haben sich nicht nur einzelne Personen sind nach Berlin gezogen, sondern ganze Szenen. Also es gibt Partys die wirklich aus gewissen New Yorker Szenen veranstaltet werden. Und wo man dann wirklich alle Flüchtlinge aus Brooklyn halt irgendwie hat. Die da halt nicht mehr die Miete zahlen können. Und dann landet man auf so einer Party und hat auch einen wahnsinnig schweren Zugang zu den Leuten."
Berlin die Weltoffene Stadt. Aus Jemeks Sicht, sind die Zeiten längst vorbei in denen alle mit allen getanzt haben.
Jemek: "Ich finde die Szenen haben sich verschlossen."
Die Clubs sind inzwischen ein Wirtschaftsfaktor. Das hat auch die Politik erkannt. Jetzt schmeißt der regierende Bürgermeister Micheal Müller die Partys.
Jemek: "Wenn dann plötzlich da eine Party von der SPD bezahlt wird. Da kann man nichts sagen so."
Das Nachtleben ist in Berlin zu einer ernsten Angelegenheit geworden.
Jemek: "Also es gibt ja jetzt auch erst seit drei Jahren das Musikboard. Das ja wirklich vom Senat aus Clubkultur finanziert."