Angolanischer Techno Kuduro

Die Elite kauft Yachten, die Armen tanzen

Kuduro-Tänzer bewerben den "I love Kuduro"-Film in Lissabon.
Kuduro-Tänzer bewerben den "I love Kuduro"-Film in Lissabon. © Imago / GlobalImagens
Von Vanja Budde · 13.02.2016
Angola ist einer der größten Öllieferanten der Welt, die Hauptstadt Luanda ist eine der teuersten Städte der Welt. Die Reichen feiern in angesagten Clubs – die Musik der Armen ist der Kuduro - Angolas weltweit bekannter Techno. Der Kuduro-Künstler MC Sacer(dot) ist zu Gast in Berlin.
MC Sacer(dot). hat das Publikum im rappelvollen Club "Elinga" im Griff: Der kleine, dünne Mittzwanziger springt in einem viel zu großen T-Shirt über die Bühne, im Haar einen riesigen rosa Plastikkamm. Das "Teatro Elinga", ein Altbau mit bröckelnder Fassade, ist vom Abriss bedroht. Denn hier im Stadtzentrum von Luanda, der "Baixa", sind Grundstücke viele Millionen US-Dollar wert – und das Grundstück ist deshalb begehrt. Sacer(dot). ist einer der wenigen Kudurista in Angola, der in seinen Texten die gigantische Kluft zwischen Arm und Reich anprangert.
Am nächsten Tag bei Sacer(dot) zu Hause: Vor dem unverputzten Ziegelsteinhäuschen mit Wellblechdach baumelt die Stromleitung abenteuerlich an einem Holzpfahl, Kinder spielen auf dem staubigen, mit Schlaglöchern übersäten Straßen von Samibzenga: 250.000 Menschen leben am Westrand Luandas in dieser "Musseque", wie in Angola die Slums genannt werden.
Beim Texten und später bei den Vorstellungen gibt es für den Musiker große Abhängigkeiten
Über eine schmale Eisenleiter klettert man in den ersten Stock des Hauses in sein Refugium: sein improvisiertes kleines Tonstudio. Laptop, Boxen, Mikrofon: Hier oben hat der Musiker Ruhe vor den vielen kleinen Nichten und Neffen. Sacer(dot). teilt sich das kleine Haus mit seiner Mutter, vier Schwestern und zwei Brüdern.
Sacerdot: "Ich schreibe über viele soziale Aspekte, auch über Politik, wobei man berücksichtigen muss, dass man in einem Land wie dem unseren nicht gut über alles sprechen kann. Oft singen die Kudurista manche Sachen nicht, die sie geschrieben haben. Wenn sie zum Beispiel für eine Party die örtliche Vertretung der Regierungspartei um Unterstützung gebeten haben. Deswegen trete ich als Künstler an manchen Orten nicht auf, denn ich will schreiben, was ich fühle. Das macht für mich sonst keinen Sinn."
Der Kuduro ist vor 20 Jahren in den Musseques entstanden, die Luanda umwuchern. Die dynamische Mischung aus Kazukuta – der traditionellen Karnevalsmusik - und House, HipHop und Rap hat mittlerweile aber die ganze angolanische Gesellschaft erobert. Ob arm oder reich: alle tanzen zu Kuduro. Sein eindringlicher Rhythmus beeinflusst auch DJs in ganz Europa und den USA. Für junge Leute aus den Slums ist im musikverrückten Angola der Kuduro eine Möglichkeit, aufzusteigen, erzählt Sacer(dot).
Uferstraße mit Skyline, aufgenommen am 26.03.2014 in Luanda in Angola. Zahlreiche Hochhäuser wachsen hinter der neugebauten Uferpromenade, der Bahia de Luanda in die Höhe.
Uferstraße von Luanda, eine der teuersten Städte der Welt. © picture alliance / dpa / Michael Kappeler
"Mit Kuduro erreichen sie etwas, haben Erfolg, können reisen, sich ein gutes Auto kaufen, können sich ein Haus leisten und viele Dinge, von denen sie früher nicht geträumt hätten. Das sind Leute, die nichts wissen vom Staatshaushalt oder vom Gewinn aus der Ölförderung, deswegen ist für viele der Kuduro das Öl der Slums."
Während eine kleine Elite Yachten kauft, aberwitzig teure Appartements und schwere Geländewagen, wurschteln sich die meisten anderen Angolaner mühsam durch. Die Texte der Kuduristas aus den Slums waren so zu Beginn auch sehr sozialkritisch, mittlerweile sind viele Musiker aber vorsichtiger geworden, weil sie Repressionen fürchten oder einen Plattenvertrag mit einem großen Label wollen.
Sacer(dot). schlägt sich da lieber mit Gigs im Scene-Club "Elinga" durch oder legt bei Partys der Reichen in deren Strandhäusern auf der schicken Wochenend-Insel Mussulo auf. Hauptsache, keiner redet ihm rein, meint er, nimmt einen Schluck aus einer Bierdose und wedelt die Moskitos weg.
"Viele junge Leute sind arbeitslos, viele Kinder gehen nicht zur Schule. Das ist ein schwer zu lösendes Problem, aber wir dürfen nicht immer nur auf die Schwierigkeiten starren, sondern sollten lieber nach Alternativen suchen, um Lösungen zu finden. Klar kann man kritisieren, aber wir sollten auch nicht immer nur meckern und meckern, sondern lieber handeln und etwas aufbauen."

Veranstaltung: Ausstellung "Seismographic Sounds" ist im Kunstraum Kreuzberg noch bis zum
20. März zu sehen.

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