Hören Sie auch das Interview mit Ronald Beć, Leiter des Fanprojekt Dresden, zu den Kürzungsplänen des DFB:
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Sorge vor den Folgen von Einsparungen
05:42 Minuten
Der Sparkurs bei den Fanprojekten bereitet beim 1. FC Union bereits einige Sorgen. Kritiker halten die Kürzungen für eine falsche Strategie und verweisen auf die langfristigen Erfolge, unter anderem bei der Gewaltprävention.
"Gelder streichen bei Fanprojekten und kleinen Vereinen, das soll es gewesen sein? Wir haben es nicht vergessen, Reformen waren Euer Versprechen." So regierten Fans des 1. FC Union zum Saisonstart mit einem Stadionbanner auf jene Gerüchte über die anstehende Streichung der Finanzierung von Fanprojekten. Ein Bericht im "Spiegel" gab dem zusätzliche Nahrung. Im Zuge der Pandemie habe sich auch der DFB Einsparungen auferlegt, die Fanprojekte betreffen würden. Zwar reagiert der Verband und erklärte, bis 2022 bleibe alles beim Alten. Doch was dann passieren soll, verschwiegen die Funktionäre.
Insgesamt 68 Fanprojekte an 61 Standorten werden von DFL und DFB gefördert mit bis zu 150.000 Euro. Das ergab zuletzt eine jährliche Förderung von 3,3 Millionen Euro. Bitter nötig sei dieses Geld, um Gewaltprävention zu betreiben, sagen die Macher der Projekte vor Ort.
Michael Gabriel von der Koordinationsstelle Fanprojekte in Frankfurt setzt auf den Dialog: "Die Fanprojekte sind tatsächlich eine Chance, dass man quasi die Interessen von den jungen Leuten rechtzeitig hört, dass wir auch Türen öffnen für die jungen Leute, für die organisierten Fanszene, damit sie als ernst zu nehmender Gesprächspartner dann auch an den Tischen sitzen können und mitentscheiden können über Dinge, die sie betreffen." Das beruhe auf der eigenen Erfahrung, dass die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung in den Fanszenen sehr groß sei. "Wenn es um ihre eigenen Sachen geht, dann kann man sich tatsächlich auf die Fans verlassen. Und das ist nicht nur für den Fußball von großer Bedeutung, also für die Vereine oder Verbände, sondern ist auch für die Gesellschaft von großer Bedeutung, weil das natürlich Lernerfahrungen sind, die junge Menschen da machen."
Wandel der Fanszene
Die Bedeutung für die Gesellschaft bedeutet nach Gabriels Ansicht vor allem Entlastung. Dank der Arbeit der Fanprojekte habe sich schon so manche Fanszene gewandelt – auch, wenn das kaum für möglich gehalten worden sei. Gabriel verweist auf die Erfolge, die bereits erzielt wurden, gerade in Regionen, die als hochproblematisch galten, wie etwas das Milieu um Dynamo Dresden: "Da kann man sich heute kaum noch vorstellen, dass sie auch mal in der vierten Liga waren, und es quasi unendlich viele Probleme rund um diesen Verein gegeben hat." Er sagt: "Seit es das Fanprojekt gibt, es ist jetzt knapp über 15 Jahre her, hat sich auf allen Ebenen tatsächlich die Situation verbessert." Die Fans könnten besser organisierten und selbst sehr gut artikulieren. "Das ist gelungen, auch weil sie immer wussten, dass sie mit dem Fanprojekt eine Unterstützung, auch eine strukturelle Unterstützung an ihrer Seite haben."
Der Union-Ultra, Sig Zelt, engagiert sich im Bündnis Pro Fans und erklärt ganz plastisch, was verloren ginge, wenn der DFB die Finanzierung drastisch kürzt. Er erläutert anhand einer Rechnung, was durch Prävention eingespart werde. "Denn Polizeieinsätze sind sehr viel teurer als die Fanprojekte." Zelt nennt ein Beispiel: "Wir hatten – es ist schon einige Jahre her – ein Spiel bei Dynamo Dresden, als 1. FC Union, und es gab einen derart massiven Polizeieinsatz. Unter anderem flogen über dem Sonderzug, der die Unioner nach Dresden brachte, die ganze Strecke zwei Hubschrauber, zwei Polizeihubschrauber von Berlin bis Dresden. Der Leiter des Dresdner Fanprojektes hat gesagt: Was dieser einer Polizeieinsatz gekostet hat, das würde die Arbeit meines Fanprojektes für die nächsten zehn Jahre sichern."
Langfristige Wirkung
Das, was nun droht verloren zu gehe, sei nur schwer wieder zurückzugewinnen, sagt Gabriel. "Die Arbeit beruht auf einer auf Langfristigkeit und darauf, dass die jungen Leute sich darauf verlassen können, dass die Kollegen und Kolleginnen in den Fanprojekten auch langfristig vor Ort sind, dass sie dann je nach Situation wissen, dass sie sich an die Kollegen oder an die Kollegin wenden können und da auch sicher sein können, dass sie Unterstützung bekommen." Die Arbeit habe sich langfristig ausgezahlt. "Es ist auch belegt, dass sie absolut wirksam ist. Wenn wir uns anschauen, wie heute das Thema Rassismus im Fußball gesehen wird, dann ist das eine unglaubliche Verbesserung zu der Zeit von den 80er-Jahren, als die ersten Fanprojekte eingerichtet geworden sind."
Zwar könnte man angesichts der Diskussionen über Rassismus in den Stadien den Eindruck gewinnen, dass das Problem nie größer gewesen sei. Doch wer aus eigenem Erleben noch die Stadien der späten 1980er-Jahre kennt und die Sprüche auf den Tribünen, der wird Gabriel zustimmen.
Fatale Signalwirkung
Das alles aufs Spiel zu setzen, sei fahrlässig. Der entstandene Schaden sei immens, sagt Zelt. Er fürchtet eine fatale Signalwirkung, die von der Diskussion ausgehen könnte. Dem Beispiel des DFB können Kommunen und Länder folgen: "Wenn sich jetzt einer zurückzieht oder einschränken will, dann werden sich vielleicht auch die anderen Mitspieler sagen, dann fahren wir unsere Finanzierung auch zurück. Die Folge ist schon jetzt eine Verunsicherung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fanprojekte."