Endlich wieder echter Fußball
09:44 Minuten
Der Leiter des Literaturhauses in Hamburg, Rainer Moritz, freut sich wie Bolle: Es gibt wieder Fußballspiele mit Zuschauern. Der Zeit, in der vor leeren Rängen gekickt wurde, kann der Fan des TSV 1860 München dennoch etwas abgewinnen.
Heute Abend muss Rainer Moritz noch darben. Das Eröffnungsspiel der Fußball-Bundesliga, Bayern München gegen Schalke 04, sollte eigentlich vor rund 7500 Fans stattfinden. Die dürfen nun wegen der epidemiologischen Lage doch nicht ins Stadion.
Aber morgen geht es endlich wieder los: klatschen, grölen, anfeuern, feiern. Es sei etwas völlig anderes, wenn Menschen im Stadion sind, sagt Moritz. Für ihn ist es eine "schöne Nachricht", dass es nun wieder "richtige Fußballspiele" geben soll.
"Zum Fußball gehören die Emotionen, auch die Reibereien", sagt Moritz. Die fehlten besonders anfangs ohne Zuschauer in den Stadien, und das habe sich dann auch auf die Spieler übertragen, meint der Literaturhaus-Leiter.
Nun gibt es wieder Licht am Horizont, Hoffnung. Einige Tausend Zuschauer pro Spiel, das ist für Moritz ein "Kompromiss", ein Anfang:
"Wo keine Zuschauermasse ist, da ist der Fußball auch nicht das, was er ursprünglich war. Es wird weiter gespielt werden, auch mit wenig Zuschauern, aber wir müssen ganz klar sagen: Das ist nicht der Fußball, den wir haben wollen. Weil wir machmal auch 80.000 Menschen brauchen, um in der Masse aufzugehen. Das tun Intellektuelle machmal nicht so wahnsinnig gern. Aber wer richtiger Fußball-Fan ist, weiß: Man umarmt wildfremde Menschen. Allein diese Vorstellung erschreckt einen ja heute schon. Aber das gehört zur Intensität eines Fußballspiels, zu diesem Massen-Glücksgefühl dazu. Das wird vielleich noch weit bis ins nächste Frühjahr dauern, bis wir das wieder erleben können."
Raus mit dem 1860er-Schal!
Dann dürfen auch wieder Gäste-Fans ins Stadion, auf die Moritz genauso Wert legt wie auf gefüllte Ränge. Ein Spiel ohne Gäste-Fans, "die Rabatz machen", sei nur die halbe Miete. Weswegen er auch zur Guerilla-Taktik greifen würde, wenn sein geliebter TSV 1860 München in Hamburg spielen sollte:
"Ich würde mich natürlich gnadenlos hineinschleichen, wenn diese Beschränkung noch gelten würde. Und dann meinen 60er-Schal herausholen, und plötzlich bin ich ein Gäste-Fan. Wie ich die Regularien kenne, werde ich dann sofort des Volkspark-Stadions verwiesen."
Die Urgeräusche des Fußballs
Eine gute Sache hatte die Zeit ohne Fans allerdings auch. Er habe bei Übertragungen im Fernsehen wieder die "Urgeräusche" des Fußballs gehört, schwärmt Moritz. Beispielsweise einen Ball, der an die Latte klatscht. Wenn alle im Stadion schreien, hört man das manchmal schlicht nicht.
Auch hat Moritz tiefere Erkenntnisse über die Kommunikation auf dem Rasen gewonnen, da man in Abwesenheit der Zuschauer auch gut die Zurufe auf dem Platz hören konnte. Er ist nun allerdings "etwas enttäuscht", dass sich die Anordnungen der Trainer bei Top-Mannschaften nicht von denen in der "Kreisklasse B" unterscheiden. Das ganze "Hintermann-Gerufe" kenne er doch selbst noch vom Schulhof.
(ahe)