Oliver Teutsch über "Die Akte Klabautermann"

Wie Fallada seinen letzten Roman in sechs Wochen schrieb

12:14 Minuten
Hans Fallada sitzt mit seinen Kindern  Ulli und Lore in Carwitz im heutigen Mecklenburg-Vorpommern auf einer Wiese und schaut sich eine Raupe mit ihnen an.
"Die Akte Klabautermann" von Oliver Teutsch spielt in der Zeit von Sommer 1945 bis Ende 1946. In dieser Zeit ist auch dieses Bild von Hans Fallada mit seinen Kindern Ulli und Lore entstanden. © picture alliance / akg-images
04.02.2022
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Seinen Hunderte Seiten umfassenden Roman "Jeder stirbt für sich allein" verfasste Hans Fallada 1946 in wenigen Wochen, kurz vor seinem Tod. Diese Zeit beschreibt der Journalist Oliver Teutsch in seinem Roman "Die Akte Klabautermann".
„Jeder stirbt für sich allein“ ist das letzte Buch von Hans Fallada: ein Roman über ein Paar, Otto und Elise Hampel, das Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet hat. Genauso interessant wie der Inhalt des Buchs sind auch die Geschichten rund um diesen Roman. Der Journalist Oliver Teutsch erzählt in seinem Roman „Die Akte Klabautermann“ von der Entstehung des Buchs.
Den Anstoß dazu gab die Wiederentdeckung dieses Romans von Fallada vor einigen Jahren. Genauer: Es war die Information, dass Fallada das Buch in sechs Wochen geschrieben und dann die Veröffentlichung nicht mehr erlebt hat. „Da habe ich mich dann auf die Suche gemacht, wie das alles abgelaufen sein muss“, erzählt Oliver Teutsch, „weil es für mich unfassbar ist, so ein Buch in nur sechs Wochen quasi rauszurotzen.“ Es umfasst viele Hundert Seiten.

Buch sollte "Signalwirkung für die Welt" haben

Teutschs Roman trägt den Titel „Die Akte Klabautermann“. Die Gestapo hatte ihre Akte über das Ehepaar Hampel so genannt. Die beiden haben von 1940 bis 1942 in Berlin Postkarten mit Protestbotschaften gegen das Nazi-Regime ausgelegt. Sie wurden denunziert und später hingerichtet.
Fallada habe den Stoff von Johannes R. Becher – damals hochrangiger Kulturfunktionär in der Sowjetischen Besatzungszone – angetragen bekommen, und sich erst einmal beharrlich dagegen geweigert, erklärt Teutsch. Es sei ein zu düsterer Stoff. Wegen des in Aussicht gestellten Geldes habe er sich aber dann doch darauf eingelassen.
Buchcover zu "Die Akte Klabautermann"
Oliver Teutsch hat für "Die Akte Klabautermann" sicher länger gebraucht als Hans Fallada für seinen letzten Roman.© Deutschlandradio / Dielmann Verlag
Johannes R. Becher habe Hans Fallada diesen Stoff vorgeschlagen, weil es ihm um eine „Signalwirkung für die Welt“ gegangen sei: dass nicht alles in Deutschland schlecht war. Dafür brauchte er einen guten Romancier, der in Deutschland geblieben war – und beides habe er in Hans Fallada gesehen.

Kein Held, aber ein genialer Romancier

In "Die Akte Klabautermann" habe er sich mit der Zeit von Sommer 1945 bis Ende 1946 befasst, sagt Oliver Teutsch. Falladas "Jeder stirbt für sich allein" war Ende 1946 entstanden. Journalist und Romanautor Teutsch betont: In seinem Buch stecke in jedem Kapitel mehr Wahrheit als Fiktion. Aber er habe sich die Freiheit des Erfindens genommen. So gibt es beispielsweise eine Szene, in der Fallada bei dem berühmten Dichter Gottfried Benn, in dessen Arztpraxis, Morphium für seine Frau besorgt.
„Das Treffen ist nicht verbürgt.“ Aber es sei naheliegend, dass sie sich getroffen haben könnten, da sie in Berlin-Schöneberg quasi um die Ecke wohnten bzw. praktizierten. „Ich fand das einfach nett, diese schillernden Figuren, die dort in dieser Zeit nach ‘45 irgendwie versucht haben, über die Runden zu kommen, zusammenzubringen.“
Durch sein Buch werde man Hans Fallada nicht unbedingt mehr mögen, sagt Oliver Teutsch. Es lasse ihn nicht als den ganz großen Helden dastehen. „Er ist ein genialer Romancier, aber eine zerrissene Persönlichkeit.“ Doch Fallada werde menschlicher, sagt Oliver Teutsch. Man lerne ihn als großen Autor kennen.

Oliver Teutsch: "Die Akte Klabautermann. Roman über die Entstehung von Hans Falladas letztem Roman"
Dielmann Verlag 2021
312 Seiten, 20 Euro

(abr)

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