Präsidentenwahl in Frankreich

Staatshaushalt, Steuern, Arbeitsmarkt: Was will Emmanuel Macron?

Emmanuel Macron nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses der ersten Wahlrunde um die französische Präsidentschaft
Emmanuel Macron nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses der ersten Wahlrunde um die französische Präsidentschaft © dpa/picture alliance/ Daniel Fouray
Von Jürgen König · 04.05.2017
Der liberale Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron tritt an für eine Erneuerung des französischen Staates. Er will dem Einzelnen das wirtschaftliche Handeln erleichtern, Steuern reduzieren und die Wohnungssteuer fast gänzlich abschaffen. Für manche klingt das bedrohlich - anderen gehen seine Pläne nicht weit genug.
Emmanuel Macron gilt als "Liberaler". Aber Liberalismus hat keine Tradition in Frankreich. Deshalb tut Marine Le Pen alles, um Macron als "Ultraliberalen" hinzustellen, der eine "völlige Deregulierung" im Sinn habe und so "die Gesamtheit der wirtschaftlichen und sozialen Strukturen" in Frankreich "zerstören" wolle. Indes – ein Ultraliberaler ist Emmanuel Macron nicht.
Das wissen auch viele Franzosen, aber nicht wenige zögern sich offen für ihn auszusprechen. Wohl, weil Macron ein grundsätzliches Umdenken verlangt: Die Fürsorglichkeit des derzeit allgegenwärtigen Staats will er einschränken, das wirtschaftliche Handeln des Einzelnen dagegen leichter machen – und auch das hat im Beamtenstaat Frankreich keine wirklich ausgeprägte Tradition.
"Ich glaube, dass es gut ist, Risiken auf sich zu nehmen. Ich glaube an den Weg des Einzelnen in der Gesellschaft. Ich glaube an eine vollständige Emanzipation des Einzelnen – deren Grundlagen nur die Schule vermitteln kann. Deshalb ist die Institution Schule so wichtig für unser Projekt. Aber auch die Arbeitswelt ist wichtig für die Emanzipation des Einzelnen, unser ganzes Projekt beruht auf der Veränderung der Arbeitswelt, denn eine wirkliche Emanzipation gibt es nur in der Arbeit und durch die Arbeit."

Macrons Reformen: bedrohlich oder behutsam?

Solche Sätze haben für viele Franzosen etwas Bedrohliches. Dabei kommen Macrons Reformen eher behutsam daher: die 35-Stunden-Woche zum Beispiel will er grundsätzlich beibehalten. Allerdings soll es Unternehmen und Belegschaften erleichtert werden, ihre Arbeitszeiten selber auszuhandeln. Das aber ist für viele Linke unannehmbar: Sie fürchten, die Branchentarifverträge würden dadurch ausgehebelt werden, Lohndumping wäre die Folge. Während Macrons Programm den Linken viel zu weit geht, geht es den Konservativen nicht weit genug.
Warum wird die 35-Stunden-Woche nicht ganz abgeschafft, fragen sie. Es müsse in Frankreich mehr gearbeitet werden: Warum strebt Macron nicht die Rente mit 65 an, sondern hält am Renteneintrittsalter von 62 Jahren fest? Die Unternehmen begrüßen, dass Macron den Wettbewerb fördern, Abgaben und Steuern reduzieren will, die Unternehmenssteuer etwa von 33,3 auf 25 Prozent. Doch dass die Staatsquote, also das Verhältnis der Staatsausgaben zum Bruttoinlandsprodukt, nur von derzeit 56 auf 53 Prozent sinken soll, kritisieren sie: Das sei zu wenig, damit sich wirtschaftliche Dynamik entfalten könne. Trotz solcher Einwände bekommt Macron von den meisten Ökonomen mehr Lob als Kritik. Christian de Boissieu, renommierter Wirtschaftswissenschaftler der Pariser Sorbonne, im Sender BFM :
"Ich finde das Programm ziemlich schlau. Einfach weil es versucht, zwischen sehr vielen Gegensätzen ein Gleichgewicht herzustellen und daraus eine bestimmte Richtung zu machen, auch zwischen Einnahmen und Ausgaben. Der Teufel steckt natürlich im Detail. Wenn ich zum Beispiel sehe, was Macron über die Reduzierung der öffentlichen Ausgaben sagt: 60 Milliarden Euro weniger in fünf Jahren, 120.000 Beamtenstellen will er streichen, davon 70.000 bei den lokalen Behörden! Und gleichzeitig will er gerade den lokalen Behörden mehr Selbständigkeit geben, mehr Autonomie – das passt nicht zusammen."
Ein wichtiges Vorhaben ist die Verstaatlichung der Arbeitslosenversicherung, die auch Selbstständigen, Unternehmern und Landwirten zugänglich gemacht werden soll. Auch wer von sich aus gekündigt hat, soll einmalig Leistungen erhalten können, gleichzeitig will Macron den Druck auf Arbeitslose erhöhen, angebotene Stellen anzunehmen. Das Gleichheitsgebot der Republik will Macron betonen, will Privilegien abschaffen, etwa Rentenprivilegien für Staatsbedienstete und Eisenbahner – ein Vorhaben, an dem in den 90er-Jahren schon eine ganze Regierung zerbrochen ist.

Es bleiben viele Fragezeichen in Macrons Programm

"Gleichzeitig hat er wirklich neue Ideen. 80 Prozent der Bevölkerung von der Wohnungssteuer zu befreien – einen solchen Vorschlag gab es noch nie. Diese Steuer richtet sich nur nach der Wohnungsgröße, nicht nach dem Einkommen, sie ist sehr ungerecht – auch das ist gut, dass er auf diese Weise die mittleren und unteren Einkommensschichten entlasten will, aber: Man muss abwarten, ob er das auch macht!"
Den eingesparten 60 Milliarden Euro stehen 50 Milliarden Euro gegenüber, die Emmanuel Macron investieren möchte – vor allem in Aus- und Fortbildung sowie in die Erneuerbaren Energien. Zu einer wirklich spürbaren Senkung von Steuern und Sozialabgaben wird es so nicht kommen können, fürchten viele, zumal Macron auch noch die Drei-Prozent-Kriterien der EU einhalten und die Staatsschulden abbauen möchte.
So bleiben viele Fragezeichen in Macrons Programm. Und die ganz große Frage wird sein, was er von alledem wird durchsetzen können, wenn er, was allenthalben erwartet wird, allein mit den Kandidaten seiner Bewegung "En marche!" im Parlament keine Regierungsmehrheit bekommt. Er müsste sich seine Mehrheiten bei der Linken wie bei der Rechten suchen - und beide Seiten haben sich in den letzten Jahren durch Reformeifer nicht hervorgetan.
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