"Fade" von Sleater-Kinney

Kein Bock auf die Maskerade

Besucherin der Ausstellung "Unendlicher Spaß" in der Frankfurter Schirn betrachtet Maurizio Cattelans "Spermini". Die Arbeit besteht aus 250 bemalten Gummimasken.
Masken überall - die Sleater-Kinneys können dem nichts abgewinnen. © picture alliance / dpa / Norbert Milguletz / Schirn
Von Florian Werner · 12.02.2015
In ihrem Song "Fade" besingt die amerikanische Band "Sleater-Kinney" in starken Theatermetaphern das gesellschaftliche Miteinander. Und erteilt dieser "Maskerade" eine überraschende Absage.
When the last strip of light is dimming
When the spotlight starts to fade...
"Fade" heißt der letzte Song von Sleater-Kinneys neuem Album. Der Begriff stammt aus der Licht- und Tontechnik und bedeutet soviel wie Ab- oder Ausblende: Die Scheinwerfer erlöschen. Der Vorhang fällt. Die Künstlerinnen gehen nach Hause, vielleicht für immer: Es gibt kein Morgen mehr ...
There's no tomorrow
You better live
...darum sollte man endlich anfangen zu leben. Oder wie es der Dramatiker Samuel Beckett einmal formulierte: Wenn einem die Scheiße bis zum Hals steht, dann bleibt einem nichts anderes übrig als zu singen. Und das tut Sängerin und Rhythmus-Gitarristin Corin Tucker nach Leibeskräften:
All of the roles that we played
Hit your mark, push the walls, stretch the stage
Nicht nur der Titel – der gesamte Song ist von Theatermetaphorik geprägt: Rollen spielen, Bühnenpositionen einnehmen, die vierte Wand einreißen, die Bühne ausfüllen, größer machen. Dies sind Aufgaben, mit denen sich die Sängerin (wie vielleicht auch die Band, für die sie spricht) nicht wohl zu fühlen scheint. Sie hat die Maskeraden, das Verbergen ihres wahren Selbst allmählich satt:
Unbelievable masquerade
Never revealing your truth
Deeper inside that mask you made
Losing the face of you
Dass die ganze Welt eine Bühne sei und das gesellschaftliche Miteinander nur ein Maskenspiel, ist ein soziologischer Gemeinplatz. Überraschend ist, dass Sleater-Kinney dieser Maskerade eine Absage erteilen − kommt doch der Rollenperformanz gerade in der postfeministischen Theorie eine wichtige Bedeutung zu. Die Identität von Frauen und Männern, meint etwa die Philosophin Judith Butler, sei nicht als "wahres Gesicht" hinter einer Maske verborgen, sondern entstehe überhaupt erst durch eine Reihe von performativen Akten.
Tell me what do you see in the last script
Yeah it's a trip, what's it all for?
If we are truly dancing our swan song, darling,
Shake it like never before.
Diese Freiheit hat die Sängerin von "Fade" offenbar nicht, oder nicht mehr: Ihr liegt ein letztes Rollenskript vor, ein finales Stück, das es aufzuführen gilt. Ein Schwanengesang? Wenn ja, singt sie, dann solle man noch einmal ordentlich die Federn fliegen lassen. Ist dieses Lied also womöglich der "Swan Song" von Sleater-Kinney? Wenn ja, dann hat die Band diesen letzten Rat auf jeden Fall beherzigt.