Facebook-Star Stefanie Sargnagel

Ein It-Girl der Neuen Medien

Screenshot des Facebook-Profils von Stefanie Sargnagel am 2.Dezember 2015.
Screenshot des Facebook-Profils von Stefanie Sargnagel am 2. Dezember 2015. © Screenshot Stefanie Sargnagel / Facebook
Von Simone Schlosser · 02.12.2015
Die Österreicherin Stefanie Sargnagel ist Langzeitstudentin, Biertrinkerin und Kettenraucherin. Irgendwann hat sie angefangen, Erlebnisse aus ihrem Alltag auf Facebook zu posten. Mit inzwischen 11.000 Follower trifft sie das Gefühl einer Generation.
"Alle sind so spießig. Nur ich bin nicht spießig. Sonst sind echt alle ur-spießig."
Montagabend in einem Frankfurter Studentencafé: Stefanie Sargnagel liest aus ihrem neuen Buch "Fitness". Auf dem Kopf eine rote Baskenmütze. In der Hand eine Flasche Hansa Pils. Für die perfekte Selbstinszenierung fehlt nur noch die selbst gedrehte Zigarette.
"Ich bin zu verkopft für eine Party-Maus. Aber zu versoffen für einen Intellektuellen."
Facebook-Einträge über ihren Alltag in Kunst-Akademie, Callcenter und Kneipe. Für das studentische Publikum ein Blick in die eigene Timeline. Die meisten haben selbst schon einige Semester hinter sich. Pointiert trifft Stefanie Sargnagel das Lebensgefühl einer Generation zwischen Selbstverwirklichung und Prekariat:
"Wir sind die Generation, die mit dreißig noch drüber redet, was man mal werden will, wenn man groß ist." (lachen)
Niedliche Assi-Bratze? Terrible der Literaturszene?
"Ich habe immer schon gebloggt. Weil es eine einfache Art ist, Kreativität raus zu schießen. (...) Ohne Internet hätte ich nie zu schreiben begonnen."
Stefanie Sargnagel ist ein It-Girl der Neuen Medien: Auf Facebook hat sie 11.000 Follower, und ihre Freundesliste ist geschlossen, weil sie die Maximalzahl erreicht hat. Für Underground-Magazine wie Vice schreibt sie über den Wiener Opernball oder den Parteitag der rechtspopulistischen FPÖ.
Mittlerweile entdecken auch die etablierten Medien die Autorin für sich. Aber das Feuilleton tut sich schwer mit der Einordnung: Die Welt bezeichnet sie als niedliche Assi-Bratze. Spiegel Online als Enfant Terrible der Literaturszene.
"Ich habe natürlich jetzt auch sehr viele Leute, die sich echt provoziert fühlen, von dem was ich mache, weil vorher war es immer in so einem subkulturellen Rahmen."
"Ich habe Fäkalhumor-Tendenzen, aber das ist nicht zentral"
"Ich finde es oft auch ein bisschen missverstanden. Die lesen das so literaturmäßig. Ich sehe das mehr so humormäßig. Wobei ich finde, das ist nicht unbedingt ein Widerspruch. Aber ich merke schon, dass Leute verwirrt sind, weil es ist nicht so einordnungsbar."
Ein Grund dafür ist Stefanie Sargnagels offener Umgang mit Geschlechtsteilen und Körperflüssigkeiten. Für sie ist das Teil ihrer ehrlichen Haltung. Für das Feuilleton eklig und vulgär und irgendwie Charlotte Roche?
"Ich finds auch nicht so arg vulgär. Ich meine, ich habe schon so Fäkalhumor-Tendenzen. Aber ich finde das nicht so zentral. Den Charlotte Roche-Vergleich verstehe ich auch nicht so, weil es nicht so viel gemein hat, außer dass wir beide Frauen sind und vielleicht mal was Fäkales sagen."
"Ich mag es halt generell nicht so, dass man (...) Frauen mit Frauen vergleichen muss. Ich finde, man kann Frauen auch mit Männern vergleichen und umgekehrt."
"Mein erster lauter Furz im Call Center"
"Das muss ich jetzt auch übersetzen: Also der Schaß ist (...) im Bundesdeutschen der Furz. Also mein erster lauter Schaß im Call Center. Irgendwann musste es passieren. Ich meine, man sitzt da fünf Stunden, irgendwann passiert es halt."
"Mein erster lauter Furz im Call Center. Alle tun so, als hätten sie nichts gemerkt. Aber jetzt wissen sie all Bescheid – wer hier der Chef ist." (lachen)
Sie selbst sieht sich in der Tradition von Comedians wie Heinz Strunk oder Louis C.K.: Moderne Anti-Helden, die sich selbst nicht zu Ernst nehmen, und die Dinge beim Namen nennen.
"Ich muss jetzt eh kündigen, weil ich einfach keine Zeit mehr habe. (...) Aber an sich fand ich den Job sehr gemütlich. Auch die Alltagsregulierung und so. Ich finde es eigentlich ganz gut, so einen Brotjob zu haben und dann ein bisschen Einkommen durch Kunst. Denn so richtig finanziell davon abhängig sein – dann verliert man auch den Spaß daran."
In diesem Sinne begegnet sie dem aktuellen Medien-Hype mit Gleichgültigkeit und Ironie.
"Ich möchte nicht mehr in der Welt der Künstler, Musiker und Verrückten abhängen. Ich möchte zu den Fleißigen und Tüchtigen, zu den Langweiligen und Beruhigten, den Nichtrauchern, den Joggern, den Young Professionals, den Kinderzimmereinplanern, den Kleingartenbesitzern. Ich will am Wochenende mein Auto waschen, und ins Musical gehen, und ganz normal sein."
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