Wanda: "Bussi"

Von der Liebe zu "wilden Jungs"

Marco Michael Wanda, Sänger der Band Wanda, aufgenommen bei den Amadeus Austrian Music Awards 2015 in Wien.
Marco Michael Wanda, Sänger der Band Wanda, aufgenommen bei den Amadeus Austrian Music Awards 2015 in Wien. © imago/Viennareport
Von Anke van de Weyer · 08.10.2015
Warum hat die Wiener Band Wanda so viel Erfolg? Sie erfinden den Pop nicht neu, treffen aber mit ihrer Mischung aus Antiheldentum und Hang zum Exzess einen Nerv, meint Rezensentin Anke van de Weyer. Jetzt ist ihr neues Album „Bussi“ erschienen.
Eine junge Band nimmt ein Album auf, es wird ein Überraschungserfolg, auf den sich viele einigen können und nahezu jedes Konzert ist in kürzester Zeit ausverkauft. Schön, aber doch normal im Musikbusiness und so schnell wie Hypes gekommen sind, gehen sie meist auch wieder.
Bei Wanda ist das anders. Von einem normalen Hype kann man bei der Wiener Band nicht mehr sprechen. Letzten Herbst veröffentlichten Wanda ihr Debüt "Amore", dessen Erfolg Sänger und Frontmann Marco Michael Wanda, eigentlich mit Nachnamen Fitzthum, keineswegs überraschte.
"Dass das hier zu Größerem berufen ist, war allen irgendwie immer klar. Nein, wir sind nicht überrascht und wir haben damit gerechnet, dass es ein Erfolg wird."
Der Sound des zweiten Albums "Bussi" ist dem Debüt ähnlich, was nicht verwundert, waren doch die meisten Stücke schon fertig als "Amore" rauskam. Es waren nur zu viele für eine einzelne Platte. Die Band erspart sich so eine übertriebene Erwartungshaltung und Vorwürfe, man habe sich verändert und es sei irgendwie nicht mehr dasselbe. Wanda machen einfach da weiter, wo sie vor einem Jahr aufgehört haben.
Für Gitarrist Manuel Poppe und Sänger Fitzthum hätte die Platte sogar noch früher kommen können.
"Es stand sogar im Raum, dass wir uns weniger Zeit lassen. Eigentlich wollte unser Manager schon nach 6 Monaten das zweite Album rausbringen. Nach dem Beatles-Prinzip ein bisschen."
"So viril ist niemand. Es kann ja auch nicht jemand alle 6 Monate ein Kind zeugen. Was wir können, zeugen wir."
Kein Interesse, sich Regeln zu unterwerfen
Keine Angst vor Ausverkauf, keine Lust, sich künstlich rar zu machen. Und vor allem kein Interesse, sich Regeln zu unterwerfen, die sich die Band nicht selbst auferlegt hat. Die sich aus ihrer Großmäuligkeit einen Spaß macht, auch wenn sie jetzt mit Universal eine der größten Plattenfirmen überhaupt im Rücken haben.
"Es war auch immer unsere Bedingung, diesen Beruf auszuüben. Wir wollten das immer nur so machen und haben das immer deutlich zu verstehen gegeben. Sowohl dem Publikum als auch allen Menschen, die jemals mit uns gearbeitet haben. Und bis jetzt hatte nie jemand was dagegen wie wir so sind."
"Wir sind auch nicht dankbar, dass man uns alles so tun lässt wie wir wollen, sondern fühlen uns eher bestätigt, damit durchzukommen."
Diese Haltung eckt auch an, etwa bei der "Süddeutschen Zeitung". Autorin Stefanie Sargnagel kritisierte jüngst: "Wanda repräsentieren die wilden Jungs, mit denen Musikjournalisten Mitte vierzig, … gerne einen heben würden. Arge Typen, auf die man seine Sehnsucht nach wilder Promiskuität mit blutjungen Mädchen und Exzess projizieren kann."
Über das Video zu "Bussi, Baby" entbrannte ein Mini-Shitstorm, weil sich Feminismus-Gegnerin Ronja von Rönne in weißen Bettlaken wälzt und Sänger Fitzthum zwischen zwei übergroße Frauenschenkel taucht.
Fitzthum ist eher ein Anti-Held als ein Sex-Symbol
Auf der Bühne trägt Fitzthum, 28 und mit schwindendem Haaransatz,stets seine braune, speckige Wildlederjacke. Das Hemd ist längst bis unten aufgeknöpft und gibt den Blick auf seinen schmalen Körper frei. Optisch ist er eher Antiheld als gängiges Sex-Symbol. Er raucht, trinkt und lässt die Hüften kreisen. Mit Blick auf die Generation Selbstoptimierung wirken diese Rock'n'Roll-Gesten wie aus der Zeit gefallen.
Konzerte von Wanda sind durchchoreographierter Exzess. Sowohl auf der Bühne wie davor ist klar: Die Sau muss rausgelassen werden. Das ist kein Spaß, das ist der pure Ernst. Loslassen ist die Religion, Wandas Songs sind die Gebete: Amore, Schnaps und Inzest. Der nächste Arbeitstag kommt ja sowieso.
Popmusik, die keinen ausschließt
Wanda machen Popmusik, die keinen ausschließt. Die Band schreit ihre Parolen in die Menge und ausnahmslos alle gröhlen mit: Hipster, Familienväter, Lehramtsstudenten.
Den Pop erfinden Wanda natürlich nicht neu. Das ist alles schon mal dagewesen, und die Eingängigkeit ihrer Songs birgt die Gefahr ins bierzelthafte abzudriften. Stücke wie "Bussi, Baby" haben das Zeug zum nächsten Apres Ski-Hit. Elitär wollen Wanda aber sowieso nicht sein. Für was aber wollen Wanda stehen? Also, außer natürlich für "Amore". Glaubt man Sänger Fitzthum, ist man sich selbst nicht so sicher.
"Ich find's wahnsinnig mühsam, sehr oft, und das ging mir immer schon so, dass ich ein Mensch sein muss, ja. Find ich sehr ärgerlich irgendwie. Insofern bin ich viel moderner als ich es mir manchmal zugestehe. Weil wir haben ja gerade all diese Strömungen zu lösen: Wie brechen wir die Geschlechterrollen auf und blablabla...ist nicht mein Kaffee, aber ich kann das irgendwie verstehen, insofern als dass ich selbst oft das Gefühl hab, ich wär mehr als ein Subjekt - irgendwie.
Mischung aus Wienerischem Dialekt und Humor
Dass Wanda so geliebt werden, liegt auch an ihrem Schmäh, dieser ganz speziellen Mischung aus Wienerischem Dialekt, Humor und Großmäuligkeit.
"Ich glaube, ich bin einfach viel zu berühmt und hab keine Lust mehr, über mich selbst zu reden. Vielleicht ist es das. Ich hätte gern so einen gefährlichen Ruf, dass man sich kaum traut, mir in die Augen zu schauen bei einem Interview zum Beispiel. Das fände ich ganz großartig.
Vielleicht sollte er sich das Lächeln abgewöhnen, den Witz, die Neckereien und die Zugewandtheit. Dann aber wären Wanda vielleicht auch nur eine Band verschrobener Lederjackenträger, für die Songs über Probleme mit Frauen ein Therapie-Ersatz sind und verhuscht anmutende Mädchen die erste Konzertreihe bilden. So aber gehen Wanda mit ihrer Kombination aus Zügellosigkeit und sorgfältig kultiviertem Antiheldentum eine ganz spezielle Verbindung zu ihrem Publikum ein.
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