Facebook sperrt Querdenker-Konten

Überzeugungstäter sind längst bei Telegram

07:52 Minuten
Ein Mann mit einem Aluhut steht mit dem Rücken zum Betrachter am Rand einer Demonstration
Die Querdenken-Bewegung protestiert immer wieder gegen Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung. Katharina Nocun sagt, durch die Kontensperrung bei Facebook gebe es weniger Nachschub an neuen Querdenkern.. © imago / Jochen Eckel
Katharina Nocun im Gespräch mit Vladimir Balzer · 16.09.2021
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Facebook sperrt 150 Konten sogenannter Querdenker. Weniger Öffentlichkeit tue der Bewegung weh, sagt die Netzaktivistin Katharina Nocun. Die Frage sei, wie viele Fans mit zu anderen Plattformen wie Telegram wanderten.
In der Vergangenheit hat sich Facebook nicht gerade damit hervorgetan, systematisch gegen Hassrede und Verschwörungserzählungen vorzugehen. Vielfach müssen Gesetzgeber auf nationaler Ebene für strengere Regeln kämpfen. Doch jetzt hat der US-Konzern 150 Kanäle der Querdenken-Bewegung gesperrt. Es ist die erste derartige Aktion.
Die Mitglieder des Netzwerks hätten in koordinierter Weise wiederholt gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook verstoßen, begründete der US-Konzern in einem Blogbeitragden Schritt. "Hierzu zählen die Veröffentlichung von gesundheitsbezogenen Falschinformationen, Hassrede und Anstiftung zur Gewalt." Die Inhalte würden in der vorliegenden Form das Potenzial bergen, in reale Gewalt umzuschlagen und auch in anderer Form gesellschaftlichen Schaden anzurichten.

Sinneswandel bei Facebook

Die Netzaktivistin und Buchautorin Katharina Nocun sagt, sie erkläre sich den Sinneswandel bei dem Konzern damit, dass sich die Querdenken-Bewegung in letzter Zeit stark radikalisiert habe.
Allerdings relativiert Nocun zugleich die Bedeutung von Facebook für die Bewegung: Ein "Großteil der Kommunikation auch innerhalb der Gruppierung" finde nicht in diesem sozialen Netzwerk statt, sondern längst auf Telegram. Dort herrsche ein ganz anderer Ton als auf Facebook, es werde häufiger Hass verbreitet und zu illegalen Aktionen aufgerufen.
Die Überzeugungstäter in der Querdenker-Bewegung seien gefährlich, meint Nocun. Es sei wichtig, dass auch Behörden eine konkrete Bedrohungslage sähen, denn in einigen Gruppen würden Aufrufe zur Gewalt verbreitet – bis hin zu Aufrufen, man solle Impfaktionen stören. "Das muss man wirklich im Auge behalten, da sehe ich eine reale Gefahr."

Kontensperrung schränkt den Nachschub ein

Die Kontensperrung bei Facebook ist Nocun zufolge trotzdem nicht ohne Wirkung: "Deplatforming hat bei Gruppierungen schon immer den Effekt gehabt, dass der Nachschub einbricht." Denn die "Halb-Überzeugten" oder Menschen, die verunsichert seien oder nur zufällig auf solche Links stießen, finde man eben auf den großen Plattformen wie Facebook, Instagram – die beide zum Facebook-Konzern gehören –, oder YouTube, das zum Google-Universum gehört.
"Das tut solchen Gruppierungen natürlich massiv weh, wenn sie dort de-platformt werden", so Nocun. Es stelle sich andererseits aber auch die Frage, wie viele Nutzerinnen und Nutzer, die auf Facebook Fans der jeweiligen Accounts waren, nun auch zu Telegram wanderten.
(bth)
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