Experiment Interregio-Cup

Eishockey über Grenzen hinweg

05:45 Minuten
Eishockeyspieler stehen auf dem Eis der Halle im niederländischen Nijmegen
Die Eishalle in Nijmegen: Die Mannschaften dreier Länder finden hier schon zusammen - nur die Fans bleiben noch zuhause. © Heinz Schindler
Von Heinz Schindler · 05.04.2020
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Im Westen Deutschlands wagten die Eishockey-Clubs etwas Neues: Parallel zur viertklassigen Regionalliga wurde mit sechs Vereinen aus den Niederlanden und Belgien der "Interregio-Cup" gespielt. Das Experiment stellte nicht alle Teilnehmer zufrieden.
Es ist die Crux der viertklassigen Eishockey-Regionalliga, dass man sich an der Schnittstelle zwischen Breiten- und Leistungssport bewegt. Das gilt für Spieler wie Vereine gleichermaßen, erklärt Tom Neumann, Sprecher der EG Diez-Limburg:
"Für die Mannschaften von weiter unten ist der Sprung zu groß, sagen sie. Für uns ist der Sprung zum Profitum zu groß derzeit, das wäre dann die Oberliga. Wir befinden uns tatsächlich so'n Stück weit zwischen Profitum und Hobbymannschaft. Es gibt viele Spieler in der Liga, die verdienen keinen Cent. Es gibt'n paar, die kommen aus der DEL 2 oder aus der Oberliga, die verdienen in den Vereinen noch'n bisschen Geld. Also, wir sind so'n bisschen dazwischen."
Immer wieder wurde in den letzten Jahren darüber diskutiert, die Eishockey-Regionalliga West zu erweitern, die bereits NRW, Hessen und Rheinland-Pfalz umfasst. Belgien und die Niederlande sollten hinzukommen. Das geschah im Vorjahr als Versuchsballon namens Interregio-Cup. Und auch eher aus der Not heraus, gesteht Uwe Johann, Vorsitzender des Herforder EV:
"Aus der Regionalliga West hatten nach und nach drei Mannschaften wieder zurückgezogen: Lauterbach war rausgegangen, die Aufsteiger aus Wiehl hatten plötzlich auf den Aufstieg verzichtet, auch die Soester hatten zurückgezogen. Aus 'ner Zehner- Liga war 'ne Siebener- Liga geworden. Der ganze Modus passte hinten und vorne nicht. Und da die Vereine trotz der niedrigen Bezahlung für die Spieler Wirtschaftsbetriebe sind und auf die Einnahmen aus attraktiven Spielen angewiesen – dann ist eben als so 'ne erste Zwischenlösung zum Abtasten der Interregio-Cup bei rausgekommen."

Tilburg spielt schon in einer deutschen Liga

Sechs Mannschaften aus Belgien und den Niederlanden brachten jedem Regionalligisten sechs Spiele mehr. Nur sechs, da man im laufenden Wettbewerb den Modus änderte. Zu einem Problem wurden mitunter Auswärtsspiele in rund 300 Kilometern Entfernung.
"Wenn man am Sonntagabend ein Auswärtsspiel in Brüssel hat, also in Herentals, dann haben wir einfach das Problem, dass viele unser Spieler, die berufstätig sind, sagen: ich schaff' das nicht, ich muss morgens um sechs in der Schicht sein, ich kann nicht mitkommen. Also, wir haben ein Riesenproblem, dass die berufstätigen Spieler am Freitagnachmittag nicht früh genug Schluss machen können oder am Sonntag, Sonntag-Montagnacht, viel zu spät nach Hause kommen, um bei ihrer Arbeit noch leistungsfähig zu sein. Da liegt eigentlich das Problem der großen Entfernungen, nicht unbedingt in den Kosten."
In den Niederlanden hat Eishockey einen eher geringen Stellenwert. Die beste Mannschaft des Landes, die Tilburg Trappers, spielen seit 2015 in der drittklassigen deutschen Oberliga. Alle anderen Mannschaften sind so organisiert wie etwa die Eaters Limburg, sagt deren technischer Leiter, Peter Knops.
"Da ist überhaupt kein Profi, nee, nee. Das sind alles nur Liebhaber, die haben alle entweder 'nen Job oder sie sind Student. Bei uns sind drei Importsspieler genehmigt, die bekommen natürlich etwas Geld und Haus und Auto eventuell zur Verfügung, so dass sie davon 'leben' können. Aber es ist alles auf Basis, ja, von Hobby eigentlich."

Sechs Stunden Fahrt zum Auswärtsspiel

Gerade deswegen – weil Beruf und Familie Vorrang vor dem Hobby Eishockey haben – lehnten Vereine aus Den Haag und Zoetermeer an der Westküste die Teilnahme am Interregio Cup ab. Die Nijmegen Devils ließen sich auf dieses Experiment ein. Doch nur zwei ihrer Spieler wohnen auch in der Stadt, sagt ihr Vorsitzender Joop Wullers.
"Gerade bei den Auswärtsspielen im Interregio-Cup haben viele Spieler Probleme. Denn sie wohnen zwei Autostunden entfernt von Nijmegen. Sie fahren also zwei Stunden von zu Hause nach Nijmegen, dann vier Stunden im Bus, spielen, dann zurück wieder vier Stunden im Bus und zwei nach Hause. Das ist zu lange für Leute, die noch einen Beruf haben."

Fans reagieren zurückhaltend

Und obwohl Nijmegen nur fünf Kilometer von der deutschen Grenze entfernt liegt und die Wege nach Neuss oder Dinslaken kürzer sind als im eigenen Land: Die Sponsoren und die Fans nahmen den unbekannten neuen Wettbewerb nicht an.
"Die Fans kommen einfach nicht mit zu den Spielen nach Deutschland. Beim letzten Spiel in Deutschland waren die einzigen Fans ich als Präsident des Vereins und meine Frau. Sonst niemand."
Für Nijmegens Vorsitzenden hat sich das Modell des Interregio-Cups erledigt. Die belgisch-niederländische BeNeLeague, die niederländische Meisterschaft und der niederländische Pokal – diese drei Wettbewerbe seien genug.

Früher gab's immer eine Schlägerei

In Geleen, 30 Kilometer von Aachen entfernt, sieht man das bei den Limburg Eaters ganz anders:
"Nee, die waren neugierig. Bei uns in Geleen haben wir ein ziemlich gutes Band mit deutschen Clubs. Es gibt Schlachtenbummler von Düsseldorf und von Ratingen, die kommen ganz oft zu uns. Also der Austausch ist ganz groß. Das ist alles toll!"
Sportlich sind die Regionalliga und die BeNe-League kompatibel. Die Kontakte untereinander sind dabei zu entstehen, was bei ehrenamtlich tätigen Vorständen auch eine Frage der Zeit ist. Im Gespräch zu bleiben, lohne sich allemal, sagt Tom Neumann von der EG Diez-Limburg:
"Die Vereine haben schon oft Vorbereitungsspiele in den vergangenen Jahren gegeneinander gemacht. Man hat sich'n Stück weit kennengelernt dadurch. Es hat so'n bisschen so'n Farbtupfer gegeben in der Vorbereitung. Und den haben wir jetzt auch in der Saison. Es gibt nicht mehr so diese riesengroßen Unterschiede im Spiel, in der Spielkultur. Früher war klar, Du fährst zum Ort XY und Du weißt, Du kriegst mindestens drei Spieldauern, weil 'ne Schlägerei gibt’s da immer. Das ist heute nicht mehr so. Das macht diesen Spielbetrieb und das Miteinander sehr interessant."

Außerdem sprechen wir mit Achim Staudt, dem Vizepräsident des Eishockeyverbandes Nordrhein-Westfalen. Als gescheitert sieht er das Interregio-Cup-Experiment nicht an: "Sportlich war das eine sehr gute Herausforderung." Er räumt allerdings ein, dass die Akzeptanz beim Publikum, trotz anfänglicher Euphorie, nicht so ausgefallen sei wir erwartet. Hören Sie hier das Gespräch in voller Länge:
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