Ex-Fußballnationalspielerin Tabea Kemme

Das Maximum für den Nachwuchs

05:26 Minuten
Präsidentschaftskandidatin für Turbine Potsdam, Tabea Kemme, in einem Stadion.
Fußball sei ihre "volle Leidenschaft", sagt die ehemalige Nationalspielerin Tabea Kemme. Nun will sie ihren früheren Verein Turbine Potsdam moderner machen. © picture alliance / Eibner Pressefoto / Michael Memmler
Von Serafin Dinges · 18.06.2021
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Mit 17 Jahren spielt Tabea Kemme in der Fußballnationalmannschaft, gewinnt später in Rio Olympiagold, muss aber ihre Karriere wegen einer Verletzung beenden. Nun möchte sie Präsidentin von Turbine Potsdam werden - und den Verein verändern.
Tabea Kemme weiß, was sie will. Meistens mehrere Dinge auf einmal. Präsidentin des 1. FFC Turbine Potsdam werden, Wellenreiten, Polizistin sein. "Ich habe mit vier Jahren meinem Dad gesagt, ich werde Nationalspielerin", erzählt sie. "Kann ich mich selber gar nicht dran erinnern. Aber ich habe anscheinend sehr früh gewusst, was ich werden will."
Zum Interview kommt sie auf einem Rennrad. Die 29-Jährige erzählt gerne – von sich, von ihrer Liebe zum Sport, von ihren Zukunftsplänen für ihren ehemaligen Fußballverein. Auf einem Legehennenbetrieb in Norddeutschland aufgewachsen, wollte sie schon immer Sport machen.
Und sei es auf den Heuballen vom einen auf den anderen zu springen oder ein Wettrennen mit dem Hund zu machen. "Ich hatte übelst viel Energie und die musste ich irgendwie loswerden."

Mit 17 Jahren in der Nationalmannschaft

Also aufs Sportinternat – hier in Potsdam, am Olympiastützpunkt. Nur wenige Hundert Meter liegen zwischen Schule, Mensa und Fußballplatz, Laufplatz und dem Büro des Vereins Turbine Potsdam. "Ich bin da ja quasi aufgewachsen mit circa 400 anderen Athleten, Athletinnen", erzählt sie. Mit 14 Jahren sei sie hier hingekommen. "Es ist so wie so ein Ferienlager."

An jeder Ecke Erinnerungen: die alte Turnhalle. "Hier haben wir auch unsere Abi-Feier gehabt", erzählt sie – und viele andere Erlebnisse. Von hier aus startete für Kemme eine erfolgreiche Karriere im Profifußball. Mit 16, neben der Schule, spielte sie in der Ersten Bundesliga für Turbine Potsdam.
Mit 17 Jahren fliegt sie mit der Nationalmannschaft nach Neuseeland. Es geht schneller, als sie es selbst realisiert. "Ich will einfach diesen Sport machen, weil es einfach meine volle Leidenschaft ist", erzählt sie. "Wenn du aber dann mit dem Bundesadler auf der Brust aufläufst, die Nationalhymne singst mit 17. Das ist schon – das reflektiere ich erst im Nachgang – noch einmal etwas Besonderes.

Plötzliches Karriereende

Dann 2016 das große Karrierehighlight: Olympiagold in Rio. Aber so schnell es nach oben ging, beendete sie ihre Karriere auch wieder. Nach ihrem Wechsel von Turbine zu Arsenal London spielte sie nur drei Spiele. Eine Knorpelverletzung im Knie erlaubt ihr nicht mehr so zu spielen, wie sie will. "Außer ich hätte einen Kompromiss eingehen müssen zu sagen: Ja, ich gebe mich damit zufrieden, mehr im Gym zu sein, als dass ich auf dem Platz bin. Aber das hat mich mehr traurig gemacht, als dass ich mich meiner Leidenschaft gewidmet habe. Und dann hab ich halt irgendwie den Entschluss gefasst zu sagen: Nein, das möchte ich einfach nicht mehr. Es bringt mir keinen Spaß. Das ist nicht meine Gangart. Und dann habe ich aufgehört."
Schon davor – noch in Potsdam – fährt Kemme zweigleisig, geht auf Nummer sicher und macht nebenbei eine Ausbildung zur Polizeikommissarin. Heute arbeitet sie 30 Stunden die Woche und macht sonst Sport.
Und dem will sie jetzt etwas zurückgeben: den Verein mit dem sie groß geworden ist modernisieren, diversifizieren. Aktuell biete er jungen Spielerinnen kaum Perspektiven, findet sie. Und will talentierten Teenagerinnen Raum geben, sich zu echten Persönlichkeiten zu entwickeln.

Turbine Potsdam wieder an die Spitze holen

Tabea Kemme ist von ihren Zielen überzeugt, beschreibt sich selbst als echte Macherin. Und geht dabei doch raffinierter vor, als sie sich selbst gibt: Macht nebenbei einen Master in Football Analysis und legt einen gekonnten Wahlkampf hin – für das Ehrenamt als Clubpräsidentin.
Man nimmt ihr ab: Sie will den Verein wieder an die Spitze holen. "Wir waren ja einst die Talentschmiede in Deutschland", sagt sie und fordert: "Wir müssen hier jetzt investieren auch wirklich in fachliche Kompetenzen, was Nachwuchsscouting angeht, was die Trainerentwicklung angeht – und dieses Bewusstsein, dieses Denken erst einmal reinzukriegen: Du arbeitest hier mit jungen Nachwuchs, Teenagern, bringst heranwachsende Frauen zusammen. Okay, wie? Bestes Beispiel anhand des Zyklus: Was ich da für Potenzial liegen lasse, wirklich die Athletinnen an ihr Maximum zu bringen. Aber das muss, das musst du wissen. Das musst du kommunizieren."
Gewinnt sie, wäre sie die erste Frau an der Spitze eines deutschen Fußballclubs. Als Feministin möchte sie sich selbst aber nicht bezeichnen. "Ich bin ganz klar für Qualität, egal ob männlich, weiblich oder divers", betont sie. "Nur von der Materie im Frauenfußball, im Frauensport, da bin ich diejenige, die die besten Erfahrungen hat."
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