European Payments Initiative

Die letzte Chance für ein europäisches Zahlsystem

14:33 Minuten
Eine Visa- und eine Mastercard-Kreditkarte auf einem 50-Euro-Schein
Visa, Mastercard, Paypal: Der Einfluss von US-Unternehmen auf unsere täglichen Transaktionen ist erheblich. Deshalb wird an europäischen Alternativen gearbeitet. © imago images / ZUMA Wire / Karol Serewis
Ernst Stahl im Gespräch mit Vera Linß und Marcus Richter |
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Wie viel Macht Zahlungsdienstleister wie Visa und Mastercard haben, zeigte vor Kurzem der Fall OnlyFans. Das kann zu einer Gefahr für ganze Wirtschaftssysteme werden. Deshalb wird gerade auf europäischer Ebene an Alternativen gearbeitet.
Vor einigen Wochen ging es in einigen Ecken des Internets um nichts anderes mehr: Die britische Plattform OnlyFans, die vor allem als eine Art bezahltes Social Network für sexuelle Inhalte bekannt ist, wollte plötzlich keine Pornografie mehr anbieten. Erst nach ein paar Tagen war klar, weshalb das Unternehmen, das einen zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr umsetzt, diese Entscheidung getroffen hat: Druck von Zahlungsabwicklern.
Zwar konnte OnlyFans eine Lösung finden und die Inhaltssperre abschaffen, bevor sie überhaupt in Kraft getreten ist, doch der Fall zeigt, wie viel Macht US-Firmen wie Visa, Mastercard und Paypal haben. Etwas, das auch Seiten wie Pornhub, aber auch Wikileaks in der Vergangenheit spüren mussten.
Ernst Stahl ist Forschungsdirektor der ibi research GmbH. Er sagt, dass diese Macht nicht nur bei "Dienstleistungen im emotionalen Bereich" zum tragen kämen: "Die Thematik ist die, dass die USA natürlich mit ihren gesetzlichen Mitteln bestimmte Dinge international durchsetzen wollen. Wir denken da zum Beispiel an das Kuba-Embargo, mit dem zum Beispiel Paypal massive Probleme hat."

Die European Payments Initiative

Es gehe tatsächlich um einen Einfluss auf ganze Wirtschaftszweige. Laut Europäischer Zentralbank liefen zwischen 60 und 80 Prozent der Kartenzahlungen durch die Netzwerke von Mastercard und Visa. Das sei auch bei der Politik angekommen, sagt Stahl. Denn wer den Zahlungsverkehr kontrolliere, kontrolliert auch Volkswirtschaften.
Deshalb arbeiteten viele europäische Länder nun an der European Payments Initiative (EPI), um eine Alternative zu den US-Anbietern auf die Beine zu stellen. Das Ziel, so Stahl, sei die Etablierung einer Karte, die alle europäischen Systeme wie die deutsche Girocard miteinander vereint und auch Onlinezahlungen ermöglicht.
Was vielen nicht bewusst ist: Auf den meisten deutschen Bankkarten ist neben dem Girocard-, auch ein V-Pay- oder Maestro-Logo vorhanden. Diese ermöglichen, überall in Europa über das Visa- oder Mastercard-System zu bezahlen. Dies würde durch EPI, das später auch weltweit funktionieren soll, unnötig.
Für Ernst Stahl ist es wichtig, dass die geplante Einführung in den nächsten Jahren funktioniert: "Das ist die letzte Möglichkeit, die wir als Europa haben, noch eigenständig in Zahlungsverkehr zu bleiben, sowohl stationär als auch im Onlinebereich. Deswegen müssen alle Länder, alle Banken, die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank das unbedingt unterstützen."

Der digitale Euro

Eine weitere Baustelle für eine finanzielle Unabhängigkeit Europas ist der digitale Euro, an dem die EZB aktuell arbeitet. Das wäre eine Alternative zu dem Projekt "Diem" von Facebook oder dem digitalen Yuan, den China bereits nächstes Jahr einführen will – quasi eine neue Währung für das digitale Zeitalter. Stahl sieht es deshalb als positiv an, dass auch hier schon an dieser Technik gearbeitet wird:
"Europa muss natürlich aufpassen. Es kann nicht sein, dass andere Länder digitale Währungen entwickeln und Europa hinterherläuft. Deswegen sagen wir als Forschungsinstitut: Der digitale Euro wird definitiv kommen, sei es 2024 oder 2025. Einfach weil man sich nicht von China und Amerika abhängig machen kann."
Dass diese Alternative entsteht, heißt aber nicht, dass sie dann tatsächlich auch genutzt werde. Das würde sehr gut die deutsche Abneigung vor Karten- und Kontaktloszahlungen zeigen, die sich erst durch die Pandemie langsam verändert würde. Doch es sei gut, den digitalen Euro in der Hinterhand zu haben: "Man muss vorbereitet sein, damit man, wenn die Nachfrage steigt, nicht erst mit einem Projekt anfängt, sondern das schon in der Tasche hat."
(hte)
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