EU-Ratspräsidentschaft Rumäniens

Krisenmanager mit eigenen Problemen

Gegner der rumänischen Regierung protestieren am 100. Jahrestag der Staatsgründung gegen die Regierung.
In Bukarest protestieren Demonstranten gegen die Justizreform der Regierung. © AFP
Ein Kommentar von Matthias Buth · 28.12.2018
In einer schwierigen Phasen der EU übernimmt Rumänien die Ratspräsidentschaft: ein Land, das selbst zerrissen und dessen Rechtsstaatlichkeit bedroht ist. Doch ist die Aufgabe auch eine Chance für Rumänien, meint der Jurist und Autor Matthias Buth.
Im Januar 2019 wird Rumänien die EU-Ratspräsidentschaft für sechs Monate übernehmen. Können Regierung und Parlament in Bukarest diese Aufgabe meistern? Die EU ist in schwerem Wasser, nun wird erst Mitte Januar das britische Parlament über den EU-Austrittvertrag befinden. Theresa May hat alles versucht und nichts erreicht. Was wird aus Britannien, was aus Europa? Das alles fordert nun auch die EU-Ratspräsidentschaft Rumäniens.
Die Besorgnisse der europäischen Familie wachsen. Und so hat Finnland Bukarest angeboten, statt Rumänien am 1. Januar den EU-Vorsitz zu übernehmen. Das empörte das rumänische Außenamt: Man sei "bestens vorbereitet". Also, auch hier politischer Sturm!
Und hinzu kommt, dass Russland weiter auf Krieg setzt. Rumänien ist naher Nachbarn am Schwarzen Meer. Will Putin zwischen Donbass und Odessa eine russische Landverbindung zur Krim?

Historische Reminiszenzen vernebeln den Blick

Rumänien erinnert sich gerne an das "goldene Zeitalter", als es von 1919 bis 1940 ein Groß-Rumänien gab. Aber solche Reminiszenzen vernebeln den Blick in die Gegenwart. Derjenige, der für ein europäisches Rumänien steht, für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, ist Klaus Johannis, der Staatspräsident. Der ehemalige Oberbürgermeister von Hermannstadt/Sibiu ist der Held für die Massenproteste der Studenten und Bürgerrechtler in diesem Jahr. In manchem erinnert er an den Prager Dichter-Präsidenten Vaclav Havel.
Johannis bezeichnet die heutige Bukarester Regierung als einen "Unfall der rumänischen Demokratie". Das ist ein starkes Bild, das seine Gegner noch grimmiger macht. Aber er wird noch genauer: "Mit einem Schwamm" habe die Regierung weggewischt, was seit dem EU-Beitritt vor elf Jahren an Rechtsstaatlichkeit erreicht worden sei.
Gegen ihn agiert vor allem der vorbestrafte PSD-Chef Liviu Dragnea. Dieser kann wegen Korruptionsvergehen nicht Ministerpräsident werden, will das aber weiterhin erreichen, indem er die Strafgesetze ändern lässt. Und seine PSD-Mehrheit im Parlament macht mit.
Für 96 Prozent der Rumänen gehört die Korruption zu den großen Problemen im Land. Herta Müller, die unentwegt über ihr Heimatland schreibt, meint gar, "Betrug" gehöre zum "Selbstverständnis der rumänischen Politik".

Es "tümelt" in Rumänien

In Rumänien sind die Nationalisten auf dem Vormarsch, es tümelt dort wie in Polen und Ungarn. Aber der tapfere Staatspräsiden Klaus Johannis kämpft weiter für Rumänien als einen Rechtsstaat, der sich auf Humanismus, Aufklärung und Christentum gründet. Für ihn macht der Staatsbürger den Staat, nicht die eine Leit-Ethnie, der sich alle anderen Volksgruppen zu unterwerfen hätten. Der nationalistische Kommunismus hat jedoch bis 1989 Volksmythen in den Seelen verankert, die immer noch nachwirken. Die zu Sozialdemokraten gewendeten Kommunisten entfachen diese nach Kräften.
Die EU hält eine Rechtsstaatsüberprüfung in Bukarest für dringlich. Der wie ein Löwe für Rechtsstaatlichkeit kämpfende Staatspräsident Klaus Johannis wird von Nationalisten mit NS-Symbolen beleidigt. Dass er aus der deutschen Volksgruppe der Siebenbürger Sachsen kommt, wird so zum politischen Totschlagsargument seiner Gegner. Aber er ist nicht allein. Die bürgerschaftliche Opposition, die 2018 zu Hunderttausenden auf die Straßen gegangen ist, zeigt: Rumänien gehört zum EU-Europa.

Eine Herzkammer Europas

Deutschland hat für diesen Nachbarn besondere Verantwortung. Geschichte, Kultur und Wirtschaft erfordern dies. Das sich Einmauern in eine nationale Innenwelt versperrt den Blick auf den Zauber, der von den Werken von Lucian Blaga, George Enescu, Clara Haskil und Mircea Cartarescu ausgeht – und auch von Ovid, der dort, am Schwarzen Meer im Exil vor 2000 Jahren starb. Die Kultur bildet das geheime Rumänien.
Durch Sprachen, Musik und Kunst ist das Land mit uns verbunden, eine europäische Herzkammer von Constanţa bis nach Bukarest. Es ist aller Anstrengung wert.

Matthias Buth wurde 1951 in Wuppertal-Elberfeld geboren und lebt in Nähe von Köln, wo er Rechtswissenschaften studierte und über die DDR promovierte. Zahlreiche Gedicht- und Prosabände hat er seit 1974 veröffentlicht, zuletzt "Seid umschlungen – Feuilletons zu Kultur und Zeitgeschichte" (Berlin 2017) und die Lyriksammlungen "Gott ist der Dichter – Psalmen und andere Liebesgedichte" (Wuppertal 2017) und "Poesiealbum Nr. 344" (Wilhelmshorst 2019). Bis Ende 2016 war er Justiziar im Kanzleramt bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), seitdem arbeitet er als Rechtsanwalt. Buth ist Mitglied im VS und PEN. Zahlreiche Texte von ihm wurden ins Polnische und Rumänische übersetzt.

© Quelle: privat
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