EU-Parlament billigt Reform

Chance auf neuen Schutz des Urheberrechts vertan

03:00 Minuten
Schild mit der Aufschrift "Filter kennen kein Zitatrecht" auf der Demonstration "Save the Internet" gegen Uploadfilter am 23. März in Leipzig.
Schild mit der Aufschrift "Filter kennen kein Zitatrecht" auf der Demonstration "Save the Internet" gegen Uploadfilter am 23. März in Leipzig. © picture alliance / dpa / Peter Endig
Von Philipp Banse · 26.03.2019
Audio herunterladen
Wochenlang stritten Gegner und Befürworter der Copyright-Reform. Nun hat das Europaparlament zugestimmt. Nach Einschätzung des Medienjournalisten Philipp Banse ist das das Werk von unwissenden Politikern im Auftrag der Lobbyisten der Rechteverwerter.
Um es vorwegzunehmen: Dies ist kein guter Tag. Nicht für das Internet, nicht für uns Bürger und Bürgerinnen, nicht für die Politik. Publizisten, Verlage, Konsumenten – das Internet hat diese traditionellen Rollen völlig durcheinander gewürfelt und neu verteilt. Jeder von uns, der auch nur fünf Minuten im Internet zubringt, ist wahrscheinlich Publizistin oder Urheber, weil wir Bilder hochladen oder teilen, von uns oder von anderen.

Ganz oben: Das Recht der Verwerter

Für Menschen unter 30 sind digitale Ausdruckformen, in denen mit Werken anderer hantiert wird, Teil ihrer sozialen und politischen Identität. Daneben stehen klassische Urheber wie Autoren, Musikerinnen und Grafiker, die Geld bekommen sollen, wenn andere ihre Werke nutzen. Und daneben stehen die großen Verwerter wie Musikverlage, die selber keine Urheber sind, sondern deren Werke vermarkten. Sie alle haben legitime Ansprüche. Aber diese müssen im Internet neu austariert werden. Das wollte die Urheberechtsreform leisten, aber diese Chance ist vertan.
Die Richtlinie schreibt ein Urheberrecht fest und fort, das die Rechte der Verwerter über die Rechte aller anderen stellt; das unser aller Freiheit einschränkt und den wirklichen Urhebern keinen Cent mehr bringen wird.

Der Mann hat einfach keine Ahnung

Es ist aber noch mehr Schaden entstanden. Hier geht es weniger um den Inhalt, als um den Modus, wie dieser durchgesetzt wurde. Die Befürworter dieser Richtlinie haben mit so haarsträubenden Unwahrheiten agitiert, dass man diese "Lügen" nennen möchte. Dann aber liest man Äußerungen des Hauptverantwortlichen Axel Voss von der CDU und es wird klar: Der Mann hat einfach keine Ahnung.
Er kann nicht lügen, weil er es nicht besser weiß. Dem Mann, der über Jahre diese Richtlinie verformt hat, fehlen Basisinformationen zum Urheberrecht; sein Büro macht sich mit Falschinformation zum Gespött all jener, die schon mal gegoogelt haben und seine Kernargumente entnimmt der Herr Voss nach eigenem Bekunden aus Texten von Lobbyisten der Rechteverwerter.

Die Konsequenz aus den Protesten

Man könnte Mitleid haben mit Herrn Voss, wenn Politiker seines Schlages nicht einer ganzen Generation den Glauben an die Funktionsfähigkeit der EU rauben würden. Da gehen Zehntausende angeblich so apolitischer Menschen auf die Straßen, nicht weil sie Urheber und Verwerter enteignen wollen, sondern weil sie auch ein paar Rechte verlangen vom EU-Parlament. Und Politikern – nicht nur von der CDU – fällt nichts Besseres ein, als diese Leute als Bots zu bezeichnen, sie als "bezahlten" und "google-gesteuerten Mob" zu diffamieren?
Man kann nur hoffen, dass all jene, die für einen fairen Ausgleich der Interessen in einer digitalen Gesellschaft sind, sich nicht entmutigen lassen, weitermachen – und wählen gehen. Ende Mai sind nämlich Europawahlen und die Chance war noch nie so gut zu zeigen, dass die Macht nicht von Lobbyisten ausgeht.
Mehr zum Thema