Ethik-Nachhilfe für Manager
Offenbar kann uns nur noch altgriechische Weisheit aus der Krise retten: Der Campus-Verlag hat gleich zwei Bücher herausgebracht, in denen Erkenntnisse von Platon und Aristoteles für Manager aufbereitet wurden. Die Lektüre der beiden Fibeln ist erfrischend.
Muss man lange rätseln, warum ein Verlag, der bereits eine ansehnliche Reihe wirtschaftlicher Fachliteratur herausgegeben hat, in relativ kurzen Abständen hintereinander philosophische Fibeln für Manager veröffentlicht? 2007 erschien ein Büchlein zu Sokrates, 2010 zu Aristoteles. Und nun, 2012, zu dessen Lehrer Platon, der wiederum ein Schüler von Sokrates war.
Kann uns nur noch sokratische Weisheit aus der Krise retten? Denn um Krisenphänomene dürfte es sich handeln.
Die beiden Autoren sind erfolgreich als Coaches und Consulter tätig, also von Haus aus keine Philosophen. Deshalb lesen sich ihre Texte auch da gut runter, wo sie philosophische Erkenntnisse vermitteln. Zu Beginn der Lektüre möchte man indes noch daran zweifeln, ob sie wirklich mehr als zwei Jahrtausende zurückgehen mussten, um den Managern von heute ins Gewissen zu reden.
Doch nach und nach verliert sich diese Skepsis. Weil es um etwas Grundsätzliches geht. Und da sind die frühen europäischen Denktraditionen hochwillkommen. Es geht um prinzipielle Themen wie das Ideal des gemeinschaftlichen Guten, die Tugend der Verantwortung und um Spiritualität. Andreas Drosdek holt weit aus, um die Krise, in der wir stecken, begreiflich zu machen:
"Erst als der von Sokrates und Platon begründete Idealismus zunehmend infrage gestellt wurde, (bis hin zum Nihilismus, der jegliche Werte und Ideale verleugnet), begann der Westen zu straucheln. Diese Art von skeptischer Nabelschau ist mit ein Grund, warum Europa und selbst die USA, die seit ihrer Gründung von mächtigen, hoffnungsvollen Visionen angetrieben werden, ihren Einfluss auf die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der globalen Welt zunehmend verlieren."
Drosdek wirbt für solche Visionen im Unternehmenssektor. Und für sogenannte "Mission Statements". Alle guten Unternehmen hätten eine Mission, eine Leitidee zu höheren Zwecken. Sie wollten nicht nur Geld verdienen, sondern auch einen Beitrag zum allgemeinen Wohl leisten.
Das klingt sehr idealistisch und ist es auch - eben platonisch. Doch aus Drosdek spricht Erfahrung, wenn er schreibt, dass viele Unternehmen, die nur auf Gewinn und Aktienkurse schauten, sehr schnell untergingen.
Die reine Erfolgsethik steht bei beiden Manager-Ratgebern infrage. Mit ihr sei kein Staat mehr zu machen. Das hat einen triftigen ökonomischen Grund. So sieht Christa Mesnaric in der Haltung …
"… 'Was wir herstellen, ist total egal, Hauptsache, wir verdienen Geld damit' die größte Innovationsbremse unserer Wirtschaft. Neue bahnbrechende Erfindungen, wirkliche Neuerungen können nur entstehen, wenn ein großer Antrieb (Zweckursache) und gleichzeitig eine Öffnung hin zur Intuition (Seelenimpuls, Weisheit) vorhanden sind."
Diesmal steht Aristoteles mit seinen vier Ursachen Pate. Doch ob Aristoteles oder Platon, die Aussagen sind treffend. Andreas Drosdek pflichtet seiner Kollegin mit der Bemerkung bei:
"Die erfolgreichsten Unternehmen des 21. Jahrhunderts sind meist auch die kreativsten. Die Märkte sind in vielen Bereichen mit Standardprodukten übersättigt, sodass es wichtig ist, neuartige Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Innovationen sind längst nicht mehr etwas, was man alle Jahre mal anstrebt, sondern sie müssen zu einem ständigen Teil der Unternehmenskultur werden."
Der einschlägige Begriff dafür ist der des "Change Management". Die Unternehmensführung muss für Veränderung sorgen und zwar permanent, da Veränderung die einzige Konstante im Wirtschaftsleben ist.
Doch wie verhilft man Mitarbeitern zu ständiger Kreativität? Mesnaric empfiehlt den Managern das Beispiel der aristotelisch inspirierten Peripatetik. Das Wort heißt übersetzt: umherwandeln. Sie sollten sich an den Schülern des großen Philosophen ein Beispiel nehmen und wie diese, in Gespräche vertieft, umherwandeln. Beim Gehen kämen einem nämlich die besten Gedanken. Daher der Rat der Autorin:
"Manager bewegen sich wenig und investieren wenig Zeit ins Nachdenken. Unsere Meetingkultur unterstützt die Bewegungslosigkeit. Der Philosophentipp lautet: Bringen Sie Bewegung in die Prozesse. Geh-Meetings bieten sich besonders an Orten mit schöner Landschaft an. Ersatzweise kann einfach ein Steh-Meeting abgehalten werden."
Mit dem Ersatzvorschlag macht sich Mesnaric die Beobachtung zunutze, dass viele Menschen instinktiv aufstünden, wenn sie ein Problem umtreibe.
Die Lektüre der beiden Fibeln ist erfrischend. Bei beiden hätte sich der Rezensent jedoch mehr praktische Beispiele gewünscht. Andreas Drosdek geizt etwas damit, obwohl er - aus der Sicht Platons - interessante Hinweise gibt wie etwa den, dass die besten Unternehmen zur Streitkultur animierten, um die Mitarbeiter in Bewegung zu halten. Man denke an Intel, wo das längst die Regel ist.
Schön auch seine Herleitung des Wortes Manager. Es käme vermutlich vom italienischen "maneggiare" und bezeichne eine Person, die mit Pferden umgehen könne. Sie gehören bekanntlich zu den am schwersten zu handhabenden Tieren. Die Firma wird so zur Manege, in der die Mitarbeiter nicht nur zu zügeln, sondern auch zur Hochleistung motiviert werden möchten.
Christa Mesnaric ist etwas weniger geizig. Und sie leistet einen geradezu edlen Beitrag zur Diskussion um effektives Management, indem sie Aristoteles' Gedanken der Entelechie auf die Angehörigen eines Unternehmens überträgt. Mit Entelechie ist das Potenzial eines Stoffes beziehungsweise einer Person gemeint. Ähnlich dem Bildhauer, der dem Marmor die göttliche Figur entlockt, muss der Manager die in seinen Mitarbeitern schlummernden Fähigkeiten freisetzen.
Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob nicht der Typus des deutschen Arbeit-Nehmers absolut unterfordert ist.
Andreas Drosdek: Platon für Manager
Campus Verlag Frankfurt-New York, März 2012
Christa Mesnaric: Aristoteles für Manager
Campus Verlag Frankfurt-New York, August 2010
Mehr zum Thema:
Fair Trade: Kaffeetrinken und Gutes tun - Wirtschaftsethiker suchen die Verbindung von Moral und Konsum (DLF)
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Kann uns nur noch sokratische Weisheit aus der Krise retten? Denn um Krisenphänomene dürfte es sich handeln.
Die beiden Autoren sind erfolgreich als Coaches und Consulter tätig, also von Haus aus keine Philosophen. Deshalb lesen sich ihre Texte auch da gut runter, wo sie philosophische Erkenntnisse vermitteln. Zu Beginn der Lektüre möchte man indes noch daran zweifeln, ob sie wirklich mehr als zwei Jahrtausende zurückgehen mussten, um den Managern von heute ins Gewissen zu reden.
Doch nach und nach verliert sich diese Skepsis. Weil es um etwas Grundsätzliches geht. Und da sind die frühen europäischen Denktraditionen hochwillkommen. Es geht um prinzipielle Themen wie das Ideal des gemeinschaftlichen Guten, die Tugend der Verantwortung und um Spiritualität. Andreas Drosdek holt weit aus, um die Krise, in der wir stecken, begreiflich zu machen:
"Erst als der von Sokrates und Platon begründete Idealismus zunehmend infrage gestellt wurde, (bis hin zum Nihilismus, der jegliche Werte und Ideale verleugnet), begann der Westen zu straucheln. Diese Art von skeptischer Nabelschau ist mit ein Grund, warum Europa und selbst die USA, die seit ihrer Gründung von mächtigen, hoffnungsvollen Visionen angetrieben werden, ihren Einfluss auf die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der globalen Welt zunehmend verlieren."
Drosdek wirbt für solche Visionen im Unternehmenssektor. Und für sogenannte "Mission Statements". Alle guten Unternehmen hätten eine Mission, eine Leitidee zu höheren Zwecken. Sie wollten nicht nur Geld verdienen, sondern auch einen Beitrag zum allgemeinen Wohl leisten.
Das klingt sehr idealistisch und ist es auch - eben platonisch. Doch aus Drosdek spricht Erfahrung, wenn er schreibt, dass viele Unternehmen, die nur auf Gewinn und Aktienkurse schauten, sehr schnell untergingen.
Die reine Erfolgsethik steht bei beiden Manager-Ratgebern infrage. Mit ihr sei kein Staat mehr zu machen. Das hat einen triftigen ökonomischen Grund. So sieht Christa Mesnaric in der Haltung …
"… 'Was wir herstellen, ist total egal, Hauptsache, wir verdienen Geld damit' die größte Innovationsbremse unserer Wirtschaft. Neue bahnbrechende Erfindungen, wirkliche Neuerungen können nur entstehen, wenn ein großer Antrieb (Zweckursache) und gleichzeitig eine Öffnung hin zur Intuition (Seelenimpuls, Weisheit) vorhanden sind."
Diesmal steht Aristoteles mit seinen vier Ursachen Pate. Doch ob Aristoteles oder Platon, die Aussagen sind treffend. Andreas Drosdek pflichtet seiner Kollegin mit der Bemerkung bei:
"Die erfolgreichsten Unternehmen des 21. Jahrhunderts sind meist auch die kreativsten. Die Märkte sind in vielen Bereichen mit Standardprodukten übersättigt, sodass es wichtig ist, neuartige Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Innovationen sind längst nicht mehr etwas, was man alle Jahre mal anstrebt, sondern sie müssen zu einem ständigen Teil der Unternehmenskultur werden."
Der einschlägige Begriff dafür ist der des "Change Management". Die Unternehmensführung muss für Veränderung sorgen und zwar permanent, da Veränderung die einzige Konstante im Wirtschaftsleben ist.
Doch wie verhilft man Mitarbeitern zu ständiger Kreativität? Mesnaric empfiehlt den Managern das Beispiel der aristotelisch inspirierten Peripatetik. Das Wort heißt übersetzt: umherwandeln. Sie sollten sich an den Schülern des großen Philosophen ein Beispiel nehmen und wie diese, in Gespräche vertieft, umherwandeln. Beim Gehen kämen einem nämlich die besten Gedanken. Daher der Rat der Autorin:
"Manager bewegen sich wenig und investieren wenig Zeit ins Nachdenken. Unsere Meetingkultur unterstützt die Bewegungslosigkeit. Der Philosophentipp lautet: Bringen Sie Bewegung in die Prozesse. Geh-Meetings bieten sich besonders an Orten mit schöner Landschaft an. Ersatzweise kann einfach ein Steh-Meeting abgehalten werden."
Mit dem Ersatzvorschlag macht sich Mesnaric die Beobachtung zunutze, dass viele Menschen instinktiv aufstünden, wenn sie ein Problem umtreibe.
Die Lektüre der beiden Fibeln ist erfrischend. Bei beiden hätte sich der Rezensent jedoch mehr praktische Beispiele gewünscht. Andreas Drosdek geizt etwas damit, obwohl er - aus der Sicht Platons - interessante Hinweise gibt wie etwa den, dass die besten Unternehmen zur Streitkultur animierten, um die Mitarbeiter in Bewegung zu halten. Man denke an Intel, wo das längst die Regel ist.
Schön auch seine Herleitung des Wortes Manager. Es käme vermutlich vom italienischen "maneggiare" und bezeichne eine Person, die mit Pferden umgehen könne. Sie gehören bekanntlich zu den am schwersten zu handhabenden Tieren. Die Firma wird so zur Manege, in der die Mitarbeiter nicht nur zu zügeln, sondern auch zur Hochleistung motiviert werden möchten.
Christa Mesnaric ist etwas weniger geizig. Und sie leistet einen geradezu edlen Beitrag zur Diskussion um effektives Management, indem sie Aristoteles' Gedanken der Entelechie auf die Angehörigen eines Unternehmens überträgt. Mit Entelechie ist das Potenzial eines Stoffes beziehungsweise einer Person gemeint. Ähnlich dem Bildhauer, der dem Marmor die göttliche Figur entlockt, muss der Manager die in seinen Mitarbeitern schlummernden Fähigkeiten freisetzen.
Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob nicht der Typus des deutschen Arbeit-Nehmers absolut unterfordert ist.
Andreas Drosdek: Platon für Manager
Campus Verlag Frankfurt-New York, März 2012
Christa Mesnaric: Aristoteles für Manager
Campus Verlag Frankfurt-New York, August 2010
Fair Trade: Kaffeetrinken und Gutes tun - Wirtschaftsethiker suchen die Verbindung von Moral und Konsum (DLF)
Kritik: "Unternehmen als moralische Akteure" von Christian Neuhäuser, Suhrkamp Verlag (DKultur)
Eine Frage der Moral - Business Schools und die Lehre aus der Krise (DLF)

Cover: "Platon für Manager" von Andreas Drosdek© Campus Verlag

Cover: "Aristoteles für Manager" von Christa Mesnaric© Campus Verlag