Politik statt Party
Der Eurovision Song Contest soll vor allem Spaß machen, doch der Nahostkonflikt wirft seine Schatten bis nach Malmö. Es gelten strenge Sicherheitsmaßnahmen, palästinensische Flaggen sind verboten - und Israel musste seinen Song ändern.
Rund 100.000 Besucher werden zum diesjährigen Eurovision Song Contest im schwedischen Malmö erwartet – unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen.
Inhalt
Was ist Anlass der Debatte um den ESC 2024?
Im Vorfeld des diesjährigen ESC hatten Aktivisten und Künstlerinnen vor allem aus Island, Finnland und Schweden gefordert, Israel auszuschließen. Die Begründung: das Vorgehen der israelischen Armee in Gaza.
Einen Ausschluss Israels lehnte die Europäische Rundfunkunion (EBU), die den ESC organisiert, ab. Grundsätzlich dürfen alle Mitglieder der EBU unter Einhaltung bestimmter Regeln am ESC teilnehmen. Dazu zählen nicht nur die europäischen Rundfunkanstalten, sondern auch diejenigen aus den Anrainerstaaten des Mittelmeeres. Auch Australien ist assoziiertes Mitglied der EBU.
Die Europäische Rundfunkunion hat mehrfach betont, dass der ESC eine unpolitische Veranstaltung sei. Dabei träten keine Regierungen gegeneinander an, sondern öffentlich-rechtliche Rundfunksender. Der staatliche israelische Sender Kan erfülle die Grundanforderungen für eine Teilnahme, denn er gewährleiste eine unabhängige Berichterstattung, hieß es.
Eine freie Presse gibt es hingegen in Russland nicht. Darum und vor dem Hintergrund des Krieges gegen die Ukraine wird Russland seit dem ESC 2022 ausgeschlossen. Der Vergleich mit Russland war von Befürwortern eines Boykotts von Israel immer wieder herangezogen worden. Auch Belarus war von der EBU 2021 ausgeschlossen worden.
Warum musste Israel seinen Songtext ändern?
Einwände hatte die EBU allerdings bei dem israelischen ESC-Song „October Rain“ in seiner ursprünglichen Fassung. Der Songtext sei zu politisch, hieß es. Medienberichten zufolge soll sich das Lied auf das Massaker der islamistischen Hamas in Israel am 7. Oktober bezogen haben.
Israel gab in dem Streit nach, nachdem Präsident Isaac Herzog dazu aufgefordert hatte. Israel müsse in einer Zeit, in der diejenigen, die das Land hassten und versuchten es auszuschließen, seine Stimme erheben, sagte Herzog. Der Songtext wurde daraufhin geändert. Unter dem neuen Titel „Hurricane“ darf die 20-jährige Sängerin Eden Golan den Song aufführen.
Auch der deutsche ESC-Kandidat Isaak hat sich zu den Boykott-Aufrufen gegen Israel geäußert. Gegenüber dem ZDF verwies er auf den Titel der Veranstaltung "United by Music" und sagte: "Und wenn wir sagen, Israel muss jetzt raus, weil die Regierung irgendwie Schmu macht - dann sind wir nicht mehr 'United by Music'."
Wie geht Malmö mit der Situation um?
Der ESC 2024 findet im schwedischen Malmö unter starken Sicherheitsvorkehrungen statt. Die Polizei hat Unterstützung aus Norwegen und Dänemark angefordert. Schwer bewaffnete Polizeieinheiten stehen auf der Straße, Hotels sind abgeriegelt, Drohnen in der Luft.
Die israelischen Künstlerinnen und Künstler sind an einem geheimen Ort untergebracht. Die Regierung in Jerusalem hat zudem für ihre Bürgerinnen und Bürger eine Reisewarnung für Malmö ausgesprochen. Es gebe gut begründete Bedenken, dass „terroristische Elemente“ Proteste und eine anti-israelische Stimmung ausnutzen könnten, um israelische Besucher zu attackieren, erklärte der Nationale Sicherheitsrat des Landes.
Auch für die Veranstaltungen gelten strenge Auflagen: Taschen sind ebenso verboten wie palästinensische Flaggen; nur die Fahnen der teilnehmenden Länder sowie die Regenbogenfahne sind erlaubt. Die Angst vor Ausschreitungen ist groß.
Unmittelbar vor dem Auftritt der israelischen Sängerin Eden Golan im ESC-Halbfinale erreichte der Protest gegen Israel seinen bisherigen Höhepunkt in Malmö. Etwa 10.000 bis 12.000 Menschen demonstrierten laut Polizei auf einer pro-palästinensischen Demonstration, bei der der Ausschluss Israels vom ESC gefordert wurde.
Das Publikum wählte Golan hingegen ins Finale, die Sängerin ließ sich nicht nervös machen und wurde in der Halle für ihren Auftritt gefeiert. Am Samstag werden zum Finale erneut bis zu 10.000 Demonstranten erwartet; auch Gegenproteste sind geplant.
Anspannung statt Feierlaune
Bereits Anfang Mai hatte eine polizeilich genehmigte Koranverbrennung in Malmö für Aufregung gesorgt. Koranverbrennungen sind in Schweden von der Meinungsfreiheit gedeckt. In einem gemeinsamen Brief kritisierten die Konferenz der Europäischen Rabbiner und die Islamische Weltliga die Koranverbrennung als "aufstachelnd und beleidigend". Sie forderten alle Teilnehmer und Gäste des ESC auf, ihre Meinung verantwortungsbewusst zu äußern.
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