"Es gibt schon große Kritik an der Basis"

Katharina Fegebank im Gespräch mit Gabi Wuttke |
Die Hamburger Grünen wollen von dem designierten Ersten Bürgermeister wissen, wie er sich die Zukunft der schwarz-grünen Koalition vorstellt. Die GAL-Vorsitzende Katharina Fegebank fordert, ein "Weiter so" dürfe es nicht geben.
Gabi Wuttke: Steht Christoph Ahlhaus wirklich auf dem Prüfstand? Muss der Christdemokrat sich heute mindestens hellgrün präsentieren, um vor dem Koalitionspartner in Hamburg zu bestehen und die Nachfolge von Ole van Beust als Erster Bürgermeister antreten zu können? Oder ist schon vor seinem Besuch bei der Mitgliederversammlung der Grün-Alternativen Liste klar, dass der Hardliner gerufene Ex-Innensenator akzeptiert wird? Katharina Fegebank, die Vorsitzende der Grün-Alternativen Liste in Hamburg, ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Frau Fegebank!

Katharina Fegebank: Guten Morgen, hallo!

Wuttke: Ist Christoph Ahlhaus sich im letzten Monat treu geblieben, oder erleben Sie ihn als designierten Ersten Bürgermeister anders?

Fegebank: Also ich muss sagen, ich habe ihn erst richtig kennengelernt die letzten drei oder vier Wochen. Ich hatte bisher mit ihm als Fachpolitiker sehr wenig zu tun, und nach dem Rücktritt von Ole van Beust und dem verlorenen Volksentscheid am 18.7. wurde erklärt, dass er designierter Nachfolger sein würde, und das hat uns natürlich als Partei auf den Plan gerufen, da auch intensive Beziehungen, Verbindungen zu ihm aufzubauen.

Und ich habe ihn als jemanden erlebt, der äußerst interessiert natürlich an der Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition ist, als jemand, der sehr pragmatisch, auch uns sehr zugewandt auftritt und an einer inhaltlichen Debatte interessiert ist, und ich hoffe, dass er das heute Abend auch unseren Mitgliedern so darstellen kann.

Wuttke: Das heißt, da treffen zwei Interessen aufeinander. Glauben Sie, er muss sich also gar nicht so besonders bemühen, auch seine grünen Kritiker so kennenzulernen, oder vielmehr, dass sie ihn so kennenlernen, wie er sich selbst als Erster Bürgermeister sehen will?

Fegebank: Also es gibt schon große Kritik an der Basis. Die Kritik entzündet sich an der Person Christoph Ahlhaus als Innensenator. Und für Grüne, das habe ich in der Vergangenheit auch immer gesagt, stellen Innensenatoren besondere Reizfiguren oder Reizpotenziale dar. Und von daher ist es schon geboten für ihn heute Abend, nicht nur inhaltlich zu erklären, welches Gesicht er einer zukünftigen schwarz-grünen Koalition geben will, sondern auch, wie er sich die Zusammenarbeit vorstellt und vor allem, wie er die Kritik, die an ihm, an seiner Person, dem vermeintlichen Hardliner, aufgekommen ist, wie er die ausräumen kann, und wie er auch unsere Mitglieder dann für sich gewinnen kann oder überzeugen kann, dass er ein Bürgermeister für alle Hamburgerinnen und Hamburger ist, und nicht in der Rolle des Innensenators verharrt. Das ist schon an der Basis ein wichtiges Anliegen, und da ist die Kritik groß gewesen in den vergangenen Wochen, das muss ich ehrlich sagen.

Wuttke: Und es gibt ja auch einen Antrag, ihn abzulehnen, was ja dem Bruch der Koalition gleichkäme, oder?

Fegebank: Das ist richtig. Ich finde es allerdings völlig normal und wäre erstaunt und verwundert, wenn es nicht so wäre, dass wir in einer basisdemokratischen Partei, die auch auf Streitkultur, auf die interne Auseinandersetzung, auf die Debatte setzt, wenn da alles einvernehmlich beschlossen werden würde. Wir haben klar gesagt, die Ereignisse des 18.7., der Rücktritt des Bürgermeisters, der verlorene Volksentscheid stellen für uns eine Zäsur dar. Wir haben gesagt, ein "Weiter so" wird es mit uns nicht geben, und wir müssen schon das Bündnis in einen neuen Begründungszusammenhang stellen und es neu legitimieren.

Und wir haben die letzen Wochen viele Gespräche geführt mit der CDU-Spitze, mit einzelnen Mitgliedern, Funktionären, aber auch Basismitgliedern der CDU, genauso wie wir parteiintern sehr viel diskutiert, nachgedacht haben, und eine weitere Hürde ist quasi heute Abend, indem sich der Bürgermeisterkandidat vorstellt bei uns. Wir haben ihn eingeladen, aber ich muss auch betonen: Er hatte großes Interesse daran, dass er sich den Fragen unserer Mitglieder stellt. Das mag ein Novum sein und auch für Außenstehende vielleicht etwas verwunderlich, dass er sich den Grünen vorstellt, bevor er sich seiner eigenen Partei in Gänze präsentiert, aber es ist ja auch ungewöhnlich, dass ein Bürgermeister zur Hälfte der Legislatur zurücktritt, und deshalb erwarten wir auch, dass wir wissen, mit wem wir weiter zusammenarbeiten sollen.

Wuttke: Der Christdemokrat also auf Tuchfühlung, auf der anderen Seite ist es ja klar: Die GAL will ja nicht dafür geradestehen müssen, dass das erste schwarz-grüne Pilotprojekt in einem Land den Bach runtergeht, oder?

Fegebank: Natürlich wollen wir das nicht, aber wir wollen auch verantwortungsvoll mit dieser Situation umgehen. Die Ereignisse des 18.7. sind eine Zäsur, und wir haben gesagt: Wir müssen jetzt tatsächlich noch mal gucken, wo es für uns einen gemeinsamen Aufschlag gibt oder eben nicht. Und wir haben ganz klar Erwartungen formuliert, das ist zum einen das Einhalten auf Punkt und Komma des Koalitionsvertrages, auch die Fortsetzung eines offenen und toleranten Kurses, den Schwarz-Grün in der Stadt eingeschlagen hat, und natürlich die Verlässlichkeit, die auch das Bündnis in den letzten zwei Jahren zwischen Schwarz und Grün geprägt haben, die nicht verloren gehen darf.

Und zu vielen Dingen hat sich Herr Ahlhaus in den Vorabgesprächen geäußert, aber ich finde das richtig und wichtig, dass er sich da noch mal unserer Partei präsentiert und auch durchaus kritische Fragen beantwortet, um uns als Parteispitze da eine Möglichkeit zu geben, ab morgen auch ein Signal in die Partei hineinzusenden, dass wir entweder weitermachen oder nicht. Also es wird schon eine Menge auch abhängen von dem heutigen Abend.

Wuttke: Wird also heute Abend auch ein Thema sein, dass die Arbeitsgruppe Scientology, die einzigartig in Deutschland ist, auf Anordnung der Innenbehörde in Hamburg keine Einzelgespräche für Betroffene mehr anbieten wird – also eine Sparmaßnahme, die ja aus der Innenbehörde, aus der Christoph Ahlhaus kommt, wiederum kommt?

Fegebank: Das ist möglich, dass es dazu Fragen gibt, dass es dazu Fragen gibt, kritische Anmerkungen. In erster Linie dient der Abend dazu, dass Christoph Ahlhaus seine Vorstellung vom weiteren Zusammenspiel zwischen Schwarz-Grün präsentiert, seine inhaltlichen Vorstellungen. Grüne sind eine Inhalte-Partei, die auch ihre Zusammenarbeit über Inhalte definieren. Wir kleben nicht an unseren Sesseln, wir wollen, dass Hamburg gut regiert wird, und das kann nur funktionieren, indem auch die Inhalte stimmen.

Das ist uns wichtig, dass er da einen Entwurf aufmacht, wie es die nächsten anderthalb Jahre aussehen soll; dann die Fragen, die ich eben benannt habe; und dann wird es sicherlich auch darum gehen, wie ist gutes Regieren vor dem Hintergrund einer sehr, sehr angespannten Haushaltslage, die ja so dramatisch ist, wie sie wohl noch nie im Hamburger Haushalt vorzufinden war, wie das überhaupt möglich ist. Und da erwarten wir natürlich von einem zukünftigen Bürgermeister klare Antworten.

Wuttke: Eine Frage noch: Man könnte natürlich das Verhältnis zwischen Schwarz und Grün in Hamburg sehr schön mitbekommen, wenn es möglich wäre, diese Mitgliederversammlung heute Abend zu besuchen – warum unter Ausschluss der Öffentlichkeit?

Fegebank: Also ich finde es wichtig, dass es einen geschützten Raum gibt, in dem man sich vernünftig austauschen kann. Wir haben diverse Gremien, die alle öffentlich tagen, von Parteitagen über Kreismitgliederversammlungen, Versammlungen, die vor Ort stattfinden aber auch auf Landesebene. Wir haben tatsächlich als Vorstand mit Beginn der Regierungsbeteiligung das Gremium des Mitgliederabends geschaffen, beziehungsweise es ist gar kein richtiges Gremium, es ist eine neue Form, um unter Ausschluss der Öffentlichkeit über Dinge zu sprechen, die im geschützten Raum stattfinden. Das ist, denke ich, gut für den Kandidaten, das ist auch gut für die Mitglieder, die sich vielleicht trauen, ein bisschen mehr zu fragen, ein bisschen weitergehender zu fragen, als sie es unter Pressebeobachtung täten. Und die Frage ist: Will man in einem geschützten Raum sprechen, oder will man Fensterreden hören, die dann auch der Presse zugänglich sind.

Wuttke: Der designierte Erste Bürgermeister Hamburgs stellt sich heute der Mitgliederversammlung des grünen Koalitionspartners, dazu im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur die Landesvorsitzende der GAL, Katharina Fegebank. Besten Dank, schönen Tag!

Fegebank: Danke schön, tschüss!
Grünen-Landeschefin Katharina Fegebank
Katharina Fegebank© AP
Mehr zum Thema