"Getroffen wie ein Paukenschlag"

Katharina Fegebank im Gespräch mit Michael Groth und Verena Herb |
Nach der Rücktrittsankündigung des Ersten Bürgermeisters Ole von Beust fordert die Hamburger Grünen-Chefin Katharina Fegebank einen "neuen Aufschlag" für die Fortführung des Bündnisses mit der CDU - und einen offenen und liberalen Kurs des neuen Senatschefs Christoph Ahlhaus.
Deutschlandradio Kultur: Frau Fegebank, es liegen ja anstrengende Wochen eigentlich hinter Ihnen. Also, politische Paukenschläge, die liegen gerade zwei Wochen zurück. Zum einen ist da der Rücktritt des Bürgermeisters Ole von Beust zu nennen und zum anderen auch der verlorene Volksentscheid zur Schulreform. Haben Sie die Ereignisse denn mittlerweile verdaut?

Katharina Fegebank: Ich muss ehrlich gestehen, dass gerade die Woche nach diesem herben Doppelschlag – Rücktritt Ole von Beust und verlorener Volksentscheid – für mich die bisher schwerste in meiner noch so jungen politischen Laufbahn gewesen ist. Inzwischen hat man bisschen nachdenken können, auch mit vielen Leuten sprechen können – sowohl aus dem politischen als auch nichtpolitischen Kontext. Und so langsam kommen wir wieder in geordnete Bahnen und gucken aber auch nach vorne, was passiert. Denn wichtige Entscheidungen stehen ja noch an.

Deutschlandradio Kultur: Was war denn der schwerere Schlag, der Rücktritt von Beust oder der verlorene Volksentscheid.

Katharina Fegebank: Na ja, der Rücktritt des Ersten Bürgermeisters hat uns alle getroffen wie ein Paukenschlag. Ich muss sagen, anstrengender natürlich war der verlorene Volksentscheid, weil wir uns das gesamte letzte Jahr, eigentlich begonnen Sommer, Herbst letzten Jahres, mit dieser Frage des längeren gemeinsamen Lernens auseinandergesetzt haben. Und wir waren sowohl von Parteiseite aus als auch von Seiten des überparteilichen Bündnisses, das wir gegründet haben, einfach sehr erschöpft und sehr ausgezehrt, weil die Wochen des Volksentscheides natürlich nervlich sehr anstrengend waren, zeitlich sehr beansprucht haben. Umso herber war dann die Enttäuschung, als wir am Abend feststellen mussten, dass es nicht gereicht hat und wir keine gesellschaftliche Mehrheit für die Primarschule in Hamburg auf unsere Seite bringen konnten.

Deutschlandradio Kultur: Können Sie denn den Rücktritt des Bürgermeisters nachvollziehen?
Katharina Fegebank: Ich habe mich ja schon am Sonntag, glaube ich, sehr deutlich geäußert, dass ich zum einen sehr enttäuscht darüber bin, dass Ole von Beust jetzt, zu diesem Zeitpunkt seinen Rücktritt angekündigt hat. Ich finde den Zeitpunkt immer noch nicht nachvollziehbar. Wenn jemand antritt und sagt, ich gehe in ein Regierungsbündnis, ein bisher einzigartiges, einmaliges Regierungsbündnis, dann erwarte ich eigentlich auch, dass man die Legislaturperiode durchhält, auch gemeinsam durchsteht. Das habe ich, denke ich, deutlich gemacht. Es wird auch geteilt von meinen Parteifreundinnen und -freunden. Und jetzt müssen wir einfach sehen, wie wir da gemeinsam weitermachen und auch gut rauskommen aus der Nummer.

Deutschlandradio Kultur: Ich würde gerne noch mal über den Volksentscheid als solchen sprechen. Sie haben ja als Grüne hier in Hamburg die Verbindlichkeit der Volksentscheide im Koalitionsvertrag festgelegt. Bereuen Sie das jetzt angesichts dieses Ergebnisses?

Katharina Fegebank: Nein, wir Grüne standen und stehen für direkte Demokratie. Und wir finden das immer noch natürlich richtig, das auch im Gesetz verbindlich oder in der Verfassung verbindlich festgehalten zu haben. Wir können jetzt nicht, nur weil sich das Volk gegen uns wendet, sagen, dass wir das alles plötzlich nicht mehr wollen. Wir müssen uns, denke ich, aber durchaus Gedanken machen, wie man mit Ergebnissen solcher Volksentscheide umgeht.

Und wenn dann Rücktrittsforderungen oder gar Forderungen nach Neuwahlen nach einem verlorenen Volksentscheid auf einen einprasseln, dann muss man schon auch das Verhältnis zwischen repräsentativer, also parlamentarischer, und auch direkter Demokratie genau analysieren.

Denn man will zum einen die Beteiligung der Bevölkerung, der Bürgerinnen und Bürger erweitern, was ich gut und richtig finde. Dann sind es aber Entscheidungen in Sachfragen. Und so war es auch hier. Es war eine relevante, es war eine wichtige, auch für die Grüne eine programmatische Sachfrage, aber es war eine Entscheidung in einer Sachfrage und keine Entscheidung über ein wie auch immer geartetes Regierungsbündnis und darf dann eigentlich auch nicht einhergehen mit Rücktrittsforderung oder gar Forderung nach Neuwahlen, weil man sich in einer so entscheidenden Sachfrage nicht durchgesetzt hat. Wenn das nämlich passiert, kommen wir plötzlich aus dem Wählen nicht mehr raus und es hebelt sukzessive auch parlamentarische Demokratie aus. Und das darf nicht das Ergebnis eines solchen Volksentscheides sein.

Deutschlandradio Kultur: Es besteht ja auch die Gefahr bei Volksentscheiden, gerade, wenn sie mit Quoren verbunden sind, dass eine Minderheit politisch möglicherweise sinnvolle Dinge blockieren kann und die Mehrheit keine Chance hat, die dann durchzusetzen. Sie bleiben aber bei Ihrer Meinung?

Katharina Fegebank: Es hat sich ja auch hier gezeigt, dass es wirklich das breitmöglichste politische wie gesellschaftliche Bündnis gegeben hat. Wir haben es aber nicht geschafft, und das gehört dann zur ehrlichen Fehleranalyse dazu. Dieses auch in die Breite der Gesellschaft zu tragen, also, in der Öffentlichkeit etwas darzustellen und das dann auch noch in die einzelnen Stadtteile, das ist eine Aufgabe, die dann auch damit einhergeht, wenn man direkte Demokratie will.

Und das ist uns nicht gelungen. Das müssen wir ganz ehrlich sagen. Gerade in den Stadtteilen, in denen wir sehen, dass dort die Schülerinnen und Schüler, auch die Familien am meisten profitiert hätten von dieser Schulreform, im gesamten Hamburger Osten, müssen wir feststellen, dass dort die Beteiligung an der Abstimmung sehr, sehr gering war. Und da gibt’s einfach eine deutliche Diskrepanz. Das müssen wir bei den nächsten Volksentscheiden, so sie denn kommen und zu welchen Themen sie auch immer kommen mögen, durchaus im Blick behalten.

Also, für mich hat gerade die Analyse des verlorenen Volksentscheides, aber auch meine eigene Beobachtung, meine eigene Erfahrung bei Wahlkämpfen im Hamburger Osten, auch noch mal zu der Frage gebracht: Welche Reichweite hat eigentlich Politik und haben politische Entscheidungen? Und nutzen Bürgerinnen und Bürger, auch wenn es sich um breite Bündnisse handelt, dann ihr Votum bei einem Volksentscheid, um gegen die Mehrheit im Parlament zu stimmen und eine Ohrfeige zu verpassen? Das sind alles Fragen, die wir für uns klären müssen, die wir noch nicht beantwortet haben.

Und für mich ist die wichtigste Frage, auch vor dem Hintergrund dieser Frage, in der es ja auch um soziale Gerechtigkeit, um eine soziale Frage ging, um den Zusammenhalt in der Gesellschaft: Wie nimmt man die Bevölkerungsgruppen mit, die es eigentlich betrifft, die sich aber nicht artikulieren, die schon selten noch zu Wahlen gehen, also zu regulären Wahlen, als andere und die dann bei direkter Demokratie – und das ist sicherlich etwas worüber wir nachdenken müssen, wo entsteht direkte Demokratie, wenn ich das auf Hamburg übertrage und mir das auch in den Bezirken angucke -, dann sind das meist die Stadtteile, in denen schon auch Menschen leben, denen es besser geht, die die Möglichkeit haben, ihren politischen Willen ganz anders zu artikulieren. Und diese Kluft, die müssen wir überwinden, um auch direkte Demokratie für alle nutzbar zu machen und auch ein sinnvolles Instrument daraus zu machen.

Deutschlandradio Kultur: Gab es denn dann Versäumnisse, weil man eben in diese Stadtteile, wo die Menschen leben, die es eigentlich beschäftigen sollte, Billstedt beispielsweise, Rothenburgsort, das war ein Viertel, wo die Wahlbeteiligung, glaube ich, bei unter zehn Prozent lag, gab es da Versäumnisse seitens der Partei des großen Bündnisses der Schulverbesserer, da halt nicht genügend für Informationen gesorgt zu haben?

Katharina Fegebank: Wir haben alles versucht – von Plakatkampagnen über Präsenz vor Ort bei Informationsveranstaltungen und Podiumsdiskussionen. Wir haben versucht, die dortigen Schulen zu erreichen, sprich, die Eltern und Lehrervertretungen dort zu erreichen, mit denen ins Gespräch zu kommen. Es hat, um das ganz anschaulich mal darzustellen, gerade in den letzten zwei, drei Wochen vor dem 18.7., also dem Tag der Entscheidung, immer Zweier-, Dreier-, Viererteams gegeben von dem großen übergreifenden Bündnis. Das waren, wie gesagt, nicht nur die Grünen, sondern auch die Vertreter der anderen in der Bürgerschaft vertretenen Parteien, die sich da stark engagiert haben, die dort vielleicht auch eher ihre Wählerklientel wieder finden, die dort waren, die geworben haben, die sich an U- und S-Bahnausgängen platziert haben, die auf belebten Plätzen waren, dort, wo sich auch Familien aufhalten.

Und mir persönlich ist teilweise Teilnahmslosigkeit, Desinteresse bis hin zu blankem Hass auch entgegen geschlagen, was auch meine Rolle als Politikerin angeht. Das hat mir schon sehr zu denken gegeben. Zumindest hat mich das sehr nachdenklich gestimmt. Und das müssen wir in Ruhe innerparteilich auswerten, aber auch noch mal in diesem übergreifenden Kreis gucken: Wie geht man eigentlich zukünftig mit dem Anspruch um, eine große Reichweite für sein politisches Anliegen zu erreichen? Das ist eine Frage, die ich für mich noch nicht beantworten kann. Da habe ich jetzt auch nicht spontan irgendwas griffbereit.

Deutschlandradio Kultur: Sie sagen, "ohne Zweifel für direkte Demokratie". Gilt das auch für bundesweite Plebiszite?

Katharina Fegebank: Ich weiß, dass einen Tag nach dem verlorenen Volksentscheid auch von meiner Partei, von den Grünen angestoßen wurde, bundesweit Plebiszite einzuführen. Auch da stehe ich zu direkter Demokratie. Und da müssen wir natürlich genau gucken, wie diese ausgestaltet ist. Die Quorenfrage wird sich da sicherlich stellen. Dann wird sich die Frage stellen, zu welchen Themen überhaupt Fragen formuliert werden können, sich Initiativen bilden können. Beispielsweise haushalterisch finanzrelevante Themen sollten – ähnlich wie auch auf Landesebene – davon unberührt bleiben in meinen Augen.

Man muss sehr genau gucken, dass dann Fragen, die wieder, wie von Ihnen eben beschrieben, bestimmten Gruppen, die gut mobilisiert, gut organisiert sind, auch über den entsprechenden finanziellen Rückhalt verfügen, einfach auch eine große Vernetzung haben in die Gesellschaft hinein, das ist auch nicht auszublenden und von der Hand zu weisen, dass es da genau darum gehen muss, um was für Fragen geht es und welche Inhalte sind davon berührt. Aber grundsätzlich sage ich auch auf Bundesebene, genauso wie wir als Grüne ja schon sehr lange auch die europäische Volksinitiative fordern und dort auch gern ein Referendum stärker als Instrument nutzen möchten, um einfach Menschen jenseits der Wahlen oder der regulären Wahlperioden für politische Themen zu interessieren und zu aktivieren. Es geht nur immer darum, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen repräsentativer und direkter Demokratie zu schaffen und sich genau darüber Gedanken zu machen, wie ist das sauber durchführbar. Wie sind beispielsweise Finanzströme auch transparent darzulegen von den jeweiligen Initiativen, die das Ganze anstoßen? Wie geht mit den Fristen, Abläufen, Verfahren etc. um?

Deutschlandradio Kultur: Sie haben es angesprochen. Der Volksentscheid war eine Entscheidung über eine Sachfrage, über die Primarschule, über die flächendeckende Einführung der Primarschule, also über ein grünes Kernprojekt. Jetzt haben Sie schon einige, ich sage es mal, Kröten schlucken müssen – Moorburg, die Elbvertiefung lässt sich wahrscheinlich auch nicht verhindern. Welche grünen Symbolprojekte können denn jetzt hier in Hamburg noch kommen?

Katharina Fegebank: Wir haben im Wahlkampf gekämpft gegen das Kohlkraftwerk. Wir sind politisch natürlich auch immer noch gegen Kohlekraftwerke, sowohl bundespolitisch als auch in den Ländern, und versuchen mit der Energiewende da auch sehr glaubwürdige Gegenentwürfe zu präsentieren. Wir haben nur damals festgestellt, wenn ein Gericht entscheidet, können wir uns nicht dagegen stellen.

Es war also kein Bruch der Koalition von Seiten der CDU oder von unserer Seite, so dass damals unsere Mitgliedschaft mit großer Mehrheit gesagt hat: Wir machen weiter trotz Kohlekraftwerken. Und ich denke, dass wir ganz glaubwürdig darstellen konnten, dass die Auflagen, die Vattenfall gemacht wurden, auch ein schwerer Schlag in diese Richtung darstellten und dass wir weiter kämpfen, dass wir sagen, kein Weiter-So trotz Moorburg, sondern dass es uns gelungen ist, im gleichen Atemzug beispielsweise in Hamburg eigenen Energieunternehmer mit Hamburg Energie aufzusetzen, der inzwischen schon anbietet, Strom nicht aus Kohle, nicht aus Atom, sondern aus regenerativen Quellen. Und ich denke, das ist ein gutes Zeichen.

Deutschlandradio Kultur: Ja, aber jetzt neben der Rekommunalisierung jetzt der Stromversorgung ist ein grünes Projekt auch noch die Stadtbahn. Die droht aber jetzt auch zu scheitern aufgrund der desolaten Haushaltslage in der Stadt. Was bleibt denn dann den Grünen noch?

Katharina Fegebank: Kohlekraftwerk war das eine und der verlorene Volksentscheid sicher das andere. Der verlorene Volksentscheid bedeutet jetzt erst mal nicht, dass Schulpolitik in Hamburg nicht mehr gemacht werden kann. Wer sich anguckt, wie die Reform aufgestellt ist, der sieht, dass das längere gemeinsame Lernen – und das war die Zuspitzung der letzten Wochen und Monate – jetzt ein Punkt ist, der vom Tisch ist.

Also, wir denken nicht im Träume daran, auch wenn uns das jetzt einige meinen unterstellen zu können, gleich morgen die nächste Sau durchs Dorf zu treiben und mit einer nächsten Strukturschulreform wieder daran zu rütteln, was das Volk gerade beschieden hat, nämlich eine Ablehnung von längerem gemeinsamen Lernen.

Deutschlandradio Kultur: Frau Fegebank, es liegen ja anstrengende Wochen eigentlich hinter Ihnen. Also, politische Paukenschläge, die liegen gerade zwei Wochen zurück. Zum einen ist da der Rücktritt des Bürgermeisters Ole von Beust zu nennen und zum anderen auch der verlorene Volksentscheid zur Schulreform. Haben Sie die Ereignisse denn mittlerweile verdaut?

Katharina Fegebank: Ich muss ehrlich gestehen, dass gerade die Woche nach diesem herben Doppelschlag – Rücktritt Ole von Beust und verlorener Volksentscheid – für mich die bisher schwerste in meiner noch so jungen politischen Laufbahn gewesen ist. Inzwischen hat man bisschen nachdenken können, auch mit vielen Leuten sprechen können – sowohl aus dem politischen als auch nichtpolitischen Kontext. Und so langsam kommen wir wieder in geordnete Bahnen und gucken aber auch nach vorne, was passiert. Denn wichtige Entscheidungen stehen ja noch an.

Deutschlandradio Kultur: Was war denn der schwerere Schlag, der Rücktritt von Beust oder der verlorene Volksentscheid.

Katharina Fegebank: Na ja, der Rücktritt des Ersten Bürgermeisters hat uns alle getroffen wie ein Paukenschlag. Ich muss sagen, anstrengender natürlich war der verlorene Volksentscheid, weil wir uns das gesamte letzte Jahr, eigentlich begonnen Sommer, Herbst letzten Jahres, mit dieser Frage des längeren gemeinsamen Lernens auseinandergesetzt haben.

Und wir waren sowohl von Parteiseite aus als auch von Seiten des überparteilichen Bündnisses, das wir gegründet haben, einfach sehr erschöpft und sehr ausgezehrt, weil die Wochen des Volksentscheides natürlich nervlich sehr anstrengend waren, zeitlich sehr beansprucht haben. Umso herber war dann die Enttäuschung, als wir am Abend feststellen mussten, dass es nicht gereicht hat und wir keine gesellschaftliche Mehrheit für die Primarschule in Hamburg auf unsere Seite bringen konnten.

Deutschlandradio Kultur: Können Sie denn den Rücktritt des Bürgermeisters nachvollziehen?

Katharina Fegebank: Ich habe mich ja schon am Sonntag, glaube ich, sehr deutlich geäußert, dass ich zum einen sehr enttäuscht darüber bin, dass Ole von Beust jetzt, zu diesem Zeitpunkt seinen Rücktritt angekündigt hat. Ich finde den Zeitpunkt immer noch nicht nachvollziehbar. Wenn jemand antritt und sagt, ich gehe in ein Regierungsbündnis, ein bisher einzigartiges, einmaliges Regierungsbündnis, dann erwarte ich eigentlich auch, dass man die Legislaturperiode durchhält, auch gemeinsam durchsteht. Das habe ich, denke ich, deutlich gemacht. Es wird auch geteilt von meinen Parteifreundinnen und -freunden. Und jetzt müssen wir einfach sehen, wie wir da gemeinsam weitermachen und auch gut rauskommen aus der Nummer.

Deutschlandradio Kultur: Ich würde gerne noch mal über den Volksentscheid als solchen sprechen. Sie haben ja als Grüne hier in Hamburg die Verbindlichkeit der Volksentscheide im Koalitionsvertrag festgelegt. Bereuen Sie das jetzt angesichts dieses Ergebnisses?

Katharina Fegebank: Nein, wir Grüne standen und stehen für direkte Demokratie. Und wir finden das immer noch natürlich richtig, das auch im Gesetz verbindlich oder in der Verfassung verbindlich festgehalten zu haben. Wir können jetzt nicht, nur weil sich das Volk gegen uns wendet, sagen, dass wir das alles plötzlich nicht mehr wollen. Wir müssen uns, denke ich, aber durchaus Gedanken machen, wie man mit Ergebnissen solcher Volksentscheide umgeht. Und wenn dann Rücktrittsforderungen oder gar Forderungen nach Neuwahlen nach einem verlorenen Volksentscheid auf einen einprasseln, dann muss man schon auch das Verhältnis zwischen repräsentativer, also parlamentarischer, und auch direkter Demokratie genau analysieren.

Denn man will zum einen die Beteiligung der Bevölkerung, der Bürgerinnen und Bürger erweitern, was ich gut und richtig finde. Dann sind es aber Entscheidungen in Sachfragen. Und so war es auch hier. Es war eine relevante, es war eine wichtige, auch für die Grüne eine programmatische Sachfrage, aber es war eine Entscheidung in einer Sachfrage und keine Entscheidung über ein wie auch immer geartetes Regierungsbündnis und darf dann eigentlich auch nicht einhergehen mit Rücktrittsforderung oder gar Forderung nach Neuwahlen, weil man sich in einer so entscheidenden Sachfrage nicht durchgesetzt hat. Wenn das nämlich passiert, kommen wir plötzlich aus dem Wählen nicht mehr raus und es hebelt sukzessive auch parlamentarische Demokratie aus. Und das darf nicht das Ergebnis eines solchen Volksentscheides sein.

Deutschlandradio Kultur: Es besteht ja auch die Gefahr bei Volksentscheiden, gerade, wenn sie mit Quoren verbunden sind, dass eine Minderheit politisch möglicherweise sinnvolle Dinge blockieren kann und die Mehrheit keine Chance hat, die dann durchzusetzen. Sie bleiben aber bei Ihrer Meinung?

Katharina Fegebank: Es hat sich ja auch hier gezeigt, dass es wirklich das breitmöglichste politische wie gesellschaftliche Bündnis gegeben hat. Wir haben es aber nicht geschafft, und das gehört dann zur ehrlichen Fehleranalyse dazu. Dieses auch in die Breite der Gesellschaft zu tragen, also, in der Öffentlichkeit etwas darzustellen und das dann auch noch in die einzelnen Stadtteile, das ist eine Aufgabe, die dann auch damit einhergeht, wenn man direkte Demokratie will. Und das ist uns nicht gelungen. Das müssen wir ganz ehrlich sagen. Gerade in den Stadtteilen, in denen wir sehen, dass dort die Schülerinnen und Schüler, auch die Familien am meisten profitiert hätten von dieser Schulreform, im gesamten Hamburger Osten, müssen wir feststellen, dass dort die Beteiligung an der Abstimmung sehr, sehr gering war. Und da gibt’s einfach eine deutliche Diskrepanz. Das müssen wir bei den nächsten Volksentscheiden, so sie denn kommen und zu welchen Themen sie auch immer kommen mögen, durchaus im Blick behalten.

Also, für mich hat gerade die Analyse des verlorenen Volksentscheides, aber auch meine eigene Beobachtung, meine eigene Erfahrung bei Wahlkämpfen im Hamburger Osten, auch noch mal zu der Frage gebracht: Welche Reichweite hat eigentlich Politik und haben politische Entscheidungen? Und nutzen Bürgerinnen und Bürger, auch wenn es sich um breite Bündnisse handelt, dann ihr Votum bei einem Volksentscheid, um gegen die Mehrheit im Parlament zu stimmen und eine Ohrfeige zu verpassen? Das sind alles Fragen, die wir für uns klären müssen, die wir noch nicht beantwortet haben.

Und für mich ist die wichtigste Frage, auch vor dem Hintergrund dieser Frage, in der es ja auch um soziale Gerechtigkeit, um eine soziale Frage ging, um den Zusammenhalt in der Gesellschaft: Wie nimmt man die Bevölkerungsgruppen mit, die es eigentlich betrifft, die sich aber nicht artikulieren, die schon selten noch zu Wahlen gehen, also zu regulären Wahlen, als andere und die dann bei direkter Demokratie – und das ist sicherlich etwas worüber wir nachdenken müssen, wo entsteht direkte Demokratie, wenn ich das auf Hamburg übertrage und mir das auch in den Bezirken angucke -, dann sind das meist die Stadtteile, in denen schon auch Menschen leben, denen es besser geht, die die Möglichkeit haben, ihren politischen Willen ganz anders zu artikulieren. Und diese Kluft, die müssen wir überwinden, um auch direkte Demokratie für alle nutzbar zu machen und auch ein sinnvolles Instrument daraus zu machen.

Deutschlandradio Kultur: Gab es denn dann Versäumnisse, weil man eben in diese Stadtteile, wo die Menschen leben, die es eigentlich beschäftigen sollte, Billstedt beispielsweise, Rothenburgsort, das war ein Viertel, wo die Wahlbeteiligung, glaube ich, bei unter zehn Prozent lag, gab es da Versäumnisse seitens der Partei des großen Bündnisses der Schulverbesserer, da halt nicht genügend für Informationen gesorgt zu haben?

Katharina Fegebank: Wir haben alles versucht – von Plakatkampagnen über Präsenz vor Ort bei Informationsveranstaltungen und Podiumsdiskussionen. Wir haben versucht, die dortigen Schulen zu erreichen, sprich, die Eltern und Lehrervertretungen dort zu erreichen, mit denen ins Gespräch zu kommen. Es hat, um das ganz anschaulich mal darzustellen, gerade in den letzten zwei, drei Wochen vor dem 18.7., also dem Tag der Entscheidung, immer Zweier-, Dreier-, Viererteams gegeben von dem großen übergreifenden Bündnis. Das waren, wie gesagt, nicht nur die Grünen, sondern auch die Vertreter der anderen in der Bürgerschaft vertretenen Parteien, die sich da stark engagiert haben, die dort vielleicht auch eher ihre Wählerklientel wieder finden, die dort waren, die geworben haben, die sich an U- und S-Bahnausgängen platziert haben, die auf belebten Plätzen waren, dort, wo sich auch Familien aufhalten.

Und mir persönlich ist teilweise Teilnahmslosigkeit, Desinteresse bis hin zu blankem Hass auch entgegen geschlagen, was auch meine Rolle als Politikerin angeht. Das hat mir schon sehr zu denken gegeben. Zumindest hat mich das sehr nachdenklich gestimmt. Und das müssen wir in Ruhe innerparteilich auswerten, aber auch noch mal in diesem übergreifenden Kreis gucken: Wie geht man eigentlich zukünftig mit dem Anspruch um, eine große Reichweite für sein politisches Anliegen zu erreichen? Das ist eine Frage, die ich für mich noch nicht beantworten kann. Da habe ich jetzt auch nicht spontan irgendwas griffbereit.

Deutschlandradio Kultur: Sie sagen, "ohne Zweifel für direkte Demokratie". Gilt das auch für bundesweite Plebiszite?

Katharina Fegebank: Ich weiß, dass einen Tag nach dem verlorenen Volksentscheid auch von meiner Partei, von den Grünen angestoßen wurde, bundesweit Plebiszite einzuführen. Auch da stehe ich zu direkter Demokratie. Und da müssen wir natürlich genau gucken, wie diese ausgestaltet ist. Die Quorenfrage wird sich da sicherlich stellen. Dann wird sich die Frage stellen, zu welchen Themen überhaupt Fragen formuliert werden können, sich Initiativen bilden können. Beispielsweise haushalterisch finanzrelevante Themen sollten – ähnlich wie auch auf Landesebene – davon unberührt bleiben in meinen Augen.

Man muss sehr genau gucken, dass dann Fragen, die wieder, wie von Ihnen eben beschrieben, bestimmten Gruppen, die gut mobilisiert, gut organisiert sind, auch über den entsprechenden finanziellen Rückhalt verfügen, einfach auch eine große Vernetzung haben in die Gesellschaft hinein, das ist auch nicht auszublenden und von der Hand zu weisen, dass es da genau darum gehen muss, um was für Fragen geht es und welche Inhalte sind davon berührt. Aber grundsätzlich sage ich auch auf Bundesebene, genauso wie wir als Grüne ja schon sehr lange auch die europäische Volksinitiative fordern und dort auch gern ein Referendum stärker als Instrument nutzen möchten, um einfach Menschen jenseits der Wahlen oder der regulären Wahlperioden für politische Themen zu interessieren und zu aktivieren. Es geht nur immer darum, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen repräsentativer und direkter Demokratie zu schaffen und sich genau darüber Gedanken zu machen, wie ist das sauber durchführbar. Wie sind beispielsweise Finanzströme auch transparent darzulegen von den jeweiligen Initiativen, die das Ganze anstoßen? Wie geht mit den Fristen, Abläufen, Verfahren etc. um?

Deutschlandradio Kultur: Sie haben es angesprochen. Der Volksentscheid war eine Entscheidung über eine Sachfrage, über die Primarschule, über die flächendeckende Einführung der Primarschule, also über ein grünes Kernprojekt. Jetzt haben Sie schon einige, ich sage es mal, Kröten schlucken müssen – Moorburg, die Elbvertiefung lässt sich wahrscheinlich auch nicht verhindern. Welche grünen Symbolprojekte können denn jetzt hier in Hamburg noch kommen?

Katharina Fegebank: Wir haben im Wahlkampf gekämpft gegen das Kohlkraftwerk. Wir sind politisch natürlich auch immer noch gegen Kohlekraftwerke, sowohl bundespolitisch als auch in den Ländern, und versuchen mit der Energiewende da auch sehr glaubwürdige Gegenentwürfe zu präsentieren. Wir haben nur damals festgestellt, wenn ein Gericht entscheidet, können wir uns nicht dagegen stellen. Es war also kein Bruch der Koalition von Seiten der CDU oder von unserer Seite, so dass damals unsere Mitgliedschaft mit großer Mehrheit gesagt hat: Wir machen weiter trotz Kohlekraftwerken.

Und ich denke, dass wir ganz glaubwürdig darstellen konnten, dass die Auflagen, die Vattenfall gemacht wurden, auch ein schwerer Schlag in diese Richtung darstellten und dass wir weiter kämpfen, dass wir sagen, kein Weiter-So trotz Moorburg, sondern dass es uns gelungen ist, im gleichen Atemzug beispielsweise in Hamburg eigenen Energieunternehmer mit Hamburg Energie aufzusetzen, der inzwischen schon anbietet, Strom nicht aus Kohle, nicht aus Atom, sondern aus regenerativen Quellen. Und ich denke, das ist ein gutes Zeichen.

Deutschlandradio Kultur: Ja, aber jetzt neben der Rekommunalisierung jetzt der Stromversorgung ist ein grünes Projekt auch noch die Stadtbahn. Die droht aber jetzt auch zu scheitern aufgrund der desolaten Haushaltslage in der Stadt. Was bleibt denn dann den Grünen noch?

Katharina Fegebank: Kohlekraftwerk war das eine und der verlorene Volksentscheid sicher das andere. Der verlorene Volksentscheid bedeutet jetzt erst mal nicht, dass Schulpolitik in Hamburg nicht mehr gemacht werden kann. Wer sich anguckt, wie die Reform aufgestellt ist, der sieht, dass das längere gemeinsame Lernen – und das war die Zuspitzung der letzten Wochen und Monate – jetzt ein Punkt ist, der vom Tisch ist. Also, wir denken nicht im Träume daran, auch wenn uns das jetzt einige meinen unterstellen zu können, gleich morgen die nächste Sau durchs Dorf zu treiben und mit einer nächsten Strukturschulreform wieder daran zu rütteln, was das Volk gerade beschieden hat, nämlich eine Ablehnung von längerem gemeinsamen Lernen.
Nichtsdestotrotz ist in diesem riesengroßen Paket der Schulreform vieles andere drin, was Hamburg bildungspolitisch auch richtig voranbringen kann. Das sind natürlich kleinere Klassen, das ist individualisierter Unterricht. Das ist eine Reform der Lehrerausbildung. Das ist vor allem eine Fortsetzung der Grundschulzeit in Gymnasium oder Stadtteilschule, also mit diesem Zweisäulenmodell, das uns auch, glaube ich, ziemlich weit voranbringt und wo deutschlandweit auch geguckt wird, was macht dort eigentlich Hamburg.

Wir haben weitere Punkte im Koalitionsvertrag, die angeschoben und anstoßen wurden, die noch nicht sichtbar sind. Die sind ganz klar im Bereich der Stadtentwicklung. Die sind im Bereich der Verkehrspolitik, der modernen Mobilität. Da spielt die Stadtbahn mit rein. Wir haben gesagt, an der Stadtbahn wird nicht gerüttelt. Wir brauchen neue Formen der Mobilität. Das ist auch wieder eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Und ich habe deutliche Signale von der CDU, auch von der CDU-Führung, dass an diesem Stadtbahnprojekt nicht gerüttelt wird.

Das ist auch in Richtung Mitgliedschaft, was die Fortsetzung des Bündnisses jetzt nach diesem herben Doppelschlag angeht, hoffentlich ein Signal, das noch mal deutlich ausgesendet wird. Und weitere Projekte, wie beispielsweise im Wohnungsbauprogramm, wie der A7-Deckel, der zerschnittene Stadtteile zusammenführt, Dinge, die bereits umgesetzt im Justizbereich, im Strafvollzug, die Reform Informationsfreiheitsgesetz, überhaupt der Umgang der Menschen in der Stadt im Sinne einer neuen politischen Kultur des Zusammenhaltens und Miteinanders sind, denke ich, Dinge, die wir auf jeden Fall auf den Weg gebracht haben und die sich dann aber noch versinnbildlichen müssen in bestimmten sichtbaren Ereignissen.

Ganz relevant für uns wird sein im nächsten Jahr die "Europäische Umwelthauptstadt", die Verbindung von Ökonomie und Ökologie. Das ist, denke ich, etwas, wofür auch ein schwarz-grünes Bündnis angetreten ist und wofür ein schwarz-grünes Bündnis steht. Da versuchen gerade wir Grüne natürlich auch deutlich grüne Akzente zu setzen.

Deutschlandradio Kultur: Die CDU möchte, dass der Innensenator Ahlhaus Erster Bürgermeister in Hamburg wird. Waren Sie mit dem schon Grillen?

Katharina Fegebank: Grillen war ich mit ihm noch nicht. Wir waren Mittagessen.

Deutschlandradio Kultur: Was haben Sie für einen Eindruck?

Katharina Fegebank: Ich weiß, und das treibt auch meine Partei um, dass er in der Öffentlichkeit als Hardliner dargestellt wird, dass er in seiner Rolle als Innensenator natürlich Entscheidungen treffen musste, die nicht gerade Balsam für die grüne Seele waren, die auch immer wieder zu Auseinandersetzungen geführt haben im innenpolitischen, im sicherheitspolitischen Bereich. Ich stelle aber durchaus fest, dass er deutliche Ansagen macht, wie er sich als Bürgermeisterkandidat, der er ja im Moment ist, auch für die ganze Stadt einsetzen möchte. Das sind, finde ich, erste positive Anzeichen dafür, wie er sich dann auch dieser neuen Rolle stellt.

Wir haben ganz klar Erwartungen formuliert an ihn. Wir haben gesagt, dass wir erwarten, dass er den Koalitionsvertrag auf Punkt und Komma und auch jeden Satz einhält, dass er vor allem aber, und das ist etwas, was er die nächsten Wochen, denke ich, deutlich darlegen muss, unserer Partei gegenüber, aber auch der Öffentlichkeit gegenüber, dass er den offenen, den toleranten, den liberalen Kurs, den Schwarz-Grün angestoßen hat die letzten zwei Jahre, dass er den auch bedingungslos fortsetzt. Und dann war uns weiter wichtig, dass auch die Verlässlichkeit, für die das Bündnis bisher stand, Schwarz-Grün auf Landesebene in Hamburg, dass die auch fortgesetzt wird.

Wir haben gesagt, wir entscheiden auf unserem Parteitag am 22.8. Wir werden vorher einen Mitgliederabend haben am 18.8., auf dem sich Herr Ahlhaus auch präsentieren kann, vorstellen kann, die Fragen unserer Mitgliedschaft beantwortet. Er nutzt die Zeit jetzt, und die Zeit geben wir ihm, sich darüber Gedanken zu machen, wie es uns gelingen kann, einen gemeinsamen neuen Aufschlag zu machen. Denn wir haben es jetzt mehrfach angesprochen, nach diesem Doppelschlag kann es kein Zurück zur normalen Tagesordnung geben, also kein business as usual. Wir haben gesagt, das ist eine deutliche Zäsur. Und wir müssen jetzt auch eine Begründung dafür liefern, dass es sich lohnt, dieses Bündnis fortzusetzen. Wenn wir diese Begründung nicht finden, dann sind die Grünen sicherlich die Letzten, die sagen, wir kleben an der Macht und sind die Pattex-Grünen, die sich nicht von ihren Stühlen lösen können. Wir sind dann durchaus auch bereit, die Konsequenzen zu ziehen. Aber jetzt erst mal ohne offenen Bruch von der einen oder anderen Seite aus diesem Bündnis zu gehen, das vor dem Hintergrund einer deutlichen Kritik am Bürgermeister, der sich vom Acker gemacht hat, hielte ich für falsch.

Deutschlandradio Kultur: Wenn wir Sie richtig verstanden haben, würden Sie also für einen Fortbestand der schwarz-grünen Koalition zurzeit plädieren? Jetzt entspricht das nicht ganz der Stimmung, die in der Stadt herrscht. Also, wenn man sich die Umfragen anguckt, haben schon drei Tage, nachdem der Volksentscheid erfolgreich war, 56 Prozent der Leute Neuwahlen gefordert. Wenn das tatsächlich so kommt und es zu Neuwahlen kommt, wären dann die Sozialdemokraten eine Möglichkeit für Sie in der Stadt?

Katharina Fegebank: Wir haben hier eine Entscheidung in einer Sachfrage gehabt und keine Entscheidung über ein Bündnis. Und wenn ich immer darauf schielen würde, was bestimmte Umfragen sagen, die ja alle zwei, drei, vier Monate rauskommen, dann kämen wir aus dem Wählen überhaupt nicht mehr heraus. Denn ist meistens so, dass nach so schweren Niederlagen erst mal eine Regierungskonstellation, -koalition in ihren Umfragewerten erschüttert ist. Also, ich muss gestehen, wenn etwas anderes rausgekommen wäre in der letzten Woche bei der Umfrage, wäre ich überrascht gewesen, weil das also gegen den Trend dann ein Wert gewesen wäre, der vielleicht auch so nicht nachvollziehbar gewesen wäre.

Deutschlandradio Kultur: Frau Fegebank, noch eine Prognosefrage können wir Ihnen nicht ersparen. Sollte denn Schwarz-Grün in Hamburg scheitern, ist auch die bundespolitische Option tot?

Katharina Fegebank: Wir haben gesagt, dass wir je nach Inhalten entscheiden, mit wem wir wo welche Bündnisse eingehen. Ich bin sehr froh darüber, dass sich die Grünen über die letzten anderthalb, zwei Jahre von dieser Ausschließeritisdebatte verabschiedet haben. Und das sieht man an unterschiedlichen Bündnissen in den verschiedenen Ländern. – Rot-Grün in Bremen, Jamaikabündnis im Saarland, Schwarz-Grün bei uns in Hamburg und, was ich sehr gut und auch richtig finde, den Weg, den Nordrhein-Westfalen jetzt eingeschlagen hat, ein waghalsiges Bündnis, eine Minderheitenregierung einzugehen. Und ich wünsche da Frau Kraft, aber auch Sylvia Löhrmann alles Gute, gutes Gelingen, dass das funktionieren mag, weil es uns Grünen darum geht, verändernde Kraft in einer Regierung zu sein. Das wird auch unser Anspruch weiterhin sein im Bund.

Wir wollen die verändernde Kraft sein. Und wir möchten eigentlich entscheiden, mit wem ein Land oder auch die Republik regiert wird – mit unserem inhaltlichen Angebot. Dass es im Moment aufgrund der desolaten Performance von Schwarz-Gelb nicht danach aussieht, dass es da eine Annäherung gerade gibt zwischen Grünen und der CDU oder Grünen und der FDP, das hängt sicherlich gerade nicht unbedingt an uns. Wir haben unsere Ziele klar formuliert. Und daran haben sich die anderen Parteien zu messen. Es ist uns, glaube ich, gelungen, aus der Opposition heraus jetzt wieder stärker mit einer SPD zumindest Schnittmengen zu finden, was aber auch der Tatsache geschuldet sein kann, dass man da jetzt aus der Opposition heraus wieder gemeinsam das eine oder andere Themenfeld für sich entdeckt.

Deutschlandradio Kultur: Wenn wir uns die Umfragewerte der Grünen auf Bundesebene derzeit angucken, dann scheint ja genau das von den potenziellen Wählern auch honoriert zu werden. Die Grünen befinden sich auf einer Art Höhenflug, zumindest was die Umfragewerte angeht. Haben Sie nicht Angst, dass Ihnen das gleiche Schicksal widerfahren könnte wie der FDP, der es vor der Wahl auch ähnlich ging, und dass Ihnen dann ein möglicher Absturz droht?

Katharina Fegebank: Jetzt übermütig zu werden, größenwahnsinnig zu werden, hielte ich für völlig falsch. Wir wissen, dass es manchmal gesellschaftliche Stimmungen und Entwicklungen gibt, die die eine oder andere Partei in ihrer Grundausrichtung oder in ihrer Werteorientierung begünstigen oder eben nicht. Gleichzeitig spielt wirklich die desaströse Arbeit, die desaströse Koalition in Berlin eine große Rolle. Schwarz-Gelb hat sich die letzten Monate nicht gerade mit Ruhm bekleckert und hat auch in Zeiten der Krise an politischen Forderungen festgehalten, das geht gerade an die Adresse der FDP, die eine Klientelpolitik sondergleichen zeigen, und damit einfach viele Menschen in dieser Gesellschaft ausschließt und nicht ernst nimmt. Das begünstigt mit Sicherheit auch die Grünen in ihren Werten.

Deutschlandradio Kultur: Renate Künast, die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, überlegt, ob sie in Berlin als Regierende Bürgermeisterin kandidieren soll. Sie hätte wohl sogar Chancen zu gewinnen. Würden Sie Frau Künast raten, den Hut in den Ring zu werfen?

Katharina Fegebank: Ich fände es schön, erstens, wenn sich die Werte der Grünen weiter so verfestigen auf einem hohen Niveau, auf einem sehr hohen Niveau, dass wir Mehrheitspartei sein könnten, wenn denn die Bevölkerung sich auch dazu durchringt, dann die Grünen zu wählen bei einer echten Wahl und nicht nur bei Umfragen. Ich fände es schön, wenn wir zeigen würden, ja, wir sind in einigen Teilen dieses Landes, sogar in einigen Bundesländern dieses Landes nicht mehr nur die kleine Partei, der Juniorpartner in einer Koalition, sondern tatsächlich eine große Volkspartei. Und auf dem Weg sind wir in Berlin. Und ich finde das grandios und ich fände es sehr schön, wenn Frau Künast den Mut hätte, diesen Schritt zu gehen. Aber das muss sie mit ihrem Landesverband in Berlin in Ruhe sorgfältig besprechen. Und da werden wir uns sicherlich nicht einmischen. Wir beobachten das nur mit sehr viel Wohlwollen.

Deutschlandradio Kultur: Jetzt ist es ja kein Geheimnis, Frau Fegebank, dass, sagen wir mal, die oberste Riege Ihrer Partei, der Grünen, sich nicht immer grün ist. Also, es gibt durchaus Dissonanzen, gerade wenn man überlegt, Herr Trittin sagt, "in Hamburg kann es so nicht weitergehen", während Cem Özdemir sagt, "man muss jetzt mal gucken, dass man das Ruder noch mal rumreißt und dass weiter funktioniert". Wie würden Sie denn die Stimmung in der Bundespartei generell zurzeit beschreiben – unabhängig jetzt von den guten Umfragewerten, die natürlich bestimmt auch eine Rolle spielen?

Katharina Fegebank: Ja, aber gute Umfragewerte zeigen auch, dass nicht nur die Arbeit einer Partei honoriert wird, sondern dass man sich auch freimacht. In dem Ruf standen die Grünen ja lange Zeit, dass wir so ein zerstrittener, in Flügelkämpfen sich zerlegender Haufen seien. Das ist nicht mehr so. Und ich teile auch nicht ganz die Beschreibung, dass jetzt alle auf Hamburg schielend versuchen, da ihre Nische zu bauen. Ich habe äußerste Solidarität erlebt die letzten Wochen vorm Volksentscheid, vor allem dann aber nach dem Sonntag, diesem herben Doppelschlag, von allen unseren Bundespolitikern wie auch von unseren Landespolitikern. Ich bin wahnsinnig dankbar für die Beratung, die sie uns haben angedeihen lassen, die Unterstützung, die uns aus allen Teilen des Landes hier in Hamburg zugesagt wurde und die auch erfolgreich schon ausgeübt wurde. Und es ist sicherlich so, dass der eine oder andere sich mal nicht ganz grün ist, was bestimmte inhaltliche Sachthemen angeht, aber wichtig ist ja, dass wir dann in den zentralen Situationen, in den wichtigen Momenten an einem Strang ziehen. Und das ist uns, denke ich, die letzten Monate sehr gut gelungen.

Deutschlandradio Kultur: Wird es Ihrer Meinung nach Zeit für einen Generationswechsel? Und könnten Sie sich vorstellen, Teil davon zu sein – auch auf Bundesebene?

Katharina Fegebank: Das ist aber jetzt eine absolut spekulative Frage. Ich finde, dass sowohl während des Bundestagswahlkampfes als auch jetzt nach der Bundestagswahl sich unser grünes Führungspersonal sehr, sehr gut schlägt und dass es uns gelungen ist, ein super Umfragehoch gerade zu haben, dass wir mit Themen nach vorne gehen, dass wir im Zuge der Bundespräsidentenwahl mit dem jetzigen Personal eine gute Rolle abgegeben haben, dass wir von Bundesebene von dem jetzigen Personal hervorragend unterstützt wurden die letzten Monate. Von daher wäre das zu diesem Zeitpunkt jetzt, glaube ich, nicht gut, da eine Personaldebatte aufzumachen. Die wird bestimmt früher oder später wieder kommen, aber im Moment habe ich überhaupt keinen Zweifel, dass die, die das jetzt machen, sowohl in der Bundesspitze als auch Fraktionsspitze, das nicht auch noch ein bisschen weitermachen können.

Deutschlandradio Kultur: Frau Fegebank, vielen Dank für das Gespräch.