Es geht nicht um Rebellion

Von Jörg Taszman · 11.08.2013
Sofia Coppola gehört spätestens seit "Lost in Translation" und "Marie Antoinette" zu den spannendsten jungen Filmemacherinnen in den USA. In ihrem neuen Film "The Bling Ring" verübt eine Teenagerclique, die fast ausschließlich aus Mädchen besteht eine beispiellose Einbruchserie. Man dringt in die Luxusvillen der Stars in Los Angeles ein, klaut vor allem Markenklamotten und Schmuck.
Schon in ihrem Debütfilm "The Virgin Suicides" nach dem Roman "Die Selbstmordschwestern" von Jeffrey Eugenides bewies Sofia Coppola ihre große Sensibilität. Einfühlsam und souverän inszenierte sie die tragische Geschichte von fünf bildhübschen Schwestern, die sich in einer miefigen, amerikanischen Kleinstadt das Leben nehmen. Der suggestive Soundtrack der französischen Band AIR trug viel zum Gelingen des Films bei und auch mit diesem geschickten dramaturgischen Einsatz dieser Musik offenbarte sich so eine talentierte Filmemacherin mit einer ganz eigenen Handschrift. Mit "Lost in Translation" , der ungewöhnlichen Annäherung einer jungen Frau an einen alternden, amerikanischen Star in Tokio gelang Sofia Coppola dann bereits mit ihrem zweiten Film der Durchbruch. Sie selbst wurde als erste Amerikanerin und erst dritte Frau überhaupt für einen Regie-Oscar nominiert. Der Film ermöglichte Bill Murray ein gefeiertes Comeback und Scarlett Johansson den Durchbruch.

In ihrem neuen Film "The Bling Ring" stehen nun wieder Jugendliche im Mittelpunkt. Wie bewusst ist Sofia Coppola dieses Faible für "Coming of age" Geschichten ?

"Also ich denke einmal bei 'The Virgin Suicides' war ich mir dessen schon bewusst. Bei "Lost in Translation", war ich dann schon weit über 20 also in dieser Phase, in der man versucht, sich mit dem auseinander zu setzen, was nach der Uni passiert. Ich habe mich immer für Charaktere interessiert, die sich in Übergangsphasen ihres Lebens befinden. Als ich dann diese Geschichte über die Jugendlichen von 'The Bling Ring' las, inspirierte mich das. Ich mochte auch schon immer Teen Movies..."

Zu diesen Teen Filmen gehören auch zwei Werke ihres Vaters aus den frühen 80er Jahren "Rumble Fish" und "The Outsiders". Sie sah sich aber als Vorbereitung auf "The Bling Ring" "Over the Edge" - deutscher Titel "Wut im Bauch" - mit dem damals 14-jährigen Matt Dillon und "Foxes" - auf Deutsch "Jeanies Clique" - mit der 18-jährigen Jodie Foster ganz genau an. Diese beiden Filme aus den Jahren 1980 und 1979 genießen in den USA Kultstatus und drehen sich um eine aufmüpfige Jugend, die sich gegen die Erwachsenen auflehnt.

Dagegen agieren die Teenager in "The Bling Ring" in Zeiten von Facebook und Twitter völlig anders. Es geht nicht um Rebellion. Diese Kids, zwischen 16 und 18 wollen nur noch Markenklamotten, schnelle Autos und teure Uhren. Nur materielle Werte zählen. Sogar Sex und Liebe sind völlig uninteressant. Der Kick besteht wirklich nur darin, die Promis zu beklauen und ihren Lifestyle zu imitieren. Erstaunlich bleibt jedoch, wie leicht es offenbar war, in diese teuren Villen einzudringen.

"Ja das war sehr überraschend, aber ich erinnere mich als wir in L.A. wohnten, haben wir auch nie die Tür abgeschlossen. Das ist dieser trügerische Gedanke, alles sei sicher. Jetzt sind einige Promis wohl vorsichtiger. Paris Hilton hat nun eine große Mauer vor ihrem Haus…."

Bei Paris Hilton in der Villa durfte das Team sogar drehen. Sofia Coppola ist voll des Lobes über die hilfsbereite Prominente, die wohl auch in ihrem Film die Möglichkeit guter PR sah. Dabei lacht Sofia Coppola dann auch einmal, die sonst sehr knappe und ernsthafte Antworten gibt und die anwesenden Journalisten in einem Berliner Hotel im noblen Tiergarten-Viertel nicht gerade mit Anekdoten verwöhnt. Sie ist daran gewöhnt, seit über 20 Jahren fast in jedem Interview auf ihren Vater Francis Coppola angesprochen zu werden. Sie hat zu ihm ein ebenso enges Verhältnis, wie zu ihrem Bruder Roman Coppola, der auch Regisseur und Drehbuchautor ist. Manchmal helfen sie sich gegenseitig bei ihren Filmen, tauchen im Abspann in unterschiedlichen Funktionen auf. Aber man sitze nicht im Familienkreis zusammen, um sich über neue Projekte auszutauschen, meint Sofia Coppola.

Seit Jahren pendelt die gebürtige New Yorkerin zwischen ihrer Geburtsstadt und Paris. Sie ist mit dem französischen Musiker Thomas Mars von der Band Phoenix verheiratet, der diesen Song "Too Young" zum Soundtrack von "Lost in Translation" beisteuerte. Das Paar hat zwei kleine Töchter, die interessanterweise Romy und Cosima heißen. Aber über Privates redet Sofia Coppola nicht im Interview. Zur Zeit weiß sie noch nicht, was ihr nächstes Projekt sein wird. (0.25)

"Normalerweise ist jeder neue Film eine Reaktion auf den davor. 'Marie Antoinette' war so dekorativ und überladen, dass ich danach Lust hatte, mit 'Somewhere' etwas ganz Kleines zu machen, viel minimalistischer. Nach 'Bling Ring' möchte ich etwas Schönes zu machen. Ich weiß nur noch nicht was? Ich versuche offen zu sein, zu lesen, mich inspirieren zu lassen. Man weiß ja nie, was dann hängen bleibt. Aber ich glaube, das ist auch alles kein so bewusster Prozess."

Mit ihrem neuen Film hat Sofia Coppola einmal mehr ihre Vielseitigkeit unter Beweis gestellt und ihr gutes Händchen für ungewöhnliche Stoffe bewiesen. Sie überzeugt auch als Schauspieler-Regisseurin. Diesmal ist es Emma Watson, die Hermine aus den Harry Potter Filmen, die in "The Bling Ring" so brilliert. Seit 1999 hat Sofia Coppola genau fünf Filme gedreht. Für jeden nimmt sie sich drei bis vier Jahre Zeit. Bisher konnte sie mit allen Werken den Zuschauer berühren und überraschen. Ihre Filme wirken noch lange nach, sind bescheiden-intelligent und dabei oft latent sinnlich. Sie haben Bestand.