100. Geburtstag Ernst Jandl

Laut(e) Gedichte

Das Foto zeigt den Dichter Ernst Jandl an einem Tisch sitzend mit Notizblock und Stift in der Hand.
Der österreichische Dichter Ernst Jandl im Jahr 1993 © picture-alliance / akg-images / Niklaus Stauss / / Niklaus Stauss
Kaum einer hat experimentelle Lyrik so populär gemacht wie Ernst Jandl. Einige seiner Gedichte tauchen in Schulbüchern auf. Schon früh hatte er darauf hingewiesen, dass seine Gedichte laut gesprochen werden sollen. Vor 100 Jahren wurde er geboren.

„ottos mops trotzt
otto: fort mops fort
ottos mops hopst fort
otto: soso

otto holt koks
otto holt obst
otto horcht
otto: mops mops
otto hofft

ottos mops klopft
otto: komm mops komm
ottos mops kommt
ottos mops kotzt
otto: ogottogott“

„ottos mops“, eines der berühmtesten Gedichte Ernst Jandls, ist heute weithin bekannt. Und im Zuge der 68er-Bewegung wurde Jandl sowas wie ein literarischer Popstar, füllte ganze Säle mit seinen Lesungen.
Doch der Weg dahin war weit. Nach den ersten Veröffentlichungen seiner Lautgedichte schlug ihm ein Entrüstungssturm entgegen, manche nannten seine Gedichte „Gestammel“. Ein Gedicht wie „schtzngrmm“ mag zu dem Eindruck beigetragen haben: Gänzlich ohne Vokale verarbeitete Jandl hier seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg:

„schtzngrmm
schtzngrmm
t-t-t-t
t-t-t-t
grrrmmmmm
t-t-t-t
s---------c---------h“

Erst abgelehnt, dann gefeiert

Nach dem Krieg arbeitet Jandl als Englisch- und Deutschlehrer, parallel beginnt er zu schreiben. Mitte der 1950er-Jahre lernt Jandl Friederike Mayröcker kennen, die ebenso Lehrerin und Lyrikerin ist. Vergeblich versucht er, seine experimentellen Texte zu veröffentlichen. Erst 1966 erschien sein erstes Buch „Laut und Luise“. Zwei Jahre später wird er Autor beim Luchterhand-Verlag.
Jandl und seine Lebensgefährtin Friederike Mayröcker waren lange Zeit vom konservativen österreichischen Literaturbetrieb praktisch ausgeschlossen. Erste Publikationen in westdeutschen Verlagen und vor allem ihre Hörspielarbeit machten sie bekannter.
Jandl und Mayröcker gewannen mit ihrem ersten Hörspiel „Fünf Mann Menschen“ den renommierten Hörspielpreis der Kriegsblinden.
Im Wagenbach Verlag werden seine Texte auf Schallplatte veröffentlicht. Dort lässt sich auch die Qualität seiner Lautgedichte – von Jandl vorgetragen vor Publikum oder im Studio – „erhören“. Das macht seine Gedichte noch populärer.

Jazz und Katholizismus

Jandls große Leidenschaft war der Jazz. Er besaß eine umfangreiche Sammlung an Jazzplatten und trat schon seit Mitte der 1960er-Jahre zusammen mit dem Jazz-Pianisten Dieter Glawischnig auf. „Jazz und Lyrik“ hieß ihr Programm.
Jandl entstammte einem kleinbürgerlich-katholischen Milieu. Und auch wenn er sich von der Kirche abwandte und als Atheist galt, so hat er sich doch in vielen Gedichten mit Gott beschäftigt, so in dem Gedicht „kleben“.

"ich klebe an gott dem allmächtigen vater
schöpfer des himmels und aller verderbnis"


abu
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