Erklären und vermitteln

Von Christel Blanke, Hauptstadtstudio |
Bei ihrem Energiekonzept darf die Bundesregierung jetzt nicht die Hände in den Schoß legen. Sie muss nötige Nachrüstungen der Atomkraftwerke durchsetzen und moderne Netze für Ökostrom bereitstellen.
Es ist vollbracht. Jetzt muss nur noch der Bundesrat informiert werden, der Bundespräsident muss unterschreiben und dann ist das Energiekonzept unter Dach und Fach. Der von den Koalitionsspitzen propagierte Herbst der Entscheidungen nimmt Gestalt an. Jedenfalls glaubt das die Bundesregierung.

Doch so einfach ist das nicht. Am Ende wird wohl einmal mehr das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob ein Gesetz Bestand hat oder nicht. Die Oppositionsparteien im Bundestag und SPD-geführte Bundesländer werden klagen, wenn die Bundesregierung den Bundesrat umgeht. Dann wäre alles wieder offen.

Doch die Hände in den Schoß legen und abwarten darf die Regierung nicht. Nun muss sie zeigen, dass sie es ernst meint. Sie muss umgehend damit beginnen, den neuesten Stand der Technik zum Maßstab für die Sicherheit der Atomkraftwerke zu machen und nötige Nachrüstungen bei den Betreibern einfordern. Die Skepsis, ob sie das auch tut, ist groß. Umfragen zeigen, dass ein großer Teil der Bevölkerung gegen längere Laufzeiten ist. Darunter viele Unionswähler.

Vor allem bei den älteren Reaktoren stellt sich die Frage, ob sie überhaupt nachgerüstet werden können. Nicht nur deutsche, auch österreichische Gutachter bezweifeln das. Anlagen wie Krümmel, Brunsbüttel, Philippsburg I und Isar I, so die Experten, könnten nicht mehr auf den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik gebracht werden. Schon lange fordert die österreichische Regierung, Isar I abzuschalten. Eine Regierung, an der die christdemokratische ÖVP beteiligt ist.

Mit Blick auf den Wettbewerb muss die Koalition sagen, wie sie verhindern will, dass die vier großen Konzerne als große Gewinner dastehen. In ganzseitigen Anzeigen haben die Stadtwerke sich heute zu Wort gemeldet. Sie fürchten, das Nachsehen zu haben. Fürchten, dass ihre Investitionen in Kohlendioxid-arme Energieerzeugung für die Katz waren, wenn nun weiter Atomstrom die Netze verstopft. Dass den Kommunen das Geld ausgeht für Krankenhäuser und Kindergärten. Und dass die Verbraucher tief in die Tasche greifen müssen, weil die vier großen AKW-Betreiber künftig den Preis diktieren könnten.

Auch für andere Entscheidungen muss die Regierung noch viel werben. Mehr Ökostrom fordert neue und modernere Netze. Das kostet viel Geld und braucht neue Leitungen. Doch wenn ein Strommast vor der eigenen Haustür stehen soll, ist bei manchem die Liebe zum Ökostrom vorbei. Hier muss die Regierung überzeugen, damit nicht überall Protest à la Stuttgart 21 entsteht. Ebenso bei der Gebäudesanierung. Klimaneutrale Energieversorgung ist ein finanzieller Kraftakt, den nicht ausschließlich die Mieter tragen dürfen. Ohne deren Beteiligung wird es aber auch nicht gehen. Schwarz-gelb muss für eine gerechte Verteilung der Kosten zwischen Vermietern und Mietern sorgen.

Es gibt einiges zu tun. Minister und Abgeordnete müssen die Skepsis ernst nehmen. Ein Vorwurf wie der von Wirtschaftsminister Brüderle heute im Parlament, die Opposition behindere den Ausbau der Netze, reicht nicht aus. Die schwarz-gelbe Koalition muss die Herausforderung annehmen und Stellung beziehen. Muss erklären und vermitteln. Nur dann wird ihr Energiekonzept nicht nur auf dem Papier wegweisend sein.
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