Erinnerungen

Konkurrenz bis zum Tod

Der israelische Regisseur Amos Kollek 2008 bei einem Fototermin auf der Berlinale.
Der israelische Regisseur Amos Kollek 2008 bei einem Fototermin auf der Berlinale © picture alliance / dpa / Jan Woitas
Von Gerrit Bartels · 05.06.2014
Der Filmemacher Amos Kollek erforscht in diesem Buch die Beziehung zu seinem Vater Teddy, der als Jerusalemer Bürgermeister berühmt wurde. Beide verband einzig die Welt von Hollywood. Eine gewinnbringende Lektüre, in der sich der Sohn unermüdlich hinterfragt – und ungetröstet bleibt.
Es gibt in diesem Erinnerungsbuch des Filmemachers Amos Kollek eine Stelle, an der man als Leser erleichtert aufatmet und dem Autor zugesteht, dass er vielleicht doch nicht so ein Angeber ist, wie es passagenweise scheint: Kollek fällt nämlich ungefähr in der Mitte des Buches plötzlich auf, "dass die Begegnungen mit Hollywood-Größen ziemlich viel Raum einnehmen“. Ob Paul Newman, Frank Sinatra, Danny Kaye oder Elisabeth Taylor – Kollek lässt kaum jemanden aus, selbst wenn es wirklich nur eine sehr kurze Begegnung war. Er weiß um sein "pures Namedropping“ und begründet es auch: "Es ist womöglich die einzige Sphäre, in der es zwischen meinem Vater und mir eine echte Verbindung gab. Die Welt von Hollywood. Ich bin Filmemacher, und er war Bürgermeister“.
Tatsächlich hat Amos Kolleks Vater Teddy als Bürgermeister von Jerusalem, der er von 1965 bis 1992 war, Gott und die Welt kennengelernt. Vielleicht war er in dieser Zeit der berühmteste Bürgermeister der Welt. Er sammelte nicht nur in New York Spenden für seine Stiftungen und das von ihm gegründete Israel-Museum, er schaffte es aufgrund seines Charismas auch, Filmstars, Schriftsteller, Musiker, Philosophen, Bildende Künstler und auch Politiker nach Jerusalem zu locken und für sich zu gewinnen.
Gute Verbindungen reichen nicht
Mit so einem berühmten Vater scheint es ein Sohn, der Filmemacher werden will, leicht zu haben: Kontakte bekommt er ja frei Haus geliefert. Und doch stellt sich das in Amos Kolleks Erinnerungen mit dem Titel "Parallele Leben“ anders dar. Ein berühmter Vater und seine Verbindungen zu Hollywood-Stars allein machen noch keinen guten Filmemacher. Zumal Amos Kollek eingesteht, dass er bis zum Tod seines Vaters mit diesem konkurrieren zu müssen glaubte. Der Vater warf einen gewaltigen Schatten. Die Beziehung zu ihm war in Ordnung, aber nicht gerade innig.
"Parallele Leben“ ist ein Buch über den Vater und die nachgetragene Erforschung einer Vater-Sohn-Beziehung. Es geht aber auch um Kolleks Mutter, denn "immer hatte sich alles um Teddy gedreht, und jetzt war vielleicht die letzte Gelegenheit, Tamar näher zu beleuchten“, beschreibt Kollek die Idee für seine "persönliche Geschichte“, die vom Tod des Vaters 2007 und dem der Mutter 2013 gerahmt wird. Mehr noch als der Vater bleibt dem Sohn die bescheidene, dienende, aber enorm starke Mutter ein Rätsel. Unglücklicherweise erkrankte sie in den letzten Lebensjahren an einer schweren Demenz.
Amos Kollek schreitet die vielen Stationen zweier langer Leben ab, von den Anfängen in Wien in den zwanziger Jahren über die Flucht nach Palästina bis nach Jerusalem, und natürlich erzählt er zudem von sich und seinem Werdegang erst als Schriftsteller, dann als erfolgreicher Indie-Filmemacher in den neunziger Jahren ("Sue“, "Fiona“, "Fast Food, Fast Women“). Dass diese Erinnerungen auch ein Stück israelischer Zeitgeschichte sind und die Staatsgründung, den Sechs-Tage- und den Jom-Kippur-Krieg sowie den Konflikt mit den Palästinensern umfassen, versteht sich.
Erfolge und Misserfolge
Doch die politische Geschichte läuft nur im Hintergrund mit, es dominiert das Private, Persönliche. Am Ende ist es die Offenheit, das unermüdliche Hinterfragen der eigenen Person, die Kollek hochsympathisch und dieses Buch zu einer gewinnbringenden Lektüre machen. Selbst aus dem Scheitern nach den großen Filmerfolgen macht er keinen Hehl. Seine Erfolge und Misserfolge parallelisiert Kollek mit den großen Zeiten des Vaters und dessen Abdankung 1992 – deshalb der Titel des Buches, das bisher nur in Deutschland herauskommt.
"Parallele Leben“ hat etwas von einer Therapie, nur endet die Auseinandersetzung mit dem Vater und der Mutter nicht: "Ich rede immer noch mit ihm und bekomme keine Antworten“, schreibt der inzwischen 67 Jahre alte Kollek über seinen Vater. Und über die Mutter: "Ich weiß nur, dass ich allein gelassen wurde und dass dieses Gefühl von Schmerz und Ohnmacht durch nichts wiedergutzumachen ist.“

Amos Kollek: Parallele Leben - Eine persönliche Geschichte
Aus dem Englischen von Christa Prummer-Lehmair und Rita Seuß
S. Fischer, Frankfurt/Main 2014
352 Seiten, 22,99 Euro

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