Erik Jan Hanussen

Der Super-Hellseher und seine Ersatzreligion

Der Hellseher, eigentlich Hermann Steinschneider, wurde 1928 von einem Gericht in Leitmeritz (Böhmen) vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen, da "der Angeklagte über gewisse rätselhafte Geisteskräfte verfüge".
Erik Jan Hanussen, eigentlich Hermann Steinschneider (1889−1933) © dpa / picture alliance
Alexa Waschkau im Gespräch mit Timo Grampes · 29.12.2017
Er war Varietékünstler, Hypnotiseur, Hellseher und feierte wilde Orgien in seinem "Palast des Okkultismus" in Berlin: Erik Jan Hanussen war ein Star der 20er-Jahre. Doch als er den Reichstagsbrand vorhersagte, markierte das sein Todesurteil.
Er wurde in ärmlichen Verhältnissen geboren. Doch dank seines Charismas und seiner Skrupellosigkeit stieg der Österreicher Hermann Chajm Steinschneider als Wahrsager Erik Jan Hanussen zu einem der gefeiertesten Varieté-Künstlern der Weimarer Republik auf – trotz seiner jüdischen Herkunft, die er verheimlichte.
Doch was genau war das Geheimnis von Hanussen Erfolg? Mit dieser Frage hat sich Alexa Waschkau beschäftigt. Sie betreibt den Hoaxilla-Podcast, welcher Verschwörungstheorien und moderne Mythen auf Wahrheitsgehalt und politische Problematik untersucht. Die 73.  Ausgabe des Podcasts hat Alexa Waschkau dem Hellseher Hanussen gewidmet:
"Er passte eigentlich wahnsinnig gut in diese Zeit der Weimarer Republik, in der man sich gerne dem Vergnügen hingab, auch so ein bisschen fragwürdigem Vergnügen, dem Okkulten. Und diese Tricks, die er beherrschte, die er wirklich aus dem Effeff praktiziert hat, dieses Zettellesen, dieses angebliche Hellsehen, das kam beim Publikum wahnsinnig gut an. Insofern war er ein Kind seiner Zeit. Auch insofern er sich dem Regime angedient hat und mit den Nationalsozialisten sympathisiert hat."

Orgien und Lauschangriff

Um erfolgreich zu sein, war Hanussen jedes Mittel recht. In seinen frühen Anfängen betrieb er das angeblich "erste elektrische Kettenkarussell der Welt", das aber in Wirklichkeit von vor dem Publikum versteckten Kindern bewegt wurde.
Später feierte in seinem Berliner Palast des Okkultismus wilde Orgien. Dort hatte er auch Abhörsysteme installiert, um die Menschen, denen er die Zukunft vorhersagte, zu belauschen.
Außerdem pflegte Hanussen gute Kontakte zur High Society, verlieh wichtigen Persönlichkeiten Geld und knüpfte ab 1930 enge Kontakte zu den Nationalsozialisten.
"Er hat den Menschen eigentlich eine Art Ersatzreligion geboten. Das heißt, wenn die Menschen zu ihm gehen konnten und sich dann erklären lassen konnten, was dann im nächsten Jahr vielleicht auf sie zukommen würde, dann hat das zumindest ein Gefühl von Stabilität vermittelt."

Die letzte Vorhersage

Eine seiner beeindruckendsten Vorhersagen war die des Reichstagsbrandes 1933. Die Information hatte ihm vermutlich ein befreundeter SA-Mann übermittelt. Zugleich war es auch Hanussen letzte Vorhersage. Drei Wochen später wurde er von den Nazis ermordet. Alexa Waschkau:
"Er ist den Nationalsozialisten wahrscheinlich ein bisschen zu wissend gewesen. Und natürlich hatte das auch damit zu tun, dass er Nationalsozialisten und verschiedenen Größen des Regimes Geld geliehen hat. Er war da sehr, sehr gut vernetzt, und diese Menschen waren auch durch ihn erpressbar. Insofern musste er aus dem Weg geräumt werden."
Doch auch wenn der große Hellseher Hanussen tot ist − der Wunsch zu wissen, was die Zukunft bringt, treibt die Menschen immer noch um. Gerade heute könnte jemand wie Hanussen sehr erfolgreich sein, erklärt Alexa Waschkau:
"In Zeiten, in denen die Angst herrscht und das Weltgeschehen wahnsinnig komplex ist – und das könnte man durchaus auch auf die heutige Situation übertragen –, da sind solche Menschen wie Hanussen immer besonders stark, weil sie den Menschen vorgaukeln, die Kontrolle zu haben."
(mw)
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