Erich-Mendelsohn-Ausstellung in Berlin

Der große Visionär

Der Architekt Erich Mendelsohn (1887−1953)
Der Architekt Erich Mendelsohn (1887−1953) © dpa / picture alliance / akg-images / Horst Maack
Von Stephanie von Oppen · 31.08.2018
Erich Mendelsohn gehörte zu den einflussreichsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Im Haus der IG Metall, einem seiner schönsten Bauten in Berlin, erzählt die Ausstellung "Mendelsohn Transfer" von seinem Lebenswerk.
Wer auf das Gebäude der IG Metall mit seiner nach innen geschwungenen Fassade zukommt und seinen Blick nach rechts unten schweifen lässt, hat die Ausstellung "Mendelsohn Transfer" schon entdeckt. Die Fensterfront wurde mit Buttermilch bestrichen. Durch freigelassene Streifen Glas, die sich dunkel von dem Weiß absetzen, entsteht der Eindruck von Landschaften. Hinter den Scheiben befindet sich der Ausstellungsraum. Dort wiederum werfen die Umrisse, die man von außen sieht, Schatten auf den Boden.
Das Spiel mit Licht und Schatten sei, so die Studentin Hannah Diermann, typisch für den Architekten Erich Mendelsohn. Die Zeichnungen an den Fenstern gehen auf winzige Skizzen von ihm zurück:
"Da gibt es ganz viele in Briefmarkengröße, die wir uns angeschaut haben. Auch wenn man die so hoch skaliert, wie wir das auf dieser Fassade gemacht haben, sind die immer noch total beeindruckend."

Studenten beschäftigten sich ein Jahr mit Mendelsohn

Die Ausstellung haben Studierende der Architektur und der visuellen Kommunikation von der Berliner Universität der Künste in zwei Semestern erarbeitet − in Kooperation mit der Berliner Architektenkammer. Die hat ihren Sitz im Haus der IG Metall, das Erich Mendelsohn Ende der 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts entwarf.
Das Haus des Deutschen Metallarbeiterverbandes (IG Metall) in Berlin-Kreuzberg wurde von Erich Mendelsohn gebaut.
Das Haus des Deutschen Metallarbeiterverbandes (IG Metall) in Berlin-Kreuzberg wurde von Erich Mendelsohn gebaut.© dpa / picture alliance
Daniel Sprenger, Vize-Präsident der Architektenkammer Berlin, zuständig für Denkmalpflege, über das Haus:
"Erst beim dritten Hinschauen und Sich-damit-beschäftigen kommt man auf diese großartige nähere Qualität. Das fanden wir sehr wichtig, das mit Studenten zusammen zu entwickeln und da auf den Spuren Mendelsohns zu gucken, was sagt uns das heute für das gegenwärtige Bauschaffen."

Er prägte die Architektur bis heute

Erich Mendelsohn gehörte zu den einflussreichsten Architekten Deutschlands, bis ihn die Nationalsozialisten ins Exil trieben. Seine Offenheit für moderne Technologien und Materialien, seine Formsprache und seine fortschrittlichen Ideen zum Städtebau prägen die Architektur weltweit und bis heute.
Das IG-Metall-Haus weist viele Elemente auf, die sehr typisch für den 1887 im damaligen Ostpreußen geborenen Mendelsohn sind. So schwingt sich zum Beispiel innen eine Wendeltreppe mit kunstvollem Messinggelände elegant in die Höhe. Schaut man im Innenhof an den Fassaden hoch, lässt sich ein weiteres Faszinosum Mendelsohnscher Ästhetik beobachten, erklärt der Student Johannes Ritz:
"Jetzt erscheinen die Fensterbänder als schwarze Elemente und werden gebrochen von der Brüstung. Sobald sich Tag und Nacht kehren, kehrt sich das Bild der Fassade um. Nachts leuchten die Fensterbänder golden, ein schöner Moment und der ist ganz besonders Mendelsohn."

Nicht kopieren, sondern die Essenz finden

Für die Ausstellung sollten die Studierenden die Arbeitsweise Mendelsohns in die Gegenwart übertragen, sagt Sven Pfeiffer, Professor für Digitales und Experimentelles Entwerfen an der Universität der Künste:
"Wir haben den Begriff Transfer auch in dem Sinne verstanden, dass wir die Studierenden dazu ermutigt haben, nicht zu Kopisten werden, sondern wirklich die Essenz der Arbeiten nachvollziehen. Transfer ist auch ein Bild für Mendelsohn und sein Leben, das ganz stark von Brüchen geprägt war, die Geschichte der Emigration, die sich nicht nur in seiner Geschichte, sondern auch in seinen Arbeitsweisen niederschlägt."
In der Mitte des Ausstellungsraums werden auf eine geschwungene Installation Bilder von Skulpturen und Objekten projiziert, die Studierende nach dem Vorbild Mendelsohns gebaut haben. Und an den Wänden befinden sich Zitate aus seinen Schriften.
Sven Pfeiffer: "Was man hier lesen kann, sind Zitate aus verschiedenen Phasen. Ich les mal eins vor. 'Die Wand schluckt das Licht, um es zurück zu werfen, wirft es ins Zentrum, bestimmt es erst, Licht ist Raumsichtbarkeit.' Das heißt, das ist eigentlich eine ganz eigene Sprache, die muss man erst mal nachvollziehen."

Die "Weiße Stadt" in Tel Aviv

Für die Ausstellung wurde eine Schrifttype entwickelt, die sich auch für hebräische Buchstaben eignet. Erich Mendelsohn reiste schon in den 20er-Jahren immer wieder ins Gebiet des heutigen Israel und war fasziniert von der Utopie eines jüdischen Staates. Als er auf der Flucht vor den Nazis nach Tel Aviv übersiedelte, traf er dort auf seine gestalterische Handschrift − in der sogenannten Weißen Stadt. Das ist ein riesiges Ensemble von Häusern weißer Farbe, mit großen Fenstern, oft mit abgerundeten Hausecken.
Sie prägt bis heute das Bild von Tel Aviv. Jüdische Architekten, die von Mendelsohn beeinflusst und schon vor ihm gekommen waren, hatten sie gebaut. Doch ihr Meister war ernüchtert: Er soll die Resultate "Bastardgebäude" genannt haben. Ihn ärgerte, dass bei Entwurf und Bau zu wenig Rücksicht auf die israelischen Verhältnisse genommen worden war. Erich Mendelsohn selbst entwickelte in Israel-Palästina eine Formsprache, die sich mit der Kultur und den geographischen und klimatischen Bedingungen des Landes auseinander setzte.
Hannah Diermann: "Es ist ja beeindruckend, wie er sich dort vor Ort anpasst. In Berlin hat er ja mehr die Stahlbauten und die moderne Architektur gebaut und dann als er in Palästina ist baut er seine klassischen Entwürfe, passt die aber total der Umgebung an."

Sein Werk steht nicht still

Gestalterisch versuchte er eine Synthese zwischen West und Ost. Das Haddassah-Krankenhaus in Jerusalem hat zum Beispiel drei Kuppeln, die orientalisch anmuten. Die Hebräische Universität hat er in hellem Stein errichtet. Auch die Fenster passen zum Klima. Sie sind schmal gehalten.
Sven Pfeiffer: "Wenn man die Entwürfe in Israel anschaut, dann wirken die als würden sie die Schroffheit der Geologie des Landes aufnehmen. Da ist ein sehr großer Sprung drin. Das ist wahrscheinlich in seinem Werk angelegt, dass es nicht still steht."
Erich Mendelsohns blieb nicht im späteren Israel, unter anderem weil er enttäuscht war, dass die Utopie, von der er geträumt hatte, nicht wahr werden wollte. 1941 zog er mit seiner Frau in die USA. Dort ließ er sich schließlich in San Francisco nieder. Unter anderem entwarf er, der nie sonderlich religiös gewesen war, vor allem Projekte für jüdische Gemeinden, auch Synagogen.

Die Ausstellung "Mendelsohn Transfer" ist noch bis zum 29. September in der Alten Jakobstraße 149 in Berlin zu sehen.

Mehr zum Thema