Traum und Literatur

"Er wartet heimlich auf das Erwachen"

54:07 Minuten
Frau schläft auf einer Wolke in surrealer Abstraktion.
Träume sind – nicht anders als literarische Fiktionen – Möglichkeitsräume. © imago images/Ikon Images / Yenpitsu Nemoto
Von Michael Opitz |
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Wer träumt, ist ausgeliefert. Im Traum tritt auf, wer und was will. Alles ist in ihm möglich, und noch das Unmöglichste erscheint als real. Das gilt nicht zufällig auch für die Literatur, weshalb sie traute Beziehungen zum Traum unterhält.
"Es träumt sich nicht mehr recht von der blauen Blume“, schreibt Walter Benjamin in der Glosse „Traumkitsch“. „Wer heut als Heinrich von Ofterdingen erwacht, muß verschlafen haben."
Benjamin flüstert den Träumern, die sich in die Vergangenheit flüchten wollen, einen Weckruf ins Ohr. Der Traum ist nicht zeitenthoben, und aus ihm zu erwachen, kann böse ausgehen.

Verweile doch!

Im Traum gelingen Grenzüberschreitungen in die Vergangenheit oder die Zukunft, in fernste Gegenden oder größte Nähe problemlos. Wer im Traumland der Phantasie wandelt, ist gänzlich ungebunden und sehnt entweder das Erwachen herbei oder verflucht es: Verweile doch, dauere noch! Denn Träume können bezaubernd schön oder furchterregend sein, Flucht oder Utopie.
Diese Ambivalenz hat dem Traum in der Literatur eine Sonderstellung eingebracht: Träume sind – nicht anders als literarische Fiktionen – Möglichkeitsräume. Im Schutze des Schlafs gelingt es den Träumenden, Gegenden in Augenschein zu nehmen, die zu betreten sie in Wirklichkeit kaum wagen würden.
Michael Opitz begleitet Autoren wie Walter Benjamin, Durs Grünbein, Heiner Müller, Christa Wolf u.a. auf ihren Traumpfaden in die Landschaften der Poesie.
(pla)
Wiederholung vom 19.9.2010.


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Es sprechen Martin Engler, Ingo Hülsmann und Michael Rotschopf
Ton: Peter Seyffert
Regie: Beate Ziegs
Redaktion: Sigrid Wesener