"Er schlug ein wie eine Bombe"

Petra Kohse im Gespräch mit Sigrid Brinkmann |
Friedrich Luft hat das atemlos Aufgeregte kultiviert und als Stimme der Kritik auch durchgehalten. Petra Kohse von der Berliner Akademie der Künste schildert die Anfänge einer beeindruckenden Radio-Karriere kurz nach dem Krieg.
Sigrid Brinkmann: 2.000 Mal trat Friedrich Luft im Radio auf. An seinem 100. Geburtstag ist ihm zu Ehren eine Gedenktafel enthüllt worden, am Eingang des ehemaligen RIAS – heute Deutschlandradio Kultur.

Im Studio begrüße ich Dr. Petra Kohse von der Berliner Akademie der Künste. Frau Kohse, Friedrich Luft hat ein geisteswissenschaftliches Studium absolviert, aber noch wichtiger für seine Berufswahl war wohl, dass er in Berlin aufgewachsen ist, wo es damals 50 Bühnen gab, viele Kabaretts – also er war umgeben von Theater. Wie schnell avancierte er eigentlich nach dem Zweiten Weltkrieg zu dem Berliner Theaterkritiker, der er war?

Petra Kohse: Also der war 1945 sofort da und er selbst stellt es gerne so da, als einen Berliner Traum der Nachkriegsgeschichte, dass er rein zufällig an die richtigen Stellen gekommen wäre und die richtigen Leute getroffen hätte und so in die Kammer der Kunstschaffenden kam, die damals extrem wichtig war in der Verteilung von der Lebensmittelkarte an bis zu den Ämtern und eben auch gekommen ist zu der "Allgemeinen Zeitung", später der "Neuen Zeitung", die amerikanischen Zeitungen hier in Berlin. Aber von ungefähr kam er nicht – er war schon während der Nazizeit ein bekannter Feuilletonist, hat ein geisteswissenschaftliches Studium nicht abgeschlossen, sondern abgebrochen in Königsberg und ist dann zurück nach Berlin, also abgebrochen, weil er exmatrikuliert wurde.

Er war 1945 schon präsent mit einem sehr eigenen Ton, er hatte 1939 schon einen Band mit Feuilletons veröffentlicht, "Luftballons" hieß das, und da merkt man schon den späteren Luft in einer unpathetischen Sprache, die das Individuum feiert, die den Einzelnen feiert, das zurückgezogene bildungsbürgerliche Leben. Das war schon eine Setzung, und er war bekannt seiner Zeit und er hatte genügend Kontakte, um eben in die Kammer der Kunstschaffenden zu kommen und zu erfahren, dass Zeitungen gegründet werden und dass Leute gesucht werden und eine Portion Glück mag auch da gewesen sein.

Jedenfalls, als er hier im RIAS 1946 das Mikrofon ergriff und, wie er immer sagte, das Wort ergriff und es einfach nicht mehr losließ. Da fiel er sofort auf. Also das ist, vielleicht hätte jeder Andere mit seiner Vorbildung auch eine Chance bekommen können, aber er war durch seine spezielle, zutiefst demokratische, lässige, volkstümliche, hochmoralische Persönlichkeit – er schlug ein wie eine Bombe.

Brinkmann: Er wohnte selber in West-Berlin. Wissen Sie, wie er sich er sich damals im Osten der Stadt bewegt hat, in der Theaterszene?

Petra Kohse: Also als Berliner war Berlin für ihn immer ganz Berlin, insofern würde ich erstmal sagen, wie in seinem Wohnzimmer. Weil das wesentliche Theater fand in Ost-Berlin statt. Er ging da natürlich hin, er berichtete, aber es fing sehr schnell natürlich an, dass die Stücke politisch wurden und, dass man sich entscheiden muss, hat er selbst auch sehr früh gemerkt.

Das vollständige Gespräch können Sie mindestens bis zum 23.2.2012 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.


Links auf dradio.de:

Die Stimme der Kritik - Der Theaterkritiker Friedrich Luft

"Süchtig" nach Luft - Der Gründungsintendant des Deutschlandradios über die besondere Faszination von Friedrich Luft
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