Entzauberung der Linken

Rezensiert von Klaus Schroeder · 03.10.2008
Das Buch von Eckhard Jesse und Jürgen P. Lang bietet einen detaillierten Überblick über die Entwicklung der Partei die Linke und ihrer Vorläuferorganisationen. Bergsdorf argumentiert in seinem Buch zugespitzter und plädiert für eine intensivere inhaltliche Auseinandersetzung mit der Partei.
Die deutsche Parteienlandschaft wird derzeit von einer Partei aufgemischt, die 45 Jahre lang in einem Teil Deutschlands für die Aufrechterhaltung einer menschenverachtenden Diktatur verantwortlich zeichnete. Sie nennt sich jetzt - nach der Verschmelzung mit einer kleinen linken Splitterpartei aus dem Westen - großsprecherisch und gleichzeitig irreführend Die Linke.

Nach jüngsten Umfragen ist sie in Deutschland zur drittstärksten, in Ostdeutschland sogar zur stärksten Partei aufgestiegen. Sie verspricht ihren Wählern das soziale Paradies auf Erden, verschweigt schamhaft ihre Vergangenheit und wird inzwischen von den Grünen und der SPD als künftiger Regierungspartner - zumindest auf Länderebene - hofiert. Was

Die Linke tatsächlich auszeichnet, wie sie taktiert und welche Programmatik sie verfolgt, ist leider vielen potenziellen Wählern nicht bekannt. Dem wollen zwei aktuelle Bücher abhelfen, die sich intensiv mit Geschichte und Struktur der umbenannten SED beschäftigt haben.

Der Extremismusforscher Eckhard Jesse und sein Co-Autor Jürgen Lang rekonstruieren ihre Entwicklung seit der Wiedervereinigung und kennzeichnen sie als eine Partei des smarten Extremismus.

"Eine Partei des smarten Extremismus, die verschiedene Strömungen vereint, ist widersprüchlich. Sie ist nicht auf einen Nenner zu bringen – pazifistisch, wenn es gegen ‚Aggressionen’ der USA geht, militant bei der Verteidigung der kubanischen ‚Errungenschaften’. Auf Dauer dürfte dieser Spagat kaum funktionieren, kann die Partei die Gegensätze nicht mehr austarieren."

Die Autoren betonen die herausragende Rolle des Führungspersonals. Gregor Gysi und Oskar Lafontaine hätten es geschickt verstanden, diese Partei hoffähig zu machen. Allen Erwartungen zum Trotz, der umbenannten SED sei nur ein kurzes Leben beschieden, gelang es ihrem Führungspersonal, jede zwischenzeitliche Krise zu überwinden und die Partei zu einem stabilen Faktor in der politischen Landschaft Deutschlands zu formen. Trotz reformerischer und demokratiefester Kräfte in der Partei sei sie jedoch auch nach ihrer Verschmelzung mit der WASG eine gefährliche Gegnerin für das demokratische System geblieben.

"Die jüngsten Wahlerfolge der Linken haben es überkleistert: Die ideologischen Auseinandersetzungen der alten PDS halten in der neuen Partei unvermindert an. Zuerst hat die PDS die WASG vereinnahmt, nun vereinnahmt Lafontaine die Linke. Die Fusion mit der WASG hat keineswegs zu einer Demokratisierung der PDS beigetragen, obwohl mit ihr ausgewiesene Sozialdemokraten in die Partei gelangten. Deren Orientierung an der ‚Arbeiterklasse’ hat sie zu Verbündeten orthodoxer Kommunisten und radikal Linker werden lassen, mit Lafontaine als Agitator an der Spitze."

Das Buch bietet einen detaillierten und gehaltvollen Überblick über die Entwicklung der Partei die Linke und ihre Vorläuferorganisationen PDS und WASG. Akribisch werden Wahlstrategien und Wahlergebnisse dargestellt und einzelne Strömungen und Personen der Partei durchleuchtet.

Das von Wiederholungen nicht freie Buch kann freilich die Frage, warum die Linke in den letzten Jahren von Wahlerfolg zu Wahlerfolg schreitet, nicht beantworten. Ist sie wegen oder trotz ihrer extremistischen Ausrichtung erfolgreich?

Harald Bergsdorf, der in Nordrhein-Westfalen Aktivitäten gegen Rechtsextremismus koordiniert und mehrere Bücher über den linken und rechten Extremismus verfasst hat, lässt in seinem neuen Werk ebenfalls keinen Zweifel an seiner kritischen Haltung zur Linken. Stärker noch als Jesse und Lang stellt er heraus, dass die Partei sich nicht von ihrer Vergangenheit gelöst habe und auf Systemüberwindung orientiert sei.

"Statt zu differenzieren, zielt sie offenkundig primär darauf, grundlegende Unterschiede zwischen SED-Diktatur und bundesdeutscher Demokratie zu nivellieren und Verbrechen zu vertuschen. So versucht sie, ‚Demokratiedefizite’ der DDR, wie sie euphemistisch formuliert, mit ‚sozialen Errungenschaften’ der zweiten deutschen Diktatur zu rechtfertigen."

Mit vielen Zitaten verdeutlicht Bergsdorf, wie schwer sich prominente Vertreter der Partei mit der deutschen Demokratie tun. Für ihn besteht kein Zweifel, dass das Bekenntnis vieler prominenter Genossen zur freiheitlichen Demokratie taktisch motiviert ist. Die Linke sei von einer antiwestlichen und antikapitalistischen Grundhaltung geprägt. Ihr Demokratieverständnis decke sich nicht mit dem der demokratischen Parteien in Deutschland. Gleichwohl schaffe sie es mit ihren populistischen sozialen Forderungen, vor allem von Arbeitslosen und Arbeitern gewählt zu werden. Sie habe sich zu einer Partei des sozialen Protestes gewandelt und treffe damit offenbar den aktuellen Zeitgeist.

DBergsdorf plädiert für eine intensivere inhaltliche Auseinandersetzung mit der Partei und entwirft hierfür ein Zwölf-Punkte-Programm, in dem es neben dem Disput um die Einordnung der DDR, vor allem um soziale und politische Themen geht. Die Sozialdemagogie der Linken möchte er durch Fakten entlarven und plädiert ausdrücklich dagegen, mit der Partei gemeinsame Aktionen durchzuführen, auch nicht "gegen Rechts". Die Auseinandersetzung mit jedwedem Extremismus müsse verstärkt werden, um Jugendliche gegen totalitäre Verführungen zu immunisieren.

"Demokratische Bildung und Erziehung sind zwar keine Allheil- oder Wundermittel gegen Extremismus und Diktatur, können aber helfen, Gefahren für die Freiheit zu mindern. So gilt es, deutlich zu widersprechen, wenn Parolen erklingen, die versuchen, Diktaturen oder Extremismus zu verniedlichen oder zu vertuschen."

as Buch von Bergsdorf ist zugespitzter geschrieben als das von Jesse und Lang. Alle Autoren fühlen sich allerdings dem Extremismusansatz verpflichtet. Insofern sind beide Bücher keine Handreichung für neutrale Leser, sondern eher für überzeugte Gegner der Linken Für die dringend notwendige inhaltliche Auseinandersetzung mit der SED-Nachfolgerin liefern beide Bücher trotz oder gerade wegen ihrer eindeutigen Positionierung einen wertvollen Beitrag.

Eckhard Jesse & Jürgen P. Lang: Die Linke – der smarte Extremismus einer deutschen Partei
Olzog Verlag, München 2008

Harald Bergsdorf: Die neue "Linke". Partei zwischen Kontinuität und Kurswechsel
Bouvier Verlag, Bonn 2008
Cover: "Eckhard Jesse & Jürgen P. Lang: Die Linke – der smarte Extremismus einer deutschen Partei"
Cover: "Eckhard Jesse & Jürgen P. Lang: Die Linke – der smarte Extremismus einer deutschen Partei"© Olzog Verlag
Cover: "Harald Bergsdorf:Die neue "Linke". Partei zwischen Kontinuität und Kurswechsel"
Cover: "Harald Bergsdorf:Die neue "Linke". Partei zwischen Kontinuität und Kurswechsel"© Bouvier