"Entsammeln" als Museumskonzept

Weg mit dem Warhol?

22:32 Minuten
Die Arbeit "Gold Marilyn Monroe" des Künstlers Andy Warhol am 08.03.2014 im New Yorker Museum of Modern Art, MoMA.
Einen Warhol verkaufen, um mit dem Geld bisher nicht gesammelte Kunst zu erwerben, das ist eine Forderung von Kunsthistorikerin Julia Pelta Feldman. Hier "Gold Marilyn Monroe" von Andy Warhol im MoMA. © picture alliance/dpa/Felix Hörhager
Julia Pelta Feldman und Franciska Zólyom im Gespräch mit Max Oppel · 20.03.2020
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Sammlungen seien nicht vielfältig genug, sagt die Kunsthistorikern Julia Pelta Feldman und fordert deshalb, Werke zu verkaufen, um neue zu erwerben. An der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig wird bereits über das "Entsammeln" diskutiert.
Wie geht man in einer diversen Gesellschaft mit einer in sich geschlossenen Sammlung moderner Kunst um, die auf europäischer und nordamerikanischer Kunst basiert?
Statt lediglich die Provenienz der Kunstwerke zu erforschen, wie derzeit viel diskutiert wird, und statt nur bei künftigen Anwerbungen eine Sammlung nach und nach diverser aufzustellen, fordert die Kunsthistorikerin Julia Pelta Feldman Museen auf, auch aktiv zu "entsammeln": sprich einen Warhol oder Rothko teuer zu verkaufen, um mit dem Geld nicht gesammelte Künstler und Künstlerinnen einzukaufen. Es soll zukünftig anders gesammelt werden, um so Sammlungen zu diversifizieren und die Bedeutung marginalisierter Kunst zu restituieren.

Lernen vom New Museum in New York

Wenn Museen unendlich viel Geld und Ausstellungräume hätten, wäre "Entsammeln" gar kein Thema, sagt Julia Pelta Feldman. Sie könnten alles ankaufen und ausstellen. Budgets seien oft aber leider genauso begrenzt wie der Platz an den Wänden. Wenn man bekannte Werke wie einen Andy Warhol verkaufe, hätten man viel mehr Spielraum, so Feldman.


Franciska Zólyom, Direktorin der Galerie für Zeitgenössische Kunst (GfZK) in Leipzig, verweist auf Marcia Tucker. Sie hat 1977 das New Museum in New York gegründet und hat damals den zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern einen Raum für ihre Arbeiten zur Verfügung gestellt. "Wo man die Arbeiten ganz frisch und aus unterschiedlichen Perspektiven diskutieren konnte", sagt Zólyom.
Kunsthistorikern Julia Pelta Feldman
Kunsthistorikern Julia Pelta Feldman © Isaac James
Marcia Tucker habe aktiv um die Schenkung von Kunstwerken für die Musemssammlung gebeten, von denen sie wieder welche verkauft habe, um neue Werke für das Museum zu erwerben. Das habe wiederum zu viel Streit und Kontroversen geführt. Aus diesen Konflikten könne man für die heutige Zeit viel lernen. So sei das Spannende am Beispiel New Museum, sagt Zólyom, dass die Künstler und Künstlerinnen maßgeblich zu dem Zustandekommen einer Sammlung mit beigetragen haben.

Wem gehören eigentlich die Sammlungen?

Das Beispiel New Museum sei für Franciska Zólyom auch deshalb wichtig, weil man diesbezüglich auch die Frage des Besitzes erörtern könne. Wem würden Werke in öffentlichen Sammlungen eigentlich gehören? Wem gehören Kunstwerke, wenn sie wie im Fall des New Museums, von Künstlern und Künstlerinnen gestiftet wurden? Außerdem stelle sich Franciska Zólyom die Frage, wie diese Aspekte öffentlich diskutiert werden können. Entscheiden die Museen selbst, sind es die Besitzer und Besitzerinnen von Sammlungen, also die Gesellschaft, die staatliche Museen mitfinanziert?


Auch an der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig werde aktuell über das "Entsammeln" diskutiert, sagt Zólyom. Sie würden sich die Frage stellen, was ein Museum außer Kunstwerken noch alles sammle, und dazu gehören auch Archivbestände. Bevor man etwas veräußere, sollte man erst genau gucken, was lasse sich über vorhandene Bestände über eine Institution sagen, und welche Relevanz habe das über das Verstehen der Vergangenheit und Gegenwart.
Franciska Zólyom, Direktorin der Galerie für Zeitgenössische Kunst (GfZK) in Leipzi
Franciska Zólyom, Direktorin der Galerie für Zeitgenössische Kunst (GfZK) in Leipzi© picture alliance/dpa/Sebastian Willnow

Museumsgeschichte ist auch eine Geschichte des Ausschlusses

"Wir brauchen radikale Museumsmodelle", sagt Franciska Zólyom. Die Geschichte der Museen selbst sei eine Geschichte, die sehr stark verwoben sei mit der Geschichte der Eroberungsfahrten, der Unterwerfung von Bevölkerungen und Kulturen – mit dem Phänomen der Repräsentation: "Ich beschreibe andere und schaffe dadurch Hierarchien. Ich lege Werte fest und schließe damit andere Werte aus." Wenn man der Tatsache Rechnung trage, dass es eine über Jahrhunderte gewachsene Tradition des Ausschlusses gebe, müsse etwas Grundlegendes passieren, sagt Zólyom. Das alles müsse Konsequenzen haben, auch in Bezug auf die "unangenehmen Fragen".
Das MoMA in New York versuche jetzt etwas Neues, sagt Julia Pelta Feldman. Das sei aber schwierig. Man könne nicht einfach neue Kunstwerke kaufen und sie neben alte Kunstwerke hängen. Zudem seien die bisherigen Narrative von europäischen und nordamerikanischen, weißen Männern geprägt. Frauen und Minderheiten seien nur "der Schmuck". Deshalb brauche es ihrer Meinung nach neue Narrative und "neue Kunstgeschichten, um zu sehen, was wir tatsächlich verpasst haben".
(jde)
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