„Entrussifizierung“ in der Ukraine

Verbot russischer Bücher und Musik geplant

10:32 Minuten
Rücken und Cover von russischen Büchern: von Douglas Adams über Jewgeni Petrow bis Dostojewski.
Künftig tabu in der Ukraine: in Russland erschienene Bücher. © picture alliance/Friedemann Kohler/dpa
Sabine Adler im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 29.06.2022
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In der Ukraine sollen Bücher, die in Russland erschienen sind, nicht mehr eingeführt werden dürfen. Zudem soll russische Musik nicht mehr gespielt werden dürfen. Das ruft unterschiedliche Reaktion hervor – sowohl in der Ukraine als auch in Russland.
Noch sind sie nicht in Kraft getreten, aber das ukrainische Parlament hat sie schon beschlossen: Zwei Gesetze, die den Umgang mit russischer Kultur im Land regeln.
Prinzipiell sollen alle Bücher in russischer Sprache verboten werden, ausgenommen werden nur Werke, die nicht in Russland oder Belarus erschienen sind und die gleichzeitig keinen antiukrainischen Inhalt haben. Bei der Musik soll eine Liste erstellt werden – künftig sollen nur Künstler und Künstlerinnen gespielt werden und auftreten dürfen, die sich in aller Form und öffentlich vom Krieg distanziert haben.
Außerdem soll festgeschrieben werden, dass in Medien zu 75 Prozent ukrainisch gesprochen werden muss. Damit soll die Sprache, die sich erst seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 richtig im Land etabliert hat, gefördert werden.

Unterteilung zwischen Freund und Feind

Die Frage, ob ukrainisch oder russisch gesprochen wird, ist seit dem Krieg sehr bedeutend geworden, sagt Sabine Adler, Leiterin des Reporterpools für Osteuropa von Deutschlandradio. Während früher praktisch alle russisch gesprochen hätten, werde die Sprache inzwischen von vielen abgelehnt. Ukrainisch wird bevorzugt: "Hier wird eine Unterteilung zwischen Feind und Freund vorgenommen", sagt Adler.
Es gebe sicher einige, die die Gesetze zu radikal finden, sagt Adler: "Die russischen Klassiker aus dem Schulunterricht rauszunehmen und nur noch ukrainische Literatur zu lehren – das geht vielen sicherlich zu weit." Aber Krieg sei nicht die Zeit für nuancierte Überlegungen.

Nur noch Borschtsch und Bandera?

In Russland gibt es unterschiedliche Reaktionen auf die Gesetze. Die Propaganda spricht bitterböse davon, dass es jetzt in der Ukraine statt der (russischen) Klassiker nur noch Borschtsch und Bandera als Thema gebe – also die Rote-Beete-Suppe und den ukrainischen Nationalisten, der mit den Nazis kollaboriert hat.
Zurückhaltender äußert sich Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew. Es werde nicht möglich sein, die russische Kultur in der Ukraine zu verbieten. Denn die russische Kultur sei untrennbar mit der ukrainischen, der europäischen und der Weltkultur verbunden, ließ Medwedew verlauten. "Das klingt für russische Verhältnisse extrem moderat", sagt Adler.

Die Grenzen der Toleranz

"Es ist keine gute Entscheidung", sagt die ukrainische Schriftstellerin und Fotokünstlerin Yevgenia Belorusets über die Gesetze. Andererseits könne sie die Entscheidung verstehen, sagt Belorusets im Interview : "Die Ukraine war sehr tolerant, sehr lange Zeit. Aber jetzt geht es darum, dass das Land praktisch vernichtet wird."
Sie sieht die Gesetze auch als Ausdruck der Enttäuschung gegenüber der russischen Kulturszene. Da sei der Mainstream sehr auf Putins Linie. So habe der Leiter der Eremitage in Sankt Petersburg russische Ausstellungen im Ausland als "Spezial-Operationen" bezeichnet, also den gleichen schönfärberischen Ausdruck benutzt, mit dem in Russland der Krieg in der Ukraine bezeichnet werden muss.
(beb)

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