Bundesversammlung Ensemble-Netzwerk
Im November organisierte das Ensemble-Netzwerk in Hannover eine Demo gegen Kürzungen im Theaterbereich. Auf der Bundesversammlung jetzt ging es auch um materielle Belange von Schauspielern.
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Diversitäts-Quote und Abschied von der Hierarchie
07:37 Minuten

Bei der Bundesversammlung des Ensemble-Netzwerks ging es um angemessene Bezahlung am Theater, aber vor allem um Diversität in den Häusern. Ein Vorschlag: nicht nach Können zu besetzen, sondern nach Hautfarbe. Ein anderer: die Intendanz abzuschaffen.
Unter Schauspielerinnen und Schauspielern wird derzeit intensiv über die Arbeitsbedingungen auf und hinter der Bühne diskutiert, über Machtmissbrauch und Diskriminierung und über angemessene Bezahlung. Diese Themen prägten auch die Bundesversammlung des 2016 gegründeten Ensemble-Netzwerks, die am Sonntagnachmittag auch per Livestream mitzuerleben war.
„Das Theater muss sich verändern, wenn wir es erhalten wollen“, sagte Vorstandsmitglied Sina Dotzert. Und betonte die Stärke des Netzwerks: „Wir sind mittlerweile verdammt viele, und das Ensemble-Netzwerk wirkt.“ Rund Tausend Theaterschaffende unterschiedlicher Spaten sind in dem Netzwerk organisiert, erklärt Theaterkritiker André Mumot, der die Versammlung verfolgt hat.
Hoffnungen auf bessere Verträge
Bei einer Demonstration des Netzwerks im November in Hannover gegen Kürzungen im Theaterbereich hätten 3000 Menschen teilgenommen. Und der Wechsel von Lisa Jopt vor Kurzem aus dem Vorstand des Ensemble-Netzwerks in das Amt der Präsidentin der GDBA (Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger) wecke große Hoffnungen, dass sich die Praxis der Bezahlung, der Beteiligung zum Positiven verändere. Denn die GDBA handelt unter anderem die Tarifverträge aus.
Die für die Theaterbranche so schwierige Coronazeit sei natürlich auch Thema gewesen, erklärt Mumot. Unter anderem sei es um die Probleme der sogenannten hybrid Beschäftigten gegangen, die nur kurze Gastspiele geben, was sich in der Pandemie verstärkt habe.
Quote für Diversität
Die zentralen Themen des Treffens seien aber Machtstrukturen und Diversität gewesen. Ein wichtiger Aspekt hier: Die Frage, wie man Quoten für bestimmte Rand- oder Diversitätsgruppen einführen solle. Die Regisseurin und Choreografin Heinrich Horwitz, die auch Queer-Aktivistin ist, sagt dazu: „Ich finde es nicht wichtig, immer zwangsläufig die Person einzustellen, die am besten spielt.“
Alle hätten eine Verantwortung – sie habe die als weiße Person. Wenn drei Personen im Vorsprechen seien, eine davon sei schwarz, zwei weiß, und die weiße spiele ein bisschen besser, besetze sie die schwarze Person.
„Und zwar, weil ich eine Verantwortung habe dafür, die Strukturen zu verändern.“ Die Ausbildungsstrukturen müssten geändert werden, die Schulen müssten geändert werden. „Eine Diversität wächst halt nicht am Baum.“
Flächendeckende Praxis sei das aber noch nicht, erklärt Kritiker André Mumot. Betont worden sei aber bei dem Bundestreffen, dass sich Diversität durch alle Bereiche ziehen müsse: Neben einem bunt zusammengesetzten Ensemble auf der Bühne brauche es das auch in den Gewerken, in der Technik, in der Dramaturgie und letztlich in der Theaterleitung.
Weg von der Hierarchie
Diese Frage der Intendanz sei die, wofür sich das Ensemble-Netzwerk jetzt offensichtlich einsetze. Dass etwa andere Gremien gefunden werden für die Entscheidung: Wer leitet eigentlich ein Haus?
„Da wurde zum Beispiel auch gesagt, es geht nicht darum, ob das eine Frau oder ein Mann ist oder eine Doppelspitze oder drei Personen. Vielleicht muss man sich von diesem Leitungsprinzip komplett verabschieden und sagen: Da sind verschiedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses, und die treffen die Leitungsentscheidungen. Und wir gehen ganz weg von der Hierarchie.“
Viele Utopien und große Pläne für die Zukunft seien formuliert worden bei der Bundesversammlung des Ensemble-Netzwerks, ressümiert André Mumot. „Auch in Hinblick, dass man gesagt hat: 2050 wünschen wir uns das perfekte Theater. Und auf den Weg begeben wir uns jetzt.“
(abr)