Engelbert Kaempfer

Tod eines Forschungsreisenden

Die Shah-Moschee in Isfahan. 1864 erreichte Engelbert Kaempfer die damalige Hauptstadt Persiens
Die Shah-Moschee in Isfahan. 1864 erreichte Engelbert Kaempfer die damalige Hauptstadt Persiens. © picture alliance / dpa / Boris Roessler
Von Irene Meichsner  · 02.11.2016
Er gilt als bedeutendster deutscher Orientreisender des 17. Jahrhunderts: Zehn Jahre war Engelbert Kaempfer unterwegs, vom russischen Zarenhof über Persien bis ins abgeschottete Japan. Vor 300 Jahren starb er.
"Isfahan liegt auf einer ungemein fruchtbaren Hochebene. … Die Stadt erfreut sich eines … gleichmäßigen, trockenen und äußerst gesunden Klimas. Man kann beobachten, daß hier Leichen eher austrocknen als verwesen; daß Eisen, auch in feuchtem Zustand, keinen Rost ansetzt und daß gestimmte Saiten sehr lange den Ton behalten."

Engelbert Kaempfer war 32 Jahre alt, als er im März 1684 die persische Hauptstadt erreichte. Er war Sohn eines Pfarrers aus Lemgo, hatte Philosophie und Medizin studiert und danach die Stelle eines Sekretärs einer schwedischen Delegation angenommen, die mit dem Schah von Persien über eine Ausweitung der Handelsbeziehungen und eine Koalition gegen die Türken verhandeln wollte. Von Stockholm ging es erst an den Zarenhof in Moskau, dann die Wolga hinunter, über das Kaspische Meer ins heutige Aserbaidschan. Und von dort nach Isfahan.
Im streng bewachten Harem des Schahs
"Curiositas - Neugier ist das Stichwort dieser Epoche. Und von Curiositas hatte er nun wirklich sehr viel im Gepäck", sagt Detlef Haberland, Mitherausgeber einer digitalen Edition der "Amoenitates Exoticae", der "Exotischen Köstlichkeiten", wie Kaempfer später den ersten, in lateinischer Sprache verfassten Teil seines Reiseberichts überschrieb.
Als Gesandtschaftssekretär konnte er leicht Kontakte knüpfen; bei jeder Gelegenheit machte er sich Notizen – über die persische Verfassung, Religion, Architektur, über das Leben am Hof von Schah Suleyman und den streng bewachten Harem, in dem außer angeblich 400 Haupt- und Nebenfrauen auch 500 Eunuchen lebten. Letztere waren unter anderem dafür zuständig, den neuen Frauen die höfischen Regeln beizubringen.
"Einer von ihnen ist der Beurteiler der Körperform; er hat einen Gürtel, und wenn die Dicke des Bauches ein Maß überschreitet, untersagt er ihnen die Speisen, wobei sie zumindest von Wasser und Reis ernährt werden sollen, bis dass die Schmerbäuche … schlank geworden sind."

Auch wenn Kaempfer vieles nur vom Hörensagen wusste, reichte es doch, um sich ein Urteil zu bilden:
"Die Präfekten der Provinzen und Städte schinden … ihre Bürger und raffen von den Einkünften des Reiches ebenso wie des Königs … so viel weg, wie es räuberische Menschen vermögen."
Wissenstransfer auch durch Likör
Als die Schweden 1685 wieder aus Persien abzogen, wechselte Kaempfer als Arzt zur Niederländisch-Ostindischen Kompanie. Nach zweieinhalb Jahren im höllisch heißen Klima von Bandar Abbas am Persischen Golf zog er über Indien und Java 1690 weiter nach Japan, das sich damals von der Außenwelt fast vollständig abgeschottet hatte. Die Holländer waren die letzten europäischen Handelspartner, sie wurden auf einer künstlichen Insel vor Nagasaki quasi gefangen gehalten. Ihre japanischen Bediensteten mussten schwören, ihnen gegenüber nichts über ihre Heimat verlauten zu lassen. Kaempfer wiederum gab den Japanern bereitwillig Auskunft über westliche Medizin, Astronomie und Mathematik.

"Und … theilte ihnen dann auch ganz cordial bey diesem Unterricht beliebte europäische Liqueurs mit. Dies machte sie mir so gewogen, daß ich … nach Allem, was ich wolte, mich erkundigen konte."

Auf zwei Reisen zum Shogun in Edo, dem heutigen Tokio, lernte Kaempfer auch das Landesinnere kennen. Er schaute sich nach unbekannten Pflanzen um.

Detlev Haberland: "Das war sein eigentlicher Auftrag. Wo immer man es für sinnvoll erachtete, suchte man nach Heil- und Gewürzpflanzen, um sie vielleicht in größerem Maßstab zu sammeln und wirtschaftlich zu verwerten."

Er prägte das Bild Japans in Europa

Kaempfer erstellte einen Katalog von 535 japanischen Nutz- und Zierpflanzen und beschrieb als erster Europäer den Ginkgo-Baum. Aber das war noch nicht alles. Wolfgang Ulrich, Mitbegründer der Engelbert-Kaempfer-Gesellschaft:

"Der hat unwahrscheinliche Informationen gesammelt über politische Verhältnisse, über gesellschaftliche Bedingungen, unter denen die Menschen in Japan lebten, über die Religion, über das Kaisertum - er war also in vielfältiger Hinsicht interessiert. Und hat damit also das Bild Japans in Europa geprägt."

1694 ließ sich Kaempfer als Arzt in Lemgo nieder. Nur die "Amoenitates" konnte er noch selber veröffentlichen, bevor er am 2. November 1716 starb. Sein Japan-Buch wurde erst ins Englische und danach in mehrere andere Sprachen übersetzt. Als 60 Jahre nach seinem Tod endlich auch der deutsche Originaltext in einer stilistisch bereinigten Fassung auf den Markt kam, war Engelbert Kaempfers Japan-Werk längst zum "Klassiker" geworden.
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