Isamu Noguchi

Kunst als Übersetzung des Ostens für den Westen

Ein Zierahornbaum mit feuerrotem Herbstlaub und ein Ginkobaum mit gelben Herbstlaub stehen in Düsseldorf im Japanischen Garten des EKO-Hauses - Haus der Japanischen Kultur
Bäume in japanischen Garten: Noguchi brachte fernöstliche Ideen in den Westen. © picture alliance / Horst Ossinger
Von Jochen Stöckmann · 30.12.2013
Der in Japan aufgewachsene US-Amerikaner Isamu Noguchi brachte westliche Kunst und fernöstliche Traditionen zusammen. Am 30. Dezember 1988, vor 25 Jahren, ist der Künstler und Gestalter gestorben.
Die Kamera schwebt im Vogelflug durch einen Zauberwald surrealer Skulpturen: stilisierte Totempfähle, schwarze Sterne und zart gerundete Flügel. In mikroskopischer Nahsicht gerät die Körnigkeit von Marmor vor Augen, der brüchige Charakter von Treibholz. "Visuelle Variationen über Noguchi" hat die New Yorker Experimentalfilmerin Marie Menken ihre Arbeit 1945 genannt. Die Hommage an einen damals nicht allzu bekannten Bildhauer, den 1904 in Los Angeles als Sohn eines japanischen Dichters geborenen Isamu Noguchi, wirkt heute wie eine Prophezeiung.
Denn als der Künstler am 30. Dezember 1988 in New York starb, hinterließ er ein weit gefächertes Oeuvre. Architektur und Landschaftsgestaltung, Produktdesign, Malerei – überall hatte Noguchi seine Finger im Spiel, weltweit: In Hiroshima führt seine Friedensbrücke zu dem von Kenzo Tange gebauten Museum. Das Israel Museum in Jerusalem fügte er mit seinem Skulpturengarten aus schlichten Feldsteinen perfekt in die hügelige Umgebung ein. Und nicht nur mit dem japanischen Garten am UNESCO-Hauptquartier in Paris realisierte er einen lang gehegten Traum:
"Mein Vater Yone Noguchi ist Japaner und seine Dichtung ist seit Langem bekannt als die Übersetzung des Ostens für den Westen. Ich möchte das gleiche mit der Bildhauerei tun."
Mit diesen Sätzen bewarb sich Noguchi, der seine Jugend in Japan verbracht und anschließend in den USA studiert hatte, 1927 für ein Guggenheim-Stipendium. Das brachte ihm einen längeren Aufenthalt in Paris ein, als Assistent des Bildhauers Constantin Brancusi:
"Er lehrte mich den Respekt vor dem Material, den Umgang mit dem Handwerkszeug."
Auch Noguchis Hang zur absoluten Form dürfte aus dieser Begegnung mit Brancusi herrühren. Deutlich sichtbar wurde diese Vorliebe in zahlreichen Skulpturen für den öffentlichen Raum, etwa der mächtigen Collage aus Stahlquadern im Tucherpark in München.
Die konsequente Fortführung zeitgenössischer Ansätze in der Bildhauerei, sein minimalistisch reduziertes Formenrepertoire und schließlich die Einbeziehung der Landschaft in skulpturale Installationen bescherten ihm die Teilnahme an der documenta II und III, später vertrat Noguchi die USA auf der Biennale in Venedig.
Auf die reine Kunst aber mochte sich Noguchi, der Kosmopolit, nicht beschränken. Dann aber gab es auch Isamu Noguchi als erfolgreichen Designer. Neben Glastischen im modernistischen Stil der 50er-Jahre machten vor allem seine Akari-Leuchten Furore: Lichtskulpturen aus dem fast durchsichtigen, von japanischen Handwerkern gerne für Schiebewände verwendeten Shoji-Papier - als Kubus oder eiförmig, als schlanke Säule. Oder eben als Lampionkugel. Und die hing in jeder Studentenbude über dem Flokati-Teppich.
Noguchi betrachtete seine Leuchten als Kultobjekte und berief sich auf japanische Traditionen, wenn er eine Versöhnung von Natur und Technik beschwor:
"Das Licht der Akari ist wie das Licht der Sonne, das durch ein Shoji-Papier gefiltert wird. Die kalte Härte der Elektrizität wird zurückverwandelt in das Licht unserer Herkunft – die Sonne. Ihre Wärme erfüllt dank der Magie des Papiers auch in der Nacht unsere Häuser."
Der Magie des Materials versuchte Noguchi mit einfachen, aufs Äußerste reduzierten Formen nachzuspüren – als Bildhauer, als Produktdesigner oder als Bühnenbildner.
Etwa für die Choreografin Martha Graham bei einem ihrer ersten großen Erfolge, dem Ballett "Appalachian Spring" nach Musik von Aaron Copland:
"Mit der ihm eigenen Schärfe und Strenge legte er alles bis aufs Essenzielle frei, ließ keinen Platz für Dekoratives. Alles, was er tat, hatte seine eigene Bedeutung."