Energie

Grüne gegen Geschäfte mit Gazprom

Elektro-Techniker inmitten mehrerer Gasbohrungen vom Erdgasspeicher in Rehden
Elektro-Techniker inmitten mehrerer Gasbohrungen vom Erdgasspeicher in Rehden © dpa / picture alliance / Friso Gentsch
Oliver Krischer im Gespräch mit Dieter Kassel |
Der Grünen-Politiker Oliver Krischer hofft, dass die Bundesregierung den Verkauf des Erdgasspeichers Rehden bei Bremen an den russischen Energiekonzern Gazprom stoppt. Der russische Präsident Putin setze Gas als Waffe ein.
"Ich hoffe, dass die Bundesregierung hier tatsächlich noch die Notbremse zieht", sagte Krischer. Dieser Verkauf könne in der aktuellen Krise nicht stattfinden. "Das würde überhaupt nicht zu der Sanktionspolitik der EU passen."
Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion verwies darauf, dass der russische Präsident Wladimir Putin "Gas als Waffe" einsetze. Wenn Westeuropa da eines Tages als Gegner ausgemacht werde, dann werde Putin auch diese Infrastruktur einsetzen. Das könne die Gasversorgung in Deutschland in Frage stellen.
Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Wir versuchen in dieser Woche in unserem Programm mehrfach, dem Tun und seinen Hintergründen des größten Energiekonzerns der Welt ein bisschen auf die Schliche zu kommen – Gazprom hat 460.000 Mitarbeiter, und die, darüber haben wir schon in unserem Programm gesprochen, beschäftigen sich gar nicht alle mit Gasförderung und Gasverkauf. Gazprom ist auch ein Medien- und ein Bankenkonzern, und Gazprom ist auch aktiv im Bereich der Infrastruktur, der Energieinfrastruktur auch in Deutschland.
Und genau darüber wollen wir jetzt reden mit Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag und unter anderem Koordinator des Arbeitskreises Umwelt und Energie. Morgen, Herr Krischer!
Oliver Krischer: Guten Morgen!
Kassel: Eigentlich ist es nicht ungewöhnlich, dass ausländische Firmen auch in die Infrastruktur in Deutschland, Energieinfrastruktur, investieren. Aber begrüßen Sie auch das Engagement von Gazprom?
Krischer: Nein, das ist gerade in der aktuellen Krise ein ganz großes Problem. Man kann ja nur darüber staunen, dass wir über Sanktionen gegen Russland, gegen Putin sprechen, und gleichzeitig wird der größte Gasspeicher Deutschlands an Gazprom verkauft. Ich finde das ganz hochproblematisch.
Ich finde vor allen Dingen problematisch, dass die Bundesregierung uns dann sagt, sie hat damit überhaupt kein Problem. Sie akzeptiert, dass Gazprom diesen Speicher in Rehden bei Bremen übernimmt und damit 20 Prozent der Speicherkapazität und einen Großteil der Gasinfrastruktur in Deutschland kontrolliert.
Ich will mir nicht ausmalen, wenn wir tatsächlich mal einen Krisenfall haben, wie dieser Speicher dann eingesetzt wird. Bestimmt nicht im Sinne der Menschen in Deutschland, bestimmt nicht im Sinne der Gasversorgungssicherheit in Deutschland.
Blick auf ein Leitungssystem auf das Erdgasspeichergelände im niedersächsischen Rehden
Blick auf ein Leitungssystem auf das Erdgasspeichergelände im niedersächsischen Rehden© picture alliance / dpa
Kassel: Aber ist für Sie dieser Fall schon völlig klar? Denn der Gasspeicher, den Sie erwähnt haben, der größte Europas in Rehden bei Bremen, der sollte übernommen werden, eigentlich sollten die Verträge ja im Sommer schon unterschrieben werden. Sommer ist vorbei – ist da schon alles klar für Sie?
Krischer: Ja, die Bundesregierung hat uns geschrieben, geantwortet, auch im Ausschuss schriftlich bestätigt, die hat keinerlei Bedenken, das Geschäft kann über die Bühne gehen. Jetzt höre ich doch, dass man noch mal genauer hinguckt. Also offensichtlich hat das zuständige Bundeswirtschaftsministerium, hat Wirtschaftsminister Gabriel hier doch kalte Füße bekommen und guckt sich das Ganze jetzt noch mal genauer an.
Also ich hoffe, dass die Bundesregierung hier tatsächlich noch die Notbremse zieht, weil dieser Verkauf kann eigentlich in der aktuellen Krise, die wir haben, so nicht über die Bühne gehen. Das würde überhaupt nicht zu der Sanktionspolitik der EU passen.
Kassel: Nun kann man es auch genau umgekehrt sehen, was Gazprom natürlich tut. Aus Russland heißt es nämlich, das Engagement im Bereich der Infrastruktur erhöhe die Versorgungssicherheit, weil man so Lieferschwierigkeiten zum Beispiel bei der Durchleitung durch die Ukraine abfedern könne. So unlogisch klingt das ja erst mal nicht?!
Krischer: Ja, aber ich gucke mir die Politik Putins an, und er setzt Gas als Waffe ein, und da ist es ja nur die Frage, wer ist gerade der Gegner? Wenn als Gegner irgendwann Westeuropa ausgemacht wird, dann wird er auch diese Infrastruktur einsetzen.
Und ich staune schon ein bisschen, dass die Bundesregierung da zumindest in der Vergangenheit argumentiert hat, na ja, der Verkauf sei kein Problem, weil es ja um Gazprom Germania gehe, und das sei eine deutsche Firma. Ich kann mir nicht vorstellen, so, wie Putin agiert hat, dass er nicht im Zweifelsfall, wenn die Krise schärfer und härter wird, das auch als Mittel einsetzen wird, und dass dann genau das Gegenteil passiert, dass eben die Gasversorgung in Deutschland in Frage gestellt wird.
Kassel: Aber da stellt sich eine grundsätzliche Frage. Die Gasspeicher, nicht nur dieser große, die Gasspeicher in Deutschland sind komplett in privater Hand, und die bayerische Wirtschaftsministerin Aigner fordert nun eine staatliche Gasreserve, so wie es ja eine Ölreserve gibt. Brauchen wir die?
Krischer: Das ist eigentlich eine gute Initiative, eines der ganz wenigen interessanten Dinge, die mal aus Bayern gefordert werden. Eigentlich muss man das in die Hand nehmen, muss man gucken, dass die Speicher – wir haben in Deutschland ja große Speicherkapazitäten, die, Sie sagen es richtigerweise, gar nicht staatlich kontrolliert werden, also die privaten Betreiber können die bewirtschaften, wie sie wollen –, dass man hier eine stärkere staatliche Regulierung braucht, eine Art nationale Gasreserve. Dass eine Bundesnetzagentur oder wer auch immer drauf guckt, haben wir hier für gewisse Krisenzeiten Vorräte.
Diesen Vorschlag finde ich sinnvoll. Wir haben einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht. Die Bundesregierung, leider auch die CSU in Berlin konnte sich für den Vorschlag nicht erwärmen. Ich habe jetzt immerhin gehört, dass das Bundeswirtschaftsministerium mal ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, ob so etwas denn sinnvoll sein könne.
Also, Frau Aigner liegt hier richtig. Ich hoffe, dass die Bundesregierung auch hier dann tätig wird und wir nicht nur eine Erdölreserve haben, die meines Erachtens längst nicht so bedeutend ist wie so eine Gasreserve.
Kassel: Wenn ich Sie jetzt frage, wie wir uns unabhängiger machen können von russischem Gas, dann bin ich mir sicher, dass Sie als Grüner dann sagen, mehr Energieeffizienz und mehr erneuerbare Energien. Aber können wir nicht angesichts der aktuellen Lage doch auch froh sein, dass wir auch noch Stein- und Braunkohle zur Energieerzeugung nutzen?
Die Fassade eines Wohnhauses - aufgenommen mit einer Wärmebildkamera.
Die Fassade eines Wohnhauses - aufgenommen mit einer Wärmebildkamera. © picture-alliance/dpa - Greenpeace
Krischer: 85 Prozent des Gases, dass in Deutschland eingesetzt wird, wird zum Heizen, für Raumwärme genutzt. Da nützt uns Stein- und Braunkohle überhaupt nichts. Das ist der Strombereich. Gas wird im Wärmebereich eingesetzt, und da ist die Antwort nun mal Energieeffizienz und Einsparung. Und jede Kilowattstunde Gas, die wir nicht verbrauchen, wo wir unsere Gebäude mehr dämmen, wo wir einfach unseren Wärmebedarf reduzieren – und das ist technisch alles möglich –, das ist sinnvoll.
Mir ist es lieber, das Geld wird an deutsche Handwerker, die deutsche Bauindustrie gegeben, schafft hierzulande Arbeitsplätze, stützt hierzulande die Wirtschaft, als dass wir jedes Jahr viele, viele Milliarden an das Unrechtsregime von Herrn Putin überweisen. Und das finde ich nicht in Ordnung.
Insofern müsste die Bundesregierung hier viel, viel mehr tun. Aber beim Thema Energieeffizienz, Gebäudesanierung ist unter der großen Koalition noch null und nichts passiert.
Kassel: Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag und unter anderem Koordinator des Arbeitskreises Umwelt und Energie. Herr Krischer, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Krischer: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema