Energie

Deutschlands wichtigster Gasspeicher gehört bald Gazprom

Das Logo der russischen Ölfirma Gazprom Neft an einem Messestand in Moskau.
Deutschland mache sich durch den Gazprom-Tausch noch abhängiger von Russland, befürchten Kritiker. © picture alliance / dpa / Sergei Ilnitsky
Von Franziska Rattei · 20.09.2014
Sehr wahrscheinlich gehört bald einer der größten Erdgasspeicher in Westeuropa Gazprom. Dieser Speicher liegt mitten in Niedersachsen. Vor dem Hintergrund der politischen Krise zwischen Europa und Russland haben sich längst warnende Stimmen erhoben - doch wahrscheinlich können die Gegner nicht mehr viel dagegen tun.
Es lässt sich kaum erahnen, was sich zwei Kilometer unter unseren Füßen befindet. Das Speicherareal von Westeuropas größtem Erdgasspeicher ist so groß wie 910 Fußballfelder. Hier lagert so viel Gas, dass man – theoretisch – die gesamte sächsische Bevölkerung damit versorgen könnte; ein ganzes Jahr lang. Zurzeit betreibt die Firma Astora den Speicher. Sie gehört zur BASF-Tochter Wintershall. In Rehden lagern rund ein Dutzend deutsche und europäische Kunden ihr Gas ein, sagt Markus Radmacher. Er leitet die Vermarktung der Speicherkapazitäten.
"Das sind in der Regel große Energieversorgungsunternehmen, aber auch kleine Händler, teilweise auch die eine oder andere Bank, die im Erdgashandel tätig ist. Also ein bunter Mix der gesamten Erdgaswirtschaft."
Radmacher vergleicht das, was er seinen Kunden bietet, mit einem Parkhaus – einem großen. Astoras Kunden mieten Speicherplatz, der Speicherbetreiber stellt ihn zur Verfügung.
Ein Tauschgeschäft ist geplant
"Das Gas, das in Rehden gespeichert wird, gelangt über die Erdgas-Pipeline MIDAL, die mitteldeutsche Anbindungsleitung, aufs Gelände. Täglich rauschen mehr als eine Million Kubikmeter Gas durch die Rohre – aus Norwegen, Großbritannien, Deutschland oder Russland. Das Gas wird verdichtet und dann unterirdisch gespeichert – Rehden hat Platz für mehr als vier Milliarden Kubikmeter Arbeitsgas. Bei Bedarf – also wenn der Kunde es verlangt – wird es 'ausgelagert', das heißt: wieder herausgeholt. Das geschieht vor allem im Winter, zur Heiz-Zeit."
Kritiker betrachten Astora als eine Gefahr in Zeiten der russisch-ukrainischen Krise. Denn Astoras Mutterunternehmen, BASF/Wintershall, will den Speicher dem großen russischen Staatskonzern Gazprom überlassen. Genau genommen ist ein Tauschgeschäft geplant: Gazprom bekommt den Speicher, BASF erhält Anteile an russischen Erdgasfeldern. Für die Verbraucher in Deutschland habe dieser sogenannte Asset-Tausch keine Bedeutung, sagt Radmacher.
"Wir unterliegen deutschen Gesetzen und deutscher Regulierung und europäischer Regulierung. Und da halten wir uns auch dran. Also mir fällt kein Szenario ein, wo das umgangen werden könnte. Also z.B. ist auch hier kein Gazprom-Kunde, sondern denen gehört irgendwann mal dieser Speicher. Aber das Gas, das hier eingespeichert wird, gehört nicht der Gazprom. Also insofern ist diese Sorge wirklich unbegründet."
Noch ist der Deal nicht perfekt. Der Prozess dauere länger als ursprünglich angenommen, teilt BASF auf Nachfrage mit. Marieluise Beck empfindet die Wartezeit als eine Art Galgenfrist. Die Bremerin ist Bundestagsabgeordnete für Bündnis 90/die Grünen und Sprecherin für Osteuropa-Politik.
Ein gutes Geschäft für Russland
"Ich kann nicht verstehen, dass – nach den Erfahrungen, die wir jetzt machen mit Russland – dass da mit dieser Harmlosigkeit auch dieser Schritt gestattet worden ist."
Nach Meinung der Grünen-Politikerin macht sich Deutschland durch den Asset-Tausch zwischen BASF und Gazprom weiter abhängig von Russland. "Speicher gegen technisches Knowhow" – ein gutes Geschäft für Russland, sagt Beck. Schließlich könne das Land ohne westliche Unterstützung viele Gasfelder gar nicht erschließen, und der Gasspeicher in Deutschland sichere Russland neue Einflussmöglichkeiten. Für BASF mag der Deal ebenfalls verlockend aussehen, sagt Beck. Aber er stehe auf tönernen Füßen, weil er in einem Unrechtsstaat stattfinde. Bleibt nur der Appell:
"Die politischen Einspruchsmöglichkeiten sind erschöpft. Und insofern sehe ich derzeit dann nur noch eine Möglichkeit auf Ebene der Firmen, von einem Geschäft, das sie rechtlich abschließen dürfen – noch einmal zu überdenken, ob sie in dieser Zeit diese engere Bindung und dieses Monopol, was faktisch Gazprom in die Hände gespielt wird, auch tatsächlich vollziehen wollen."
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