Ende der ERT-Besetzung

Von Alkyone Karamanolis · 07.11.2013
Im Juni stoppte die griechische Regierung die Übertragung des Fernseh- und Rundfunkprogramms ERT per Ministerialerlass. Aber mehrere hundert der entlassenen Angestellten hielten das Rundfunkgebäude besetzt und sendeten von dort weiter. Die griechische Polizei hat den Ex-Staatsrundfunk nun geräumt.
Es ist eine gespenstische Szene, die die Kameras der ERT aufgezeichnet haben, und die man nun im Internet nachverfolgen kann. Sie spielt sich ab gegen fünf Uhr morgens. Polizisten einer Sondereinheit, mit Helmen und bis an die Zähne bewaffnet, stehen im Foyer des Funkhauses. Gespenstisch ist diese Szene nicht auch, weil der Ton fehlt. Und so bewegen sich die Männer, die in ihrer Montur Tiefseetauchern gleichen, lautlos, ihre Bewegungen bleiben unmotiviert. Zur selben Zeit gehen Polizeibeamte, so schildern es Augenzeugen, von Raum zu Raum, schalten die Lichter aus, sperren die Büros und unterbrechen schließlich das Programm.

Ähnlich wie vergangenen Juni, als die Nachrichtenpräsentatoren live die Abwicklung ihres Senders verkündeten, reportiert diesmal ein Radio-Moderator die Geschehnisse live – aus dem Studio:

"Die Polizei ist eben ins Studio gekommen, Sie hören die Funkgeräte, es ist 5 Uhr und 32 Minuten, unter den Augen der Polizisten senden wir weiter, in diesen letzten Stunden. Ein Polizist in Zivil filmt, und draußen warten zwei Sondereinheiten vor den Studios – guten Abend – warten, um uns abzuführen. Griechenland im Jahr 2013, das ist das 21. Jahrhundert. Willkommen 1930."

Der Moderator sendet weiter, bis ihn die Polizei aus dem Studio vertreibt:

"Die Polizei räumt das Studio, gerade ist wohl der Befehl ergangen, dass ich das Studio verlassen soll – handeln Sie auf Befehl? Kann ich meine persönlichen Gegenstände mitnehmen? Liebe Hörerinnen und Hörer, hier endet das Programm, unsere Stimme versiegt, die Mikrofone werden ausgeschaltet."

Die meisten Griechen erfahren von diesem Polizeieinsatz im Gebäude des ehemaligen griechischen Staatsrundfunks beim Frühstückskaffee. Innerhalb kürzester Zeit versammeln sich Menschen aller Altersgruppen spontan vor dem Athener Funkhaus.

Räumung weckt böse Erinnerungen
Die nächtliche Räumung hat bei vielen von ihnen böse Erinnerungen wachgerufen. So auch beim Rentner Nikos Giakos:

"Alle, die an solche reaktionären Einsätze glauben, handeln nachts, wie Diktatoren. Mich hat das an den Einmarsch des Militärs im Polytechnikum während der griechischen Junta erinnert. Also an eine barbarische, ultrarechte, reaktionäre politische Entscheidung."

Unter den Protestierern sind auch ehemalige Mitarbeiter der ERT, einige von ihnen haben bis zuletzt aus dem besetzten Gebäude gesendet. So auch Giorgos Filos. Der Einsatz vergangene Nacht hat ihn nicht überrascht, entsetzt ist er dennoch. Dass es bei der Schließung der ERT um ein Gesundschrumpfen gegangen sein soll, lässt Filos nicht gelten:

"Keiner hat gesagt, dass der Rundfunk nicht reformiert gehörte. Die ERT hatte tatsächlich Probleme, aber es lohnt sich genau hinzuschauen, woher diese Probleme stammten. Wir hatten von den Parteien eingesetzte Verwaltungen, die uns das Programm diktiert und Zensur geübt haben. Das Team, das die ERT kontrollierte, setzte sich in erster Linie aus solchen Günstlingen zusammen. Wir haben deshalb schon lange vor der Schließung wieder und wieder Reformvorschläge eingereicht."

Doch sie haben auf Granit gebissen haben, sagen viele Journalisten. Es ging niemals darum, das Programm zu verbessern, ist sich Giorgos Filos sicher. Er hat das selbst erfahren. Der Techniker hat eine zweijährige Fortbildung in Frankreich gemacht. Doch die dort erworbenen Kenntnisse konnte er niemals anwenden. Weil politische Günstlinge ohne journalistische Ambitionen die entsprechenden Stellen besetzt hielten, vermutet er. Man hätte die ERT also reformieren können. Gesundzusparen brauchte man sie aber nicht, denn entgegen diverser Falschmeldungen hatte der griechische Rundfunk einen ausgeglichenen Haushalt, er hat sogar einen Überschuss erwirtschaftet.

Auch deshalb ist sich Giorgos Filos sicher, dass es um etwas anderes geht:

"Das ist ein Angriff auf die Demokratie, und er wird auf das übrige Europa übergreifen. Ziel ist nicht Griechenland oder der griechische Rundfunk. Sie werden sehen, dass aufgrund wirtschaftlicher Krisen zum Beispiel nach und nach in anderen Ländern dasselbe passieren wird."

Unabhängige Journalisten unerwünscht
In der momentanen Situation sind unabhängig denkende Journalisten in Griechenland unerwünscht, fährt Filos fort. Für den Nachfolgesender der ERT hat sich der sanftmütig wirkende Mann aus Prinzip nicht beworben, er sieht es als nun seine Aufgabe an, für die Demokratie zu kämpfen. Viele werden das ähnlich sehen.

Bei den Griechen haben sich Ärger und Verzweiflung aufgestaut. Auch beim 20-jährigen Studenten Dimitris.

"Es ist wichtig, dass wir hier am Funkhaus präsent sind, denn es muss etwas passieren. So wie bisher geht es nicht weiter. Die tödlichen Sparpolitik, die faschistische Mentalität der Regierung, all das muss ein Ende haben. Für uns Junge steht unsere Zukunft auf dem Spiel und für die Älteren all das, was sie in ihrem Leben geschaffen haben. Und die ERT ist ein guter Anfang für den Protest. Was hier passiert ist, ist einer der Mosaiksteine, die das Bild des zeitgenössischen Griechenland ergeben."
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