Emmert: Ärzte können von mehr Transparenz profitieren
Versicherte der AOK können ab 2010 Ärzte online bewerten. Die Mediziner erhielten dadurch Gelegenheit, sich untereinander zu vergleichen, meint der Gesundheitsforscher Martin Emmert. Allerdings müssten die Portale mehr Bewertungskriterien enthalten als nur die Zufriedenheit der Patienten.
Jürgen König: Der Ärzte-TÜV soll kommen, ab nächstem Jahr will die AOK niedergelassene Ärzte durch ihre Versicherten im Netz bewerten lassen. Das Internetportal "AOK-Arztnavigator" soll für bessere Transparenz und bessere Behandlungsqualität sorgen. Andere Krankenkassen wie die Barmer oder die Techniker Krankenkasse wollen nachziehen mit der Begründung, es gäbe in Deutschland de facto keine Qualitätskontrollen für Ärzte. Nun gibt es aber schon jetzt eine Reihe von Ärzteportalen im Netz, die nach unterschiedlichen Kriterien bewerten, sehr zum Ärger der Mediziner, die ihren Persönlichkeitsschutz verletzt sehen. (…) Für uns am Telefon: Dr. Martin Emmert, er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Sein Forschungsschwerpunkt sind eben diese Arztbewertungsportale im Internet. Guten Tag, Herr Emmert, ich grüße Sie!
Martin Emmert: Guten Tag, Herr König!
König: Vielen Ärzten ist diese Form der Beurteilung ihrer Arbeit ein Graus, haben wir gerade gehört. Ihnen auch?
Emmert: Ich persönlich bin dafür, dass versucht wird, mehr Transparenz in das Gesundheitswesen zu bringen. Es sind Qualitätsunterschiede zwischen ärztlicher Leistung vorhanden, das bestreiten nicht mal Ärzte, und warum soll man das nicht transparent machen? Aber - und das ist eben der Knackpunkt bei dieser Fragestellung - die Systematik zur Darstellung der Qualität der Ärzte muss auch entsprechend ausgestaltet werden und auch der ärztlichen Komplexität gerecht werden. Es kann nicht so einfach bewertet werden wie bei einem Hotel zum Beispiel.
König: Aber es bleibt ja das Problem bestehen, dass da zwei unterschiedlich ausgebildete Parteien miteinander reden, genauer gesagt, übereinander reden, denn der Patient wird immer Laie sein - in der Regel jedenfalls - und er urteilt über Fachleute. Kann das gut gehen?
Emmert: Das Problem bei diesen Portalen ist grundsätzlich, dass immer nur die Patientenzufriedenheit thematisiert wird, wie Sie es in Ihrem Vorbericht schon erwähnt hatten. Aber neben der Patientenzufriedenheit müssen noch weitere Informationen über den Arzt gegeben werden, beispielsweise könnte man sich vorstellen, inwiefern der Arzt gemäß aktueller Therapieleitlinien therapiert, für Diabetes, welche Fortbildungen er besucht hat, welche Qualifikationen und Weiterbildungen das Praxispersonal hat. Solche Informationen müsste man ebenfalls zur Verfügung stellen und dann würde das Bild von dem Arzt beziehungsweise von der Qualität, die man dort möglicherweise erwarten kann, breiter werden.
König: Ist nicht aber generell dieses Verhältnis zwischen Arzt und Patient ein so komplexes, dass es auf diese Weise gar nicht beurteilt werden kann? Es geht ja um wesentlich mehr als nur um eine reine Dienstleistung.
Emmert: Das ist richtig. Der Patient wird sicherlich nie in der Lage sein, zu 100 Prozent die Qualität eines Arztes einzuschätzen. Aber der Patient heute ist sicherlich wesentlich informierter als der Patient früher und kann so doch den einen oder anderen Hinweis geben, wie er die Qualität eines Arztes einschätzt. Und warum soll man nicht auch sagen, dass der Patient in gewissem Maße die Qualität einschätzen kann, aber nicht zu 100 Prozent, und deswegen ist es eben wichtig, noch weiterführende Informationen zu geben über den Arzt.
König: Ist denn das, so, wie Sie es jetzt schildern, in den Modellen, die die großen Krankenkassen planen, vorgesehen?
Emmert: Man weiß noch nicht so viel in dem Modell, das Einzige, was mir bisher bekannt ist, ist der AOK-Arztnavigator. Man weiß zum Beispiel: Es soll kein Freitext integriert werden, es sollen auch…
König: Was heißt das, kein Freitext?
Emmert: Freitext ist ein Feld, wo eben Patienten oder User im Internet ihre eigene Meinung noch preisgeben können. Da kann man dann persönlich noch reinschreiben, wie zum Beispiel, der Arzt war besonders freundlich zu mir, ich würde den Arzt weiterempfehlen.
König: Das geht dann nicht mehr?
Emmert: Das soll bei diesem AOK-Arztnavigator nicht funktionieren, das soll nicht integriert werden, sondern es sollen hier nur feste Kriterien vorgegeben werden. Des Weiteren, was bei diesem AOK-Arztnavigator vorgesehen ist, ist, dass die Bewertungen für einen Arzt erst dann freigegeben werden, wenn eine gewisse Mindestanzahl von Bewertungen vorliegen. Das heißt, bei den aktuellen Portalen ist es so, dass jede Bewertung freigegeben wird, auch wenn nur eine Bewertung für einen Arzt vorhanden ist. Und das ist problematisch zu sehen. Bei dem AOK-Arztnavigator sollen erst ab 30 oder ab 50 Bewertungen die Ergebnisse freigeschaltet werden.
König: Also, dass ein gewisses Maß an Repräsentativität gewährleistet bleibt?
Emmert: Das ist richtig. Wie Sie auch im Vorbericht schon gesagt hatten, kann eine schlechte Meinung über einen Arzt bei einem derzeitigen Portal noch ins Gewicht fallen. Wenn der Arzt zum Beispiel sagt, der Patient soll endlich mit dem Rauchen aufhören oder er ist zu dick, und er wird in diesem Portal dafür angeprangert, dann würde so eine Meinung zwar in diesem AOK-Arztnavigator sicherlich auch erscheinen, aber bei einer hohen Anzahl an Bewertungen würde diese Meinung eben in der Masse untergehen.
König: Wären damit aber nicht unter Umständen die Persönlichkeitsrechte der Mediziner trotzdem verletzt? Das ist ja immer das Hauptargument oder auch vielleicht die Hauptangst der Ärzte, dass sie sagen, da schreibt jemand was über mich und ich kann mich überhaupt nicht dagegen wehren. Es kann gar keine Diskussion darüber geben.
Emmert: Die Krankenkassen müssten natürlich versuchen, bei so einem Portal die Ärzte auch mit zu integrieren. Man könnte beispielsweise ein Feedbackverfahren ermöglichen, was auch einige Portale ja derzeit haben, das heißt, die Ärzte können Stellung nehmen zu den Vorwürfen. Dazu müssten sie allerdings ja wissen, welcher Patient welche Kritik geschrieben hat. Und das ist ja so nicht vorgesehen.
König: Gut, aber bei dem Jetzigen, was wir haben, da ist es so?
Emmert: Bei dem Jetzigen ist es so, dass der Arzt nie weiß, welcher Patient die Bewertung abgegeben hat, einfach deswegen, weil ich mich bei den derzeitigen Portalen einfach mit einem künstlichen Benutzernamen - der kann Donald Duck oder wie auch immer heißen - kann ich mich dort anmelden und kann die Bewertungen abgeben.
König: Und dazu sagen die Ärzte, das sei unseriös, nicht nachprüfbar und so weiter. Man habe Negativkampagnen befürchtet, habe ich gelesen. Hat es solche Kampagnen gegeben?
Emmert: Habe ich bisher nichts gehört und ob es dazu kommen wird - ich denke, das wird ein Selektivprozess sein. Wenn ein Arzt in so einem Portal als schlecht identifiziert wird, werden die Patienten wahrscheinlich einfach nicht mehr hingehen oder ihn weniger aufsuchen, aber dass es da Kampagnen geben wird, kann ich mir so eigentlich nicht vorstellen.
König: Ich meine, es ist ja erstaunlich. Wenn man sich vorstellt, dass es in Deutschland de facto keine Qualitätskontrollen für Ärzte gibt, mal davon abgesehen, dass Ärzte alle fünf Jahre eine Fortbildung nachweisen müssen - wie groß ist eigentlich das Interesse der Ärzte an einer solchen Qualitätskontrolle, an mehr Transparenz?
Emmert: Ich denke, die Ärzte sind natürlich auf der einen Seite sowohl positiv aber als auch negativ eingestellt. Negativ deswegen, weil sie eben befürchten, dass der Komplexität ihres Berufes nicht Rechnung getragen wird. Und das ist natürlich ein Kritikpunkt, den muss man auch so akzeptieren, den kann man auch…
König: Den finde ich auch gewichtig.
Emmert: …der ist auch sehr gewichtig, und deswegen, wie gesagt, muss eben klargemacht werden: Es handelt sich hier nur um Informationen und nicht um ein Ranking, um zu sagen, wer ist der beste, wer ist der schlechteste, sondern es werden Informationen an die Öffentlichkeit gegeben, die dem Patienten eben mehr Transparenz ermöglichen sollen. Ärzte können davon natürlich auch profitieren.
König: Inwiefern?
Emmert: Ärzte können in der Art profitieren, dass gute Ergebnisse natürlich sich positiv auf ihr Image auswirken. Sie bekommen beispielsweise mehr Anerkennung durch eine für sie ja in dem Falle kostenlose, öffentliche Berichterstattung. Auch können beispielsweise Felder erkannt werden, in denen sie sich noch verbessern können. Beispielsweise werden Vergleiche gemacht im Hinblick auf die Unzufriedenheit mit den Wartezeit mit den Patienten oder, auch ein wichtiger Punkt, mit der Freundlichkeit des Personals. Viele Ärzte wissen gar nicht, ob die Praxisbesucher zufrieden sind mit dem Praxispersonal. Und so könnten sie beispielsweise hier ein Feedback bekommen und sich mit anderen Praxen vergleichen.
Aber noch ein anderer Vorteil, was ich aber auch als Gefahr sehe, ist, dass Ärzte durch so ein Portal unbewusst oder implizit ihren Privatpatientenanteil erhöhen können. Die Ergebnisse des AOK-Arztnavigators sollen ja öffentlich für jeden zugänglich sein, also nicht nur für AOK-Versicherte, sondern auch für alle. Und deswegen kann es natürlich schon passieren, wenn sich jetzt halt in München herausstellen sollte beispielsweise, dass der Herr Dr. Meier der beste HNO-Arzt in München ist, dann kann man sich durchaus vorstellen, dass Privatpatienten, wenn sie ein Problem haben…
König: …zu Dr. Meier gehen.
Emmert: …zu Dr. Meier gehen. Und da ein Arzt natürlich nur eine gewisse Kapazität an Patienten hat, die er therapieren kann, kann es schon dazu kommen, dass Ärzte ihren Privatpatientenanteil durch solch eine Kampagne auch erhöhen können.
König: Alles zusammengenommen: Glauben Sie, dass die Qualität der medizinischen Versorgung in Deutschland durch diese Maßnahmen der Internetportale der Krankenkassen verbessert wird?
Emmert: Aktuell bestehende Portale können das noch nicht leisten. Inwiefern das der AOK-Arztnavigator leisten kann, wird man erst dann sehen, wenn ein Prototyp zumindest mal veröffentlicht worden ist.
König: Vielen Dank, Internetportale als Qualitätskontrolle für Ärzte, ein Gespräch mit Dr. Martin Emmert vom Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Martin Emmert: Guten Tag, Herr König!
König: Vielen Ärzten ist diese Form der Beurteilung ihrer Arbeit ein Graus, haben wir gerade gehört. Ihnen auch?
Emmert: Ich persönlich bin dafür, dass versucht wird, mehr Transparenz in das Gesundheitswesen zu bringen. Es sind Qualitätsunterschiede zwischen ärztlicher Leistung vorhanden, das bestreiten nicht mal Ärzte, und warum soll man das nicht transparent machen? Aber - und das ist eben der Knackpunkt bei dieser Fragestellung - die Systematik zur Darstellung der Qualität der Ärzte muss auch entsprechend ausgestaltet werden und auch der ärztlichen Komplexität gerecht werden. Es kann nicht so einfach bewertet werden wie bei einem Hotel zum Beispiel.
König: Aber es bleibt ja das Problem bestehen, dass da zwei unterschiedlich ausgebildete Parteien miteinander reden, genauer gesagt, übereinander reden, denn der Patient wird immer Laie sein - in der Regel jedenfalls - und er urteilt über Fachleute. Kann das gut gehen?
Emmert: Das Problem bei diesen Portalen ist grundsätzlich, dass immer nur die Patientenzufriedenheit thematisiert wird, wie Sie es in Ihrem Vorbericht schon erwähnt hatten. Aber neben der Patientenzufriedenheit müssen noch weitere Informationen über den Arzt gegeben werden, beispielsweise könnte man sich vorstellen, inwiefern der Arzt gemäß aktueller Therapieleitlinien therapiert, für Diabetes, welche Fortbildungen er besucht hat, welche Qualifikationen und Weiterbildungen das Praxispersonal hat. Solche Informationen müsste man ebenfalls zur Verfügung stellen und dann würde das Bild von dem Arzt beziehungsweise von der Qualität, die man dort möglicherweise erwarten kann, breiter werden.
König: Ist nicht aber generell dieses Verhältnis zwischen Arzt und Patient ein so komplexes, dass es auf diese Weise gar nicht beurteilt werden kann? Es geht ja um wesentlich mehr als nur um eine reine Dienstleistung.
Emmert: Das ist richtig. Der Patient wird sicherlich nie in der Lage sein, zu 100 Prozent die Qualität eines Arztes einzuschätzen. Aber der Patient heute ist sicherlich wesentlich informierter als der Patient früher und kann so doch den einen oder anderen Hinweis geben, wie er die Qualität eines Arztes einschätzt. Und warum soll man nicht auch sagen, dass der Patient in gewissem Maße die Qualität einschätzen kann, aber nicht zu 100 Prozent, und deswegen ist es eben wichtig, noch weiterführende Informationen zu geben über den Arzt.
König: Ist denn das, so, wie Sie es jetzt schildern, in den Modellen, die die großen Krankenkassen planen, vorgesehen?
Emmert: Man weiß noch nicht so viel in dem Modell, das Einzige, was mir bisher bekannt ist, ist der AOK-Arztnavigator. Man weiß zum Beispiel: Es soll kein Freitext integriert werden, es sollen auch…
König: Was heißt das, kein Freitext?
Emmert: Freitext ist ein Feld, wo eben Patienten oder User im Internet ihre eigene Meinung noch preisgeben können. Da kann man dann persönlich noch reinschreiben, wie zum Beispiel, der Arzt war besonders freundlich zu mir, ich würde den Arzt weiterempfehlen.
König: Das geht dann nicht mehr?
Emmert: Das soll bei diesem AOK-Arztnavigator nicht funktionieren, das soll nicht integriert werden, sondern es sollen hier nur feste Kriterien vorgegeben werden. Des Weiteren, was bei diesem AOK-Arztnavigator vorgesehen ist, ist, dass die Bewertungen für einen Arzt erst dann freigegeben werden, wenn eine gewisse Mindestanzahl von Bewertungen vorliegen. Das heißt, bei den aktuellen Portalen ist es so, dass jede Bewertung freigegeben wird, auch wenn nur eine Bewertung für einen Arzt vorhanden ist. Und das ist problematisch zu sehen. Bei dem AOK-Arztnavigator sollen erst ab 30 oder ab 50 Bewertungen die Ergebnisse freigeschaltet werden.
König: Also, dass ein gewisses Maß an Repräsentativität gewährleistet bleibt?
Emmert: Das ist richtig. Wie Sie auch im Vorbericht schon gesagt hatten, kann eine schlechte Meinung über einen Arzt bei einem derzeitigen Portal noch ins Gewicht fallen. Wenn der Arzt zum Beispiel sagt, der Patient soll endlich mit dem Rauchen aufhören oder er ist zu dick, und er wird in diesem Portal dafür angeprangert, dann würde so eine Meinung zwar in diesem AOK-Arztnavigator sicherlich auch erscheinen, aber bei einer hohen Anzahl an Bewertungen würde diese Meinung eben in der Masse untergehen.
König: Wären damit aber nicht unter Umständen die Persönlichkeitsrechte der Mediziner trotzdem verletzt? Das ist ja immer das Hauptargument oder auch vielleicht die Hauptangst der Ärzte, dass sie sagen, da schreibt jemand was über mich und ich kann mich überhaupt nicht dagegen wehren. Es kann gar keine Diskussion darüber geben.
Emmert: Die Krankenkassen müssten natürlich versuchen, bei so einem Portal die Ärzte auch mit zu integrieren. Man könnte beispielsweise ein Feedbackverfahren ermöglichen, was auch einige Portale ja derzeit haben, das heißt, die Ärzte können Stellung nehmen zu den Vorwürfen. Dazu müssten sie allerdings ja wissen, welcher Patient welche Kritik geschrieben hat. Und das ist ja so nicht vorgesehen.
König: Gut, aber bei dem Jetzigen, was wir haben, da ist es so?
Emmert: Bei dem Jetzigen ist es so, dass der Arzt nie weiß, welcher Patient die Bewertung abgegeben hat, einfach deswegen, weil ich mich bei den derzeitigen Portalen einfach mit einem künstlichen Benutzernamen - der kann Donald Duck oder wie auch immer heißen - kann ich mich dort anmelden und kann die Bewertungen abgeben.
König: Und dazu sagen die Ärzte, das sei unseriös, nicht nachprüfbar und so weiter. Man habe Negativkampagnen befürchtet, habe ich gelesen. Hat es solche Kampagnen gegeben?
Emmert: Habe ich bisher nichts gehört und ob es dazu kommen wird - ich denke, das wird ein Selektivprozess sein. Wenn ein Arzt in so einem Portal als schlecht identifiziert wird, werden die Patienten wahrscheinlich einfach nicht mehr hingehen oder ihn weniger aufsuchen, aber dass es da Kampagnen geben wird, kann ich mir so eigentlich nicht vorstellen.
König: Ich meine, es ist ja erstaunlich. Wenn man sich vorstellt, dass es in Deutschland de facto keine Qualitätskontrollen für Ärzte gibt, mal davon abgesehen, dass Ärzte alle fünf Jahre eine Fortbildung nachweisen müssen - wie groß ist eigentlich das Interesse der Ärzte an einer solchen Qualitätskontrolle, an mehr Transparenz?
Emmert: Ich denke, die Ärzte sind natürlich auf der einen Seite sowohl positiv aber als auch negativ eingestellt. Negativ deswegen, weil sie eben befürchten, dass der Komplexität ihres Berufes nicht Rechnung getragen wird. Und das ist natürlich ein Kritikpunkt, den muss man auch so akzeptieren, den kann man auch…
König: Den finde ich auch gewichtig.
Emmert: …der ist auch sehr gewichtig, und deswegen, wie gesagt, muss eben klargemacht werden: Es handelt sich hier nur um Informationen und nicht um ein Ranking, um zu sagen, wer ist der beste, wer ist der schlechteste, sondern es werden Informationen an die Öffentlichkeit gegeben, die dem Patienten eben mehr Transparenz ermöglichen sollen. Ärzte können davon natürlich auch profitieren.
König: Inwiefern?
Emmert: Ärzte können in der Art profitieren, dass gute Ergebnisse natürlich sich positiv auf ihr Image auswirken. Sie bekommen beispielsweise mehr Anerkennung durch eine für sie ja in dem Falle kostenlose, öffentliche Berichterstattung. Auch können beispielsweise Felder erkannt werden, in denen sie sich noch verbessern können. Beispielsweise werden Vergleiche gemacht im Hinblick auf die Unzufriedenheit mit den Wartezeit mit den Patienten oder, auch ein wichtiger Punkt, mit der Freundlichkeit des Personals. Viele Ärzte wissen gar nicht, ob die Praxisbesucher zufrieden sind mit dem Praxispersonal. Und so könnten sie beispielsweise hier ein Feedback bekommen und sich mit anderen Praxen vergleichen.
Aber noch ein anderer Vorteil, was ich aber auch als Gefahr sehe, ist, dass Ärzte durch so ein Portal unbewusst oder implizit ihren Privatpatientenanteil erhöhen können. Die Ergebnisse des AOK-Arztnavigators sollen ja öffentlich für jeden zugänglich sein, also nicht nur für AOK-Versicherte, sondern auch für alle. Und deswegen kann es natürlich schon passieren, wenn sich jetzt halt in München herausstellen sollte beispielsweise, dass der Herr Dr. Meier der beste HNO-Arzt in München ist, dann kann man sich durchaus vorstellen, dass Privatpatienten, wenn sie ein Problem haben…
König: …zu Dr. Meier gehen.
Emmert: …zu Dr. Meier gehen. Und da ein Arzt natürlich nur eine gewisse Kapazität an Patienten hat, die er therapieren kann, kann es schon dazu kommen, dass Ärzte ihren Privatpatientenanteil durch solch eine Kampagne auch erhöhen können.
König: Alles zusammengenommen: Glauben Sie, dass die Qualität der medizinischen Versorgung in Deutschland durch diese Maßnahmen der Internetportale der Krankenkassen verbessert wird?
Emmert: Aktuell bestehende Portale können das noch nicht leisten. Inwiefern das der AOK-Arztnavigator leisten kann, wird man erst dann sehen, wenn ein Prototyp zumindest mal veröffentlicht worden ist.
König: Vielen Dank, Internetportale als Qualitätskontrolle für Ärzte, ein Gespräch mit Dr. Martin Emmert vom Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.