Elke Schmitter

"Bei der 'taz' kamen Lebenszeit und Weltzeit zusammen"

Elke Schmitter nimmt am 02.03.2017 in Berlin an einem Fototermin zum "Literarischen Quartett" teil.
Familie als komplexes Gewebe - das beschreibt Elke Schmitter in ihrem neuen Roman "Inneres Wetter". © picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Moderation: Susanne Führer · 27.06.2017
Schriftstellerin, Journalistin und Literaturkritikerin: Elke Schmitter war die erste Frau an der Redaktionsspitze der Berliner "taz" und bei der Genossenschaft der Tageszeitung von Anfang an dabei. Zurzeit ist die Autorin mehrerer Romane Kulturchefin beim "Spiegel".
Sie war die erste weibliche Chefredakteurin der linken Tageszeitung "taz" . Und Elke Schmitter war dabei, als sich die "taz" – mit knapper Mehrheit – vor 25 Jahren an ihre Leser verkaufte und zur Genossenschaft wurde.
"Es war eine fantastische Zeit. Es gibt ein Buch von dem Philosophen Blumenberg, das heißt 'Lebenszeit und Weltzeit' und da kam Lebenszeit und Weltzeit zusammen, das muss man sagen. Ich bin '89 ganz naiv ohne etwas zu ahnen 1. September bei der 'taz' angefangen als Kulturredakteurin. Wirklich naiv ohne jede Zeitungserfahrung. Dann fiel die Mauer, ich war mitten in Berlin in einer Kreuzberger-WG und war im Grunde mit allem gleichzeitig beschäftigt. Das war so ein Jonglieren mit allen Bällen: also neuer Staat, neuer Beruf, neue Existenz, neue WG, Weltgeschichte kommt auch rein. Es war Glück an diesem Ort zu sein, in dieser Zeit und ich habe mich bei der 'taz' in dieser Zeit vom Anfang an wahnsinnig wohl gefühlt."
Michael Sontheimer machte die Literaturkritikerin 1993 zur Chefin. Doch damals wollte die "taz"-Belegschaft starke Führungspersönlichkeiten auf Dauer nicht zulassen und Elke Schmitter verließ das Blatt wieder, ist ihm aber bis heute verbunden.

"Von Simone de Beauvoir und Pearl S. Buck alles reingezogen"

Ihre Begeisterung für die Literatur wurzelt in ihrer Kindheit und Jugend, als sie das Lesen als eine Art Flucht vor dem tristen Alltag entdeckte.
"Na ja, das war bei der Kindheit in der Provinz oder am Stadtrand einer mittelgroßen Kleinstadt in behüteten Verhältnissen mit Einfamilienhäusern, wo am Samstag der Rasenmäher läuft und die Väter die Zäune streichen und die Mütter den Kuchen backen – das war einfach wahnsinnig öde. Den Bücherschrank meiner Eltern, die ganz bildungswillige Menschen waren, deren Ausbildung viel kürzer war als sie sich es gewünscht hätten aufgrund des Krieges und auch aufgrund von Armut. Die haben das Bildungsangebot vor allen Dingen des Rowohlt Verlages genutzt also RoRoRo-Rowohlt-Rotations-Romane waren bei uns da, d.h. ich habe von Updike, Simone de Beauvoir, Pearl S. Buck ich habe alles reingezogen, was da war."

"Frau Sartoris" brachte Marcel Reich-Ranicki zum Jubeln

Ihr erster Roman "Frau Sartoris" brachte die Branche im Allgemeinen und insbesondere den Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki, der sie regelmäßig in seine Sendung einlud, zum Jubeln. Mit ihrem Erstling und "Veras Tochter" etablierte sie eine Form, die man zuvor ins 19. Jahrhundert verlagert hatte: der Gesellschaftsroman aus Sicht einer Frau. Neben ihrer Aufgabe als Kulturchefin des Spiegels, versucht sie immer noch auch künstlerisch zu arbeiten.
"Und das letzte was ich künstlerisch gemacht hab, war meine Gedichte zu vertonen, also nicht alle, aber die meisten, es gibt eine Veröffentlichung meiner Gedichte von zwei Bänden zusammengefasst, ins Gälische und ins Englische und die englische Übersetzung von Christian Öser war so wunderbar, dass ich die ich immer gerne gesungen habe, angefangen habe zu komponieren, und aus diesen englischen Versionen Songs zu machen."
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