Elche in Deutschland

Bulle Bert auf der Suche nach Elchkühen

06:56 Minuten
Ein Elch steht auf einer Wiese in Brandenburg. Das aus Polen stammende Tier sucht öfter die Nähe von Rindern. 2018 wurde dem Elch ein gelbes Sendehalsband angelegt, um seine Routen zu dokumentieren.
In den Wiesen des Nuthetals hält sich ein einzelner freilebender Elchbulle auf: Seit drei Jahren trägt er ein Halsband mit Sender. © picture alliance / dpa / Ingolf König-Jablonski
Von Volkart Wildermuth · 28.04.2022
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Deutschlands Wälder werden wilder. Lang verschwundene Tierarten kehren zurück. Auch der Elch geht aus den Nachbarländern Polen und Tschechien auf Wanderschaft. Heimisch geworden ist bisher nur ein Exemplar – südlich von Berlin in Brandenburg.
Wie ein Elch in der Brunft klingt, kann man im Geräusche-Archiv nachhören. Solche Rufe sollen zur Brunftzeit im Herbst auch in Brandenburg zu hören sein. Im Frühling erklingen aber erst einmal Kraniche.
„Wir sind hier im Naturpark Nuthe-Nieplitz. Ich bin Kordula Isermann, die Leiterin des Naturparks, und seit 2018 sind für froh und stolz, Lebensraum für den Elch Bert zu sein.“
Auf die Frage, ob Bert ein hübscher, ein gesunder Elch ist, antwortet sie: „Ja, er sieht gut aus, er ist wohl im Futter. Das Einzige, was ein bisschen komisch ist, wenn man ihn anguckt, ist eben sein Halsband."

Ein Elch mit besonderem Halsband

Dieses Senderhalsband pingt nur alle ein, zwei Stunden. Wir können also nicht einfach gezielt auf den großen Elchbullen Bert zumarschieren, sondern müssen auf Verdacht durch Kiefernpflanzungen und Feuchtwiesen stapfen.
Im Herbst weiden auf dieser Wiese Kühe. Elch Bert sucht gerade in der Brunftzeit ihre Gesellschaft.
"Das kann natürlich schon Konflikte geben“, sagt Frank-Uwe Michler. „Dann schaut er sich wirklich einzelne weibliche Tiere aus, die er total favorisiert. Das ist natürlich für eine Kuh schon störend auch, definitiv, wenn sie die ganze Zeit von einem Elch verfolgt wird, der sie immer wieder besteigen will."
Der Bauer war nicht begeistert. Aber Frank-Uwe Michler von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde sah hier eine Chance. Der Wildbiologe stattet immer wieder mal Hirsche und Wölfe mit Sendern aus. An Elche auf Wanderschaft kommt er normalerweise nicht heran.
"Wenn er in enger Interaktion mit Weidetieren steht, dann hat er eine deutlich herabgesetzte Fluchtdistanz. Nur dann hat man wirklich die Chance nahranzukommen, also so auf ungefähr 30 Meter, um das Tier dann mit einem Narkose-Gewehr zu beschießen", erklärt der Biologe.

Sein Wanderverhalten ist typisch

Seit drei Jahren trägt Bert nun seinen Sender. Im ersten Jahr ist er weit herumgezogen, von der polnischen Grenze bis nach Sachsen-Anhalt. Ein typisches Wanderverhalten für junge Bullen auf der Suche nach Elchkühen. Dann aber hat er sich in der Nuthe-Nieplitz-Region südlich von Berlin niedergelassen.
Die vielfältige Landschaft bietet ihm alles, was er braucht, Wälder als Rückzugsgebiet und ein reichhaltiges Nahrungsangebot.
"Er frisst Gehölze, er frisst aber auch Kräuter, er frisst auch Unterwasserpflanzen. Dann sucht er sich den Mais und beißt nicht irgendwie rein, sondern nimmt sich nur die oberste Spitze, das süßeste vom ganzen Mais“, erzählt Kordula Isermann.
Gab es Beschwerden von Bauern, dass der Elch sie stört? „Ja, wir hatten auch schon Sorge von Landwirten, die im Maisschlag die Schäden auch gesehen haben, aber das hat sich dann doch gezeigt, dass es sehr wenig Schäden hervorruft, sodass sie sich auch wieder beruhigt haben.“

"Der Elch gehörte früher zur deutschen Natur“

Aber wird der Frieden halten? Die Elchbestände in Polen steigen weiter, es sollen nach Schätzung von Wissenschaftlerinnen schon 30.000 sein. In Zukunft werden mehr Elche durch die Oder schwimmen und durch Deutschland ziehen oder sich wie Bert niederlassen.
"Wir freuen uns natürlich, wenn die Population anwächst und mehr Elche hier ein Zuhause finden", sagt Leonie Weltgen, Biologin von der Tierschutzorganisation WWF.

Der Elch gehörte früher zur deutschen Natur, der hat hier gelebt. Das heißt, wenn er zurückkommt, dann ist es keine invasive Art, die hierher zurückkehrt. Sondern: Ein Tier, das hier einst gelebt hat, kehrt auf freiwilliger freier Basis wieder nach Deutschland zurück und findet hier den Lebensraum, den es braucht.

Leonie Weltgen

Vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg gibt es fernab von Hauptstraßen und Städten die richtige Mischung aus Wäldern und Feuchtgebieten. Das Projekt „Los Bonasus – Crossing!“ versucht grenzübergreifend die Ausbreitung von Elch – polnisch Los – und Wiesent zu begleiten.

Elch Bert ist vorsichtig

Ein wichtiges Konfliktfeld ist der Verkehr. In Skandinavien und auch in Polen kommt es immer wieder zu Unfällen. Elch Bert verhält sich vorsichtig, das konnte Frank-Uwe Michler aus den Senderdaten ableiten.
Bundesstraßen und Autobahnen meidet Bert, folgt den Wildzäunen, die er eigentlich leicht überspringen könnte, und nutzt höchstens einmal eine Wildbrücke. Mit den kleinen Straßen im Naturpark Nuthe-Nieplitz kommt Bert gut zurecht.

Wenn er sich Straßen annähert, kommt er nicht einfach aus dem Wald gesprungen und läuft flüchtig drüber, sondern er steht am Rand eine Weile. Und bevor er dann die Straße quert, versucht er wahrscheinlich eine Zeit abzuwarten, wenn es wirklich ruhig ist, wenn also keine Scheinwerfer zu sehen sind.

Frank-Uwe Michler

Andere Elche sind nicht so vorsichtig. Eine Elchkuh, die genau in Richtung Naturpark und damit Bert unterwegs war, starb, bevor sie ihm begegnen konnte bei einem Zusammenstoß mit einem Auto. Bert bleibt einsam, dokumentiert ist bislang nur eine Begegnung mit einem anderen Elchbullen.
Und mit Wölfen, die Frank Uwe Michler ebenfalls besendert hatte. "Der Elch stand in dem Gebiet, der Wolf ist auf 30, 40 Meter an ihm vorbeigelaufen. Der Elch ist genau an der Stelle geblieben und die Wölfe sind nahe an ihm vorbeigelaufen“, erläutert er.

"Ein großes Kompliment für eine Landschaft“

Die wilden Neuzugänge kommen im Lebensraum Deutschland offenbar gut miteinander zurecht. Auf längere Sicht rechnet Frank Uwe Michler mit einer weiteren Ausbreitung der Elche.
Bei dem Ausflug mit Kordula Isermann in den Naturpark Nuthe-Nieplitz bleibt Bert selbst leider unsichtbar. Dabei war er vor Kurzem dieselben Wege entlang gegangen.
„Ja also das könnte sogar sein, das ist ziemlich eindeutig: Das können wir als Elchlosung bezeichnen. Schön dass sie es entdeckt haben, ist ja großartig. Das ist Elchlosung“, freut sich Kordula Isermann.
„Nein, das passt das ist wunderbar“, sagt sie auf die Frage, ob die Größe richtig ist. „Wir können hier sogar noch mal gucken, was hat er gefressen. Durch die Feuchtigkeit weiß man nicht, wie frisch es ist, aber es ist noch relativ frisch.“
Ob sie sich wünscht, dass sich der Elch hier wirklich wieder festsetzt? „Ich finde, es ein großes Kompliment für eine Landschaft“, sagt sie, „wenn ein Elch hier zu Hause ist."

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