Benin-Bronzen

Einigung über Rückgabe an Nigeria

07:32 Minuten
Eine Bronzeplastik zeigt den Kopf eines Königs im Reich Dahomey.
Kopf eines Oba, des traditionellen Oberhaupts im ehemaligen Königreich Benin. © imago-images / CampsBay Media / Lolade Adewuyi
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Deutschland und Nigeria haben sich auf eine Rückgabe der Benin-Bronzen geeinigt. Die Kulturschätze wurden während der Kolonialzeit aus Nigeria geraubt. Einige sollen aber als Dauerleihgaben in deutschen Museen bleiben.
Seit Jahrzehnten fordert Nigeria die Rückgabe der als Benin-Bronzen bekannten Skulpturen und Metalltafeln, die Ende des 19. Jahrhunderts bei einer sogenannten britischen Strafexpedition geraubt wurden. Allein in deutschen Museen liegen über 1000 dieser Objekte. An diesem Freitag werden Vertreter beider Länder eine Absichtserklärung unterzeichnen.
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz werde sämtliche in ihrem Besitz befindlichen Bronzen an Nigeria zurückübertragen, sagt deren Präsident Hermann Parzinger. Einige Objekte würden aber als Leihgaben in Deutschland bleiben. Das sei von nigerianischer Seite auch so gewünscht.
Die verbliebenen Objekte sollen dann idealerweise einen Querschnitt der bisherigen Sammlung darstellen und im September im Humboldt Forum zu sehen sein. "Das ist Wiedergutmachung von begangenem Unrecht und gleichzeitig ein Blick in die Zukunft, denn wir wollen keine Renationalisierung von Sammlungen, sondern weiterhin die Verbindungen von Weltkulturen aufzeigen können."
Benin Bronzen im Ethnologischen Museum in Berlin.
Auch diese Benin-Bronzen im Ethnologischen Museum in Berlin sollen an Nigeria zurückgegeben werden.© imago-images / Camps Bay edia / Lolade Adewuyi
Die Rückgabe sei eine große Chance für ein neues Miteinander, so Parzinger, der auch einräumt, dass der Prozess für die deutschen Museen nicht einfach gewesen sei. Deren zentrale Aufgabe sei nun mal der Zusammenhalt von Sammlungen.

"Aber dieser Schritt musste nun gegangen werden, und ich bin sehr glücklich darüber. Man kann keine globale, kulturelle Zusammenarbeit mit Ländern entwickeln, wenn man von ihnen geraubte Kunst im Besitz hat."

Hermann Parzinger, Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Er könne nicht für alle deutsche Museen sprechen, die Benin-Bronzen besitzen, sagt Parzinger. Da es in dieser Frage aber einen großen Konsens gebe, geht er von einem einheitlichen Handeln aus.

Hermann Parzinger, Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Ein Anfang im Verhältnis zu nigerianischen Kollegen

Einen längeren Prozess erwartet Barbara Plankensteiner, Direktorin des Hamburger Museums am Rothenbaum - Kulturen und Künste der Welt (MARKK ). Es würden weitere Gespräche geführt und sie hoffe sehr, dass bis Ende 2022 einzelne Werke nach Nigeria zurückerstattet würden.
"Es ist schon ein ganz bedeutender Moment", bewertete Plankensteiner die Unterzeichnung einer Absichtserklärung zwischen den beiden Regierungen. Nun sei auf höchster staatlicher Ebene der Rahmen geklärt, dass Deutschland mehr als tausend Objekte nach Nigeria restituieren werde.
Die Restitution sei kein Ende, sondern ein Anfang für ein neues Verhältnis und eine Zusammenarbeit, so die Ethnologin. "Damit verbinden wir uns auf Dauer mit unseren nigerianischen Kollegen und werden im engen Austausch stehen." Dabei werde es auch um die Handhabe der Dauerleihgaben gehen.
Sehr viele Werke seien über den Hamburger Hafen gekommen und in großen Mengen erworben worden, obwohl man gewusst habe, dass es eine Kriegsbeute gewesen sei, sagt die Direktorin. Sie gehöre zu der Generation in der Museumslandschaft, der das bereits Unbehagen bereitet habe. "Dass man da Werke hat, die aus unserer Sicht heute unter moralisch nicht mehr vertretbaren Umständen erworben wurden." Früher sei das in der Ausstellung von Objekten noch nicht einmal erwähnt worden.

Die "neue Geschichte" der Objekte

Abba Tijani, Generaldirektor der nigerianischen Museumsbehörde, sagt bei einem Besuch im Stuttgarter Linden-Museum , ein kleiner Prozentsatz der Kunstwerke werde in Deutschland bleiben: „Die Objekte hier haben eine neue Geschichte dazubekommen. Wir wollen kein Vakuum erzeugen."
Etwa fünf bis zehn Objekte blieben in Stuttgart, erläutert die Direktorin des Linden-Museums, Inés de Castro: „Zusammen haben wir vereinbart, dass wir diese Geschichte gemeinsam auch in den deutschen Museen weiterhin präsentiert haben wollen.“

Ursprung und Raub der Benin-Bronzen

Die Benin-Bronzen sind Skulpturen und Metalltafeln mit künstlerischen Darstellungen des Lebens im westafrikanischen Königreich Benin. Nach dessen Eroberung durch Großbritannien Ende des 19. Jahrhunderts wurde es dem damaligen Protektorat Nigeria einverleibt und die Bronzen wurden im Rahmen einer sogenannten Strafexpedition von britischen Soldaten geraubt. Die allermeisten landeten durch Käufe in deutschen Museen.

Das Königreich Benin ist nicht zu verwechseln mit dem heutigen Staat Benin. An ebendiesen gab Frankreich letzten Herbst in einem Staatsakt ebenfalls geraubte Kunstgegenstände zurück. Bis dahin die bedeutendste Rückgabe seit der Kolonialzeit. 

Was beinhaltet die Einigung?

Nun werden Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Außenministerin Annalena Baerbock im Auswärtigen Amt mit nigerianischen Vertretern eine Erklärung zur Rückübertragung unterzeichnen. Die allermeisten der Objekte befinden sich in fünf deutschen Museen, die alle an der Vereinbarung beteiligt sind: im Ethnologischen Museum Berlin, im Stuttgarter Linden-Museum, im Hamburger Museum am Rothenbaum, im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln und im Völkerkundemuseum Dresden/Leipzig. Wegen der Kulturhoheit der Bundesländer müssen diese noch zustimmen. Dies gilt als sicher.

Wie geht es weiter?

Bis Ende des Jahres soll in Benin-City in Nigeria ein Pavillon für eine erste Ausstellung entstehen. In den nächsten vier Jahren wird dann ein neues Museum ausschließlich für die Bronzen gebaut. Im September soll im Humboldt Forum eine Ausstellung eröffnen, die die Dauerleihgaben zeigt. Deutsche und nigerianische Kuratoren werden die Schau gemeinsam konzipieren.
(rja, mit dpa, ap)
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