"Einer der größten Tage meines Lebens"

Der israelische Künstler Dani Karavan blickt mit Freude der Einweihungszeremonie seines Denkmals für die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma am Mittwoch in Berlin entgegen. Er habe den Menschen das gegeben, "was sie verdient haben", sagte Karavan.
Joachim Scholl: Es hat lange gedauert, doch jetzt, nach bald 20 Jahren Diskussion und Planung wird es Wirklichkeit: Ein Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma. 1992 hat die deutsche Regierung es beschlossen. Realisiert wurde das Kunstwerk von dem israelischen Künstler Dani Karavan. Morgen wird es in Berlin eingeweiht, und wie es aussieht, das Kunstwerk, schildert uns jetzt Carsten Probst.

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Carsten Probst über das Denkmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma. Morgen ist Einweihung, und wir haben Dani Karavan getroffen. Er hat uns in einem ultramodernen Design-Loft-Hotel empfangen, das ihm sein Freund Wim Wenders empfohlen hat, "weil ich" – so er – "morgens zu Fuß dann zur Einweihung gehen kann", sagte Dani Karavan, "aber natürlich schicken sie mir eine Limousine". Dani Karavan ist ein würdiger alter Gentleman von 82 Jahren mit einer leisen, vornehmen Stimme. Ich habe ihn zunächst gefragt, ob er denn jetzt glücklich ist, dass das Denkmal nun endlich eingeweiht wird, 20 Jahre, nachdem die deutsche Regierung beschlossen hat, es zu errichten.

Dani Karavan: Ich bin sehr glücklich, auch wenn ich erst seit 12 Jahren damit beschäftigt bin, nicht 20 Jahre. Aber auch das ist ausreichend, es hat auch gereicht, so lange darauf zu warten, und ich mag dieses deutsche Wort Denkmal auch sehr gerne, weil es ist ein Denkmal für die Sinti und Roma, es ist kein Monument, das ist für Generäle.

Scholl: Was hat Sie, den israelischen, jüdischen Künstler, daran gereizt, diesen anderen Verfolgten und Ermordeten, den Sinti und Roma, dieses Denkmal zu setzen?

Karavan: Nun, ich habe erst an dem Wettbewerb teilgenommen für das Mahnmal für die Schoah hier, und ich wollte ursprünglich nicht dran teilnehmen, weil ich der Meinung war, das sollte ein Mahnmal, ein Denkmal werden für alle Opfergruppen, nicht nur für die Juden, und ich war der Meinung, das müsste ein Ort sein, an dem man auch meditieren könnte, nicht ein Ort, der mitten unter den Botschaften, sich mitten im Zentrum befindet, aber man hat nicht auf mich gehört.

Aber weil ich der einzige israelische Künstler war, den man gefragt hatte, und weil ich abgelehnt hatte, meinen alle, das sieht nicht gut aus, wenn ich als einziger israelischer Künstler ablehne. So habe ich dann ihnen zwar meine Meinung gesagt, aber mich doch mit einem Projekt beworben – gelbe Blumen –, wusste aber, dass alles, was nicht aus Marmor, aus Eisen oder aus Beton ist, eigentlich keine Chance hat. Ich war also nicht unglücklich darüber, dass ich es nicht bekommen habe, aber Romani Rose kam auf mich zu und bat mich, doch etwas für die Sinti und Roma zu entwerfen, und das war für mich eine ganz große Aufgabe, und vielleicht auch einer der wichtigsten Aufträge, die ich jemals im Leben als Künstler erhalten habe.

Scholl: Ein Brunnen mit schwarzem, endlos scheinendem Grund, in der Mitte ein Stein mit einer Rose, der sich emporhebt, wenn die Blume verwelkt, jeden Tag soll das aufs Neue geschehen. Wie kamen Sie, Herr Karavan, auf diesen Entwurf, und welche Symbolik verbinden Sie damit?

Karavan: Ich muss eines klarstellen, es ist keine Rose, es ist eine Blume, und zwar eine Feldblume. Und die Feldblume steht für mich für eine Art Grabstein für all jene, die man ermordet und getötet hat, die keinen Grabstein haben, und denen man auch kein Zeichen mehr gesetzt hat. Dafür stehen für mich die Blumen. Und die Blume ist das Herz dieses Denkmals.

Und ich bin jemand, der vom Platz aus kommt, der versucht, die Seele zu erkennen. Ich habe die Seele nicht ausgewählt, sondern dieser Platz, dieser Ort hat mich ausgewählt. Und ich habe mir gedacht, wenn Tausende Menschen aus Richtung Reichstag an so einen kleinen Ort kommen, werden sie ihn nicht bemerken. Wie kann ich sie aufhalten, was kann ich tun, um diese Menschen zu stoppen? Ein Zaun verbietet sich, also dachte ich an etwas so Sanftes wie Wasser, und dieses Wasser ist so angeordnet wie in einem Dreieck, und dieses Dreieck symbolisiert eben dieses schändliche Abzeichen, was sie tragen mussten, mit dem stigmatisiert wurden, weil man sie nicht mehr als Menschen und menschlich behandelt hat.

Und dieser Stein symbolisiert eine Schwere, die sich auf das Herz, auf die Blume drückt, innerhalb dieses Dreiecks. Und diese Blume, wir warten nicht darauf, dass sie verwelkt. Es wird täglich eine frische Blume sein, die auf diesem Stein zu sehen ist, immer in einer anderen Farbe, und das ist auch das Gedenken. Jeden Tag eine neue Blume, immer um 1:00 Uhr, weil auch jeden Tag Leute ermordet worden sind. Und um ihrer zu gedenken, ist das ein tägliches Symbol, was auch dazu führt, dass die Leute dann auch immer wieder kehren, dass es nicht etwas ist, was sie einmal gesehen haben und was sie danach nicht mehr interessiert. Und so wird es ein Ort wie eine Kirche, wie eine Synagoge oder wie eine Moschee.

Scholl: Morgen wird ein Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma eingeweiht. Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem israelischen Künstler Dani Karavan. Herr Karavan, es hat viele Diskussionen über das Denkmal gegeben, die verschiedenen Opfergruppen haben bitter gestritten über die Form des Gedenkens, man hat auch Sie persönlich angegriffen – inwieweit hat Sie diese Debatte beeinflusst? War sie ja vielleicht sogar auch wichtig für Ihre Überlegungen, Ihre Konzeption?

Karavan: Nun, ich war schon sehr überrascht, dass, als ich mein Konzept vorstellte, niemand dagegen war. Zumindest ist niemand zu mir gekommen und hat sich dagegen geäußert. Ich habe auch überhaupt keine Artikel in den Medien dagegen gelesen. Also gegen die Idee gab es keinerlei Einwände, das Problem entstand dann bei der Realisierung, da wurde es dann wirklich schwierig, und es gab ein Magazin, eine Zeitung, die behauptete, ich würde mit Absicht die Bauarbeiten herauszögern, weil ich Israeli, weil ich Jude bin, weil ich Geld machen will, und das war schon etwas, was mich sehr, sehr verärgert hat, weil es waren keine Probleme, die 70 Jahre zurücklagen, sondern es waren ganz aktuelle Probleme, die plötzlich so thematisiert wurden.

Und ich war schon an dem Punkt, das Ganze aufzugeben, aber dann habe ich mir gesagt, wenn ich jetzt das nicht beende, dann werden die Sinti und Roma vielleicht wirklich vergessen, und dann werden sie vielleicht niemals ein Denkmal bekommen, also habe ich mir gesagt, gut, ich werde leiden, aber ich werde dieses Projekt beenden.

Scholl: In diesem Streit wurde auch oft die unselige Frage diskutiert, ob der Mord an Sinti und Roma vergleichbar sei mit dem Mord an den Juden. Zunächst war ja auch ein gemeinsames Denkmal geplant. Was denken Sie, Herr Karavan, über diesen Aspekt?

Karavan: Nun, ich habe eigentlich diese Frage ja schon beantwortet, als ich eingangs erwähnte, dass ich mir ein Mahnmal für alle Opfer wünschte, und es ist eine Frage, was rückt man in den Vordergrund? Den menschlichen Aspekt, den humanistischen Aspekt, oder geht man nur schlicht nach Zahlen?

Natürlich ist diese Zahl von sechs Millionen ermordeten Juden eine ganz fürchterliche, eine ganz schreckliche Zahl, aber ich sehe bei der Menschheit wirklich jeden einzelnen, jeden einzelnen, den man ermordet hat, jeden einzelnen, den man ins Gas geschickt hat. Und man sagt ja auch manchmal, jeder Mensch stellt eine eigene Welt dar. Und das ist mein Gefühl, das ich habe, ein humanistisches Gefühl, dass man Menschen mit Würde betrachtet, und dass jeder ein Recht hat zu leben, auch ein Fremder.

Scholl: Vergangenheit und Gegenwart sind immer wiederkehrende Motive in Ihren Kunstwerken, Herr Karavan. Sie haben einmal gesagt, man kann nicht vorwärts gehen, ohne die Erinnerung in sich zu tragen. Was hoffen Sie durch dieses Denkmal in diesem Zusammenhang jetzt zu bewirken? Welcher Fortschritt kann durch diese Form der Erinnerung erzeugt werden, ihrer Meinung nach?

Karavan: Nun, nach meiner sehr langen Erfahrung, die ich mit Denkmälern gemacht habe, zum Beispiel mit dem Denkmal in Portbou für Walter Benjamin, ist es immer sehr schwierig, dass ich, bevor ich eine Arbeit ausgeführt habe, dass ich genau weiß, was diese Arbeit, was dieses Werk nun ganz konkret auslösen wird. Ich sehe jedes einzelne Werk für mich, jedes einzelne Kunstwerk, wie ein Boot, das man ins Wasser lässt, oder wie ein Stück Brot, das man ins Meer wirft und man sagt, eines Tages wird man es wiederfinden.

Ich hätte niemals damit gerechnet, dass in Portbou das Denkmal für Walter Benjamin ein so großes Echo hervorrufen würde. Und was jetzt dieses konkrete Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma betrifft, dann hoffe ich, dass man dort meditieren kann, dass man dort leise redet, dass man nicht schreit, dass man von dem Reichstag aus da herunterschaut, auch von dem Hof aus, dass man die Violine hört und dass man sich erinnert, und dass man auf keinen Fall vergisst, damit so etwas Schreckliches nie wieder geschieht.

Scholl: Neben viel politischer Prominenz und Delegationen von Überlebenden wird auch Bundeskanzlerin Merkel morgen zugegen sein, Herr Karavan, gemeinsam das Denkmal der Öffentlichkeit übergeben. Sie haben uns schon gesagt, sie wollen uns nicht verraten, was sie Kanzlerin Merkel morgen sagen, das respektieren wir. Freuen Sie sich auf diese Begegnung, freuen Sie sich auf dieses Ereignis morgen in Berlin am Reichstagsgebäude, zwischen Reichstag und Brandenburger Tor?

Karavan: Das wird einer der größten Tage meines Lebens, weil sich mein Traum wirklich erfüllt hat, weil ich diesen Menschen, also den Sinti und Roma, endlich das gegeben habe, was sie verdient haben, die Ehre, die ihnen gebührt. Und es war ein sehr langes Warten, manchmal war ich nicht sicher, ob es überhaupt noch stattfinden wird, aber jetzt ist es ein Triumph, weil die Gerechtigkeit letztendlich gesiegt hat.

Und wenn Kanzlerin Merkel sich morgen die Zeit nimmt und auch die Zeit findet, da zu sein, dann ist das etwas ganz Besonderes, und alle, die mich gebeten haben, ob ich vielleicht noch Eintrittskarten eventuell für sie habe, all das beweist, dass es da ein großes Interesse gibt. Und das gilt jetzt nicht mir, sondern das ist ein Interesse für die Sinti und Roma, die jetzt in Berlin dieses Mahnmal erhalten zu einer Zeit, wo sie noch an vielen Orten in der Welt diskriminiert werden. Und wie gesagt, sie erhalten endlich die Ehre, die ihnen gebührt.

Scholl: Der israelische Künstler Dani Karavan. Morgen wird sein Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma in Berlin feierlich eingeweiht. Mister Karavan, thank you so much for talking to us.

Karavan: Thank you.


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma in Berlin-Tiergarten
Das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma in Berlin-Tiergarten soll am Mittwoch eröffnet werden.© dpa / picture alliance / Michael Kappeler
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