"Eine Universität wird nie eine klassische Hierarchie sein"
Universitäten brauchen in Zukunft mehr Personen, "die hauptberuflich die Organisation entwickeln", sagt Professorin Ada Pellert. Allerdings müsse - im Gegensatz zur Wirtschaft - das Uni-Management die Studenten und Professoren stark mit einbinden. Ziel sei, aus der Uni eine "selbst steuernde Organisation" zu machen.
Frank Meyer: Heute tagt in Berlin die Kultusministerkonferenz. Dort wird erneut über die Reform der deutschen Hochschulen diskutiert. Ganz zentral bei dieser Reform ist der Umbau der Universitätsführung, der seit etwa zehn Jahren im Gange ist. An die Stelle der alten Selbstverwaltung durch die Professoren soll da eine straffe hierarchische Führung nach Managementprinzipien treten, ähnlich wie in einem Unternehmen. Also soll die Uni zu einer Firma werden? Das besprechen wir jetzt hier im "Radiofeuilleton" mit der Professorin Ada Pellert. Sie ist die Präsidentin der privaten Universität für Weiterbildung Berlin, und sie hat zur Organisation von Bildungseinrichtungen geforscht. Frau Pellert, wir hatten am Dienstag hier im Deutschlandradio Kultur den Sozialwissenschaftler Wolf Wagner zu Gast, der hat ein Buch über die Schwierigkeiten der deutschen Unis geschrieben, wobei Schwierigkeiten noch zart gesagt ist. Er spricht gern vom "Versagen" der deutschen Universitäten, und er sagt zu unserem Thema:
Wolf Wagner: "Vor 200 Jahren hat Humboldt die deutschen Universitäten den Professoren zum Privatbesitz übergeben. Die konnten mit Freiheit von Lehre und Forschung und Berufsbeamtentum tun und lassen, was sie wollten. Die haben die Blockademehrheit in allen Gremien - und haben alle Reformen, die ihre Privilegien irgendwie infrage stellen sollten, die eingreifen sollten in diesen unendlichen Freiraum, haben sie abgeblockt."
Meyer: Das sagt Wolf Wagner, was sagen Sie, Frau Pellert? Das klingt ja so, als müsste die Macht der Professoren gebrochen werden. Sehen Sie das auch so?
Ada Pellert: Nein, aber es muss die Macht der Institution gestärkt werden. Eine moderne Universität muss eben auch gemanagt werden, weil sie eine große Organisation ist, Professoren und Professorinnen sind getrieben durch die Reputation im Fach. Wir brauchen mehr Leute, deren hauptberufliche Beschäftigung die Entwicklung der Organisation ist.
Meyer: Wenn wir uns mal altes und neues Modell mal im Prinzip anschauen: Die alte deutsche Universität, da gibt es auf der untersten Ebene die Institutsleitung, dann nächste Etage die Fakultätsleitung, ganz oben die Universitätsleitung, also so eine Machtpyramide, die sich von unten nach oben aufbaut. Das neue Modell, wenn ich das richtig verstanden habe, da sitzt eine Präsidentin oder ein Präsident oben an der Spitze und kann hierarchisch durchregieren bis nach unten. Ist das so der prinzipielle Unterschied zwischen den beiden Modellen?
Pellert: Also, das ist sehr holzschnittartig. Natürlich ist die Macht der Präsidien gestärkt worden. Ich brauche eben mehr Personen, die hauptberuflich die Organisation entwickeln, aber eine Universität wird nie eine klassische Hierarchie sein. Das ist eine Expertenorganisation, der Fachausdruck ist dafür, sie ist bottom heavy, das heißt, unten sitzt das Gewicht. Ich brauche immer die Reputation der Professoren und Professorinnen, und wenn ich das versuche militärisch oder per ordre de Mufti, ich glaube, dann wird kein Präsidium sehr lange Erfolg haben.
Meyer: Aber das Ziel ist doch, die Unis in diese Richtung weiterzuentwickeln, dass es ein Machtzentrum oben an der Spitze gibt.
Pellert: Ja, aber das Ziel ist ja nicht das Machtzentrum an der Spitze, sondern die moderne Organisation, die in der Lage ist, um sich zu blicken, zu sehen, was erwartet meine Umwelt, was erwarten die Studierenden, ihre Eltern, die Politik, die Region von mir. Das Modell, dass das ein Ministerium interpretiert, in Verordnungen gießt und dann dieser nachgeordneten staatlichen Dienststelle vorgibt, ich meine, das ist ja einfach kein Steuerungsmodell, dass funktioniert in der modernen Welt.
Meyer: Aber heißt dieses moderne Modell mit dieser Machtkonzentration an der Spitze nicht auch, dass so etwas wie inneruniversitäre Demokratie abgeschafft wird oder zurückgeschnitten wird?
Pellert: Das wäre schade, ich glaube, das wäre falsch verstanden. Das Management an Universitäten muss immer partizipativer sein als in einem Betrieb der Produktionswirtschaft. Die Professoren aber auch die Studierenden sind Koproduzenten, sie müssen mittun, mittragen.
Meyer: Dann schauen wir uns mal an, was die Ziele eigentlich sind dieses Umbaus. Auch dazu haben wir Wolf Wagner, den Sozialwissenschaftler befragt. Was ist denn nun eigentlich die Aufgabe dieser neuen Unileitung?
Wagner: "Die müssen aber natürlich auch eingreifen. Die Hochschulen kriegen ihr Geld nach der Anzahl Studierenden. Die Professoren kriegen ihre Reputation nach dem Erfolg in der Forschung, sodass denen die Lehre viel entfernter liegt. Und wenn die Hochschulleitungen sagen, hey, ihr müsst in der Lehre ran, dann schreien die Zeter und Mordio."
Meyer: Was sagen Sie, Frau Pellert, ist das tatsächlich die zentrale Aufgabe dieses neuen Uni-Managements, die Professoren sozusagen zu zwingen zu einer besseren Lehre?
Pellert: Das ist eine wichtige Aufgabe: Setze ich die richtigen Anreize, damit Leute sozusagen nicht schizophren werden. Auf der einen Seite werden sie gemessen nach der Publikationsliste und auf der anderen Seite erleben sie in den großen Fächern tagtäglich wenig Forschungsnähe. Und ich glaube, die wichtigste Aufgabe von Leitungen ist, das in Übereinstimmung zu bringen.
Meyer: Gibt es dafür schon gute Ideen an deutschen Hochschulen, dass man tatsächlich das, was ein Professor tut für die Lehre, dass man das abbildet und das auch als Karrieregrund für ihn ansetzt?
Pellert: Ja, also ich denke, die Reform der letzten Jahre hat ja einfach auch mehr Licht auf die Lehre geworfen und gesagt, Achtung, wir müssen sie ernster nehmen, es werden Jahrgänge kommen, wo wir um Studenten kämpfen werden. Es ist ein Wettbewerbsfaktor, also viele gute Gründe, sich mit Lehre zu beschäftigen. Das heißt, wenn ich habilitiert werde, wird auch genau gesehen, wie habe ich mich in der Lehre verhalten, welche Bewertungen habe ich bekommen, wie engagiert bin ich. Das kann ich sehr wohl beurteilen.
Ich kann in der Ernennung von Professoren und Professorinnen darauf achten, sind sie nicht nur gut in der Forschung, sondern sind sie auch gut in der Lehre. Also da, glaube ich, ist schon einiges unterwegs, das die Lehre höher schiebt in der Aufmerksamkeit. Gleichzeitig ist es aber ein Ressourcenproblem in den großen Fächern. Sie haben eine enorme Lehrbelastung, und da muss man einen Ausgleich schaffen, dass das auch realistisch ist, Lehre und Forschung zu kombinieren.
Meyer: Deutschlandradio Kultur hören Sie, Ada Pellert ist bei uns, die Präsidentin der privaten Deutschen Universität für Weiterbildung in Berlin. Unser Thema ist der Wandel der alten Professorenuniversität zu einer womöglich straff geführten Präsidial-Uni, wobei wir schon gelernt haben, so straff wird das womöglich gar nicht werden. Jetzt haben wir gesprochen über die Verbesserung der Lehre als ein Ziel dieser Leitungsreform an den Universitäten, was sind die anderen zentralen Ziele?
Pellert: Also Ziel Nummer eins ist, glaube ich, eben von der nachgeordneten Dienststelle zu einer sich selbst steuernden Organisation zu werden.
Meyer: Das war das alte Modell, man hat das Ministerium und die Universitäten sind da angegliedert eben als nachgeordnete Stellen.
Pellert: Ja, wie steuere ich mich selbst als Organisation. Das ist, glaube ich, die Hauptaufgabe. Ziel Nummer zwei ist, glaube ich, dass die Lehre höhere Betonung erhalten hat, Internationalisierung ist, glaube ich, ein - gerade in Bezug auf die Lehre - ein neues Ziel der letzten zehn Jahre, Forschung war immer international. Dass die Lehre jetzt auch international sein soll, ist neu, Stichwort Bologna. Und in dem Sinn ein Aufbau von Strukturen, von Rollen, von Verantwortlichkeiten, die es wirklich ermöglichen, sich selbst zu steuern.
Meyer: Das sind die Ziele, jetzt sagen die Professoren immer, was Sie auch gesagt haben, Frau Pellert, man muss das Management stärken. Die Professoren sagen oder einige von ihnen, wenn da jetzt externe Manager kommen, die eigentlich keine Ahnung haben vom Universitätsbetrieb, dann können sie so ein Unternehmen wie eben eine Universität auch nicht vernünftig leiten. Was sagen Sie dazu?
Pellert: Das glaube ich auch. Ich glaube, man muss sehr viel Liebe zum System haben, die Logik des Wissenschafts- und Bildungsbereichs gut verstehen, am besten aus eigener Anschauung. Und insofern glaube ich, sind wir an Universitäten gezwungen, geeignete Managementmodelle gemeinsam zu entwickeln. Wenn wir uns dieser Aufgabe nicht unterziehen, dann greifen wir nach Vorbildern aus der Wirtschaft, die passen nur da und dort, ich glaube nicht eins zu eins.
Oder wir greifen – zweiter Erfahrungshorizont vieler Universitätsmenschen – auf die Welt der Bürokratie und bauen dann sozusagen im Inneren die Bürokratien auf, die wir bislang nur aus den Ministerien kennen. Und dann ist das Erschrecken groß, wenn man plötzlich das Gefühl hat, man hat den Feind im eigenen Haus. Früher war es angenehm, man konnte gemeinsam auf das Ministerium schimpfen, hat Konflikte im Inneren niedrig gehalten, jetzt muss man gegen das eigene Präsidium schimpfen, also das Konfliktpotenzial wird höher.
Meyer: Aber dieses Managementmodell Universität, was weder an die Wirtschaft zu nah angelehnt ist noch zu nah an die Bürokratie, dieses Modell gibt es noch gar nicht?
Pellert: Oh ja, ich erlebe es im Entstehen. Nach den ersten Versuchen, die da und dort Anleihen genommen haben, glaube ich, entsteht immer stärker der Eindruck, wir müssen uns um das kümmern. Was heißt, gutes Management hängt von der Qualität des administrativen Netzes aus. Da muss das Präsidium professionell sein, aber da brauche ich auch Professoren und Professorinnen, die verstehen, dass Management auch zur Bewältigung ihrer Aufgaben notwendig ist, zur Nachwuchsförderung, um gute Teams zu leiten. Ich brauche eine gute Verwaltung, ich brauche Beiräte, die mitspielen und sozusagen ein Stück Gesellschaft hineinbringen in die Universität. Also Management findet an vielen Orten in der Universität statt, und wir dürfen nicht den Fehler machen, das nur so hierarchisch zu sehen.
Meyer: Jetzt haben Sie auch schon mehrfach gesagt, ein Ziel ist eben auch, die Universitäten unabhängiger zu machen von den vorgeschalteten Behörden, eben den Kultusministerien. Wenn jetzt aber da ein einzelner Präsident oder eine Präsidentin an der Spitze sitzt, die immer auch vom Ministerium bestätigt werden soll und die Abhängigkeit über diese einzelne Person läuft, ist dann die Gefahr nicht viel größer, dass da politische und andere Abhängigkeiten entstehen und dieses Ziel der Unabhängigkeit der Universitäten da nicht erreicht wird?
Pellert: Erstens nimmt das ab, die Abhängigkeit vom Ministerium, auch in den Bestellungen der Professoren, der Präsidien et cetera, da steigt die Autonomie. Aber natürlich bewegen sie sich letztlich in einem politischen Raum. Bei der Besetzung solcher Positionen spielt natürlich auch Politik, aber auch sehr viel Mikropolitik der Universität eine Rolle. Das gehört dazu, man ist ja auch eine Scharniersstelle zwischen innen und außen. Also Manager sind immer so Mittler zwischen der Welt außen und dem inneren Funktionieren. Also das unterscheidet sich aber nicht wesentlich von anderen Bereichen.
Meyer: Die Universitäten werden professioneller gemanagt, aber sie werden nie wie ein Unternehmen funktionieren. Das sagt die Professorin Ada Pellert, die Präsidentin der privaten Universität für Weiterbildung, Berlin. Heute tagt in Berlin die Kultusministerkonferenz, um über die Weiterentwicklung der deutschen Hochschulen zu diskutieren.
Wolf Wagner: "Vor 200 Jahren hat Humboldt die deutschen Universitäten den Professoren zum Privatbesitz übergeben. Die konnten mit Freiheit von Lehre und Forschung und Berufsbeamtentum tun und lassen, was sie wollten. Die haben die Blockademehrheit in allen Gremien - und haben alle Reformen, die ihre Privilegien irgendwie infrage stellen sollten, die eingreifen sollten in diesen unendlichen Freiraum, haben sie abgeblockt."
Meyer: Das sagt Wolf Wagner, was sagen Sie, Frau Pellert? Das klingt ja so, als müsste die Macht der Professoren gebrochen werden. Sehen Sie das auch so?
Ada Pellert: Nein, aber es muss die Macht der Institution gestärkt werden. Eine moderne Universität muss eben auch gemanagt werden, weil sie eine große Organisation ist, Professoren und Professorinnen sind getrieben durch die Reputation im Fach. Wir brauchen mehr Leute, deren hauptberufliche Beschäftigung die Entwicklung der Organisation ist.
Meyer: Wenn wir uns mal altes und neues Modell mal im Prinzip anschauen: Die alte deutsche Universität, da gibt es auf der untersten Ebene die Institutsleitung, dann nächste Etage die Fakultätsleitung, ganz oben die Universitätsleitung, also so eine Machtpyramide, die sich von unten nach oben aufbaut. Das neue Modell, wenn ich das richtig verstanden habe, da sitzt eine Präsidentin oder ein Präsident oben an der Spitze und kann hierarchisch durchregieren bis nach unten. Ist das so der prinzipielle Unterschied zwischen den beiden Modellen?
Pellert: Also, das ist sehr holzschnittartig. Natürlich ist die Macht der Präsidien gestärkt worden. Ich brauche eben mehr Personen, die hauptberuflich die Organisation entwickeln, aber eine Universität wird nie eine klassische Hierarchie sein. Das ist eine Expertenorganisation, der Fachausdruck ist dafür, sie ist bottom heavy, das heißt, unten sitzt das Gewicht. Ich brauche immer die Reputation der Professoren und Professorinnen, und wenn ich das versuche militärisch oder per ordre de Mufti, ich glaube, dann wird kein Präsidium sehr lange Erfolg haben.
Meyer: Aber das Ziel ist doch, die Unis in diese Richtung weiterzuentwickeln, dass es ein Machtzentrum oben an der Spitze gibt.
Pellert: Ja, aber das Ziel ist ja nicht das Machtzentrum an der Spitze, sondern die moderne Organisation, die in der Lage ist, um sich zu blicken, zu sehen, was erwartet meine Umwelt, was erwarten die Studierenden, ihre Eltern, die Politik, die Region von mir. Das Modell, dass das ein Ministerium interpretiert, in Verordnungen gießt und dann dieser nachgeordneten staatlichen Dienststelle vorgibt, ich meine, das ist ja einfach kein Steuerungsmodell, dass funktioniert in der modernen Welt.
Meyer: Aber heißt dieses moderne Modell mit dieser Machtkonzentration an der Spitze nicht auch, dass so etwas wie inneruniversitäre Demokratie abgeschafft wird oder zurückgeschnitten wird?
Pellert: Das wäre schade, ich glaube, das wäre falsch verstanden. Das Management an Universitäten muss immer partizipativer sein als in einem Betrieb der Produktionswirtschaft. Die Professoren aber auch die Studierenden sind Koproduzenten, sie müssen mittun, mittragen.
Meyer: Dann schauen wir uns mal an, was die Ziele eigentlich sind dieses Umbaus. Auch dazu haben wir Wolf Wagner, den Sozialwissenschaftler befragt. Was ist denn nun eigentlich die Aufgabe dieser neuen Unileitung?
Wagner: "Die müssen aber natürlich auch eingreifen. Die Hochschulen kriegen ihr Geld nach der Anzahl Studierenden. Die Professoren kriegen ihre Reputation nach dem Erfolg in der Forschung, sodass denen die Lehre viel entfernter liegt. Und wenn die Hochschulleitungen sagen, hey, ihr müsst in der Lehre ran, dann schreien die Zeter und Mordio."
Meyer: Was sagen Sie, Frau Pellert, ist das tatsächlich die zentrale Aufgabe dieses neuen Uni-Managements, die Professoren sozusagen zu zwingen zu einer besseren Lehre?
Pellert: Das ist eine wichtige Aufgabe: Setze ich die richtigen Anreize, damit Leute sozusagen nicht schizophren werden. Auf der einen Seite werden sie gemessen nach der Publikationsliste und auf der anderen Seite erleben sie in den großen Fächern tagtäglich wenig Forschungsnähe. Und ich glaube, die wichtigste Aufgabe von Leitungen ist, das in Übereinstimmung zu bringen.
Meyer: Gibt es dafür schon gute Ideen an deutschen Hochschulen, dass man tatsächlich das, was ein Professor tut für die Lehre, dass man das abbildet und das auch als Karrieregrund für ihn ansetzt?
Pellert: Ja, also ich denke, die Reform der letzten Jahre hat ja einfach auch mehr Licht auf die Lehre geworfen und gesagt, Achtung, wir müssen sie ernster nehmen, es werden Jahrgänge kommen, wo wir um Studenten kämpfen werden. Es ist ein Wettbewerbsfaktor, also viele gute Gründe, sich mit Lehre zu beschäftigen. Das heißt, wenn ich habilitiert werde, wird auch genau gesehen, wie habe ich mich in der Lehre verhalten, welche Bewertungen habe ich bekommen, wie engagiert bin ich. Das kann ich sehr wohl beurteilen.
Ich kann in der Ernennung von Professoren und Professorinnen darauf achten, sind sie nicht nur gut in der Forschung, sondern sind sie auch gut in der Lehre. Also da, glaube ich, ist schon einiges unterwegs, das die Lehre höher schiebt in der Aufmerksamkeit. Gleichzeitig ist es aber ein Ressourcenproblem in den großen Fächern. Sie haben eine enorme Lehrbelastung, und da muss man einen Ausgleich schaffen, dass das auch realistisch ist, Lehre und Forschung zu kombinieren.
Meyer: Deutschlandradio Kultur hören Sie, Ada Pellert ist bei uns, die Präsidentin der privaten Deutschen Universität für Weiterbildung in Berlin. Unser Thema ist der Wandel der alten Professorenuniversität zu einer womöglich straff geführten Präsidial-Uni, wobei wir schon gelernt haben, so straff wird das womöglich gar nicht werden. Jetzt haben wir gesprochen über die Verbesserung der Lehre als ein Ziel dieser Leitungsreform an den Universitäten, was sind die anderen zentralen Ziele?
Pellert: Also Ziel Nummer eins ist, glaube ich, eben von der nachgeordneten Dienststelle zu einer sich selbst steuernden Organisation zu werden.
Meyer: Das war das alte Modell, man hat das Ministerium und die Universitäten sind da angegliedert eben als nachgeordnete Stellen.
Pellert: Ja, wie steuere ich mich selbst als Organisation. Das ist, glaube ich, die Hauptaufgabe. Ziel Nummer zwei ist, glaube ich, dass die Lehre höhere Betonung erhalten hat, Internationalisierung ist, glaube ich, ein - gerade in Bezug auf die Lehre - ein neues Ziel der letzten zehn Jahre, Forschung war immer international. Dass die Lehre jetzt auch international sein soll, ist neu, Stichwort Bologna. Und in dem Sinn ein Aufbau von Strukturen, von Rollen, von Verantwortlichkeiten, die es wirklich ermöglichen, sich selbst zu steuern.
Meyer: Das sind die Ziele, jetzt sagen die Professoren immer, was Sie auch gesagt haben, Frau Pellert, man muss das Management stärken. Die Professoren sagen oder einige von ihnen, wenn da jetzt externe Manager kommen, die eigentlich keine Ahnung haben vom Universitätsbetrieb, dann können sie so ein Unternehmen wie eben eine Universität auch nicht vernünftig leiten. Was sagen Sie dazu?
Pellert: Das glaube ich auch. Ich glaube, man muss sehr viel Liebe zum System haben, die Logik des Wissenschafts- und Bildungsbereichs gut verstehen, am besten aus eigener Anschauung. Und insofern glaube ich, sind wir an Universitäten gezwungen, geeignete Managementmodelle gemeinsam zu entwickeln. Wenn wir uns dieser Aufgabe nicht unterziehen, dann greifen wir nach Vorbildern aus der Wirtschaft, die passen nur da und dort, ich glaube nicht eins zu eins.
Oder wir greifen – zweiter Erfahrungshorizont vieler Universitätsmenschen – auf die Welt der Bürokratie und bauen dann sozusagen im Inneren die Bürokratien auf, die wir bislang nur aus den Ministerien kennen. Und dann ist das Erschrecken groß, wenn man plötzlich das Gefühl hat, man hat den Feind im eigenen Haus. Früher war es angenehm, man konnte gemeinsam auf das Ministerium schimpfen, hat Konflikte im Inneren niedrig gehalten, jetzt muss man gegen das eigene Präsidium schimpfen, also das Konfliktpotenzial wird höher.
Meyer: Aber dieses Managementmodell Universität, was weder an die Wirtschaft zu nah angelehnt ist noch zu nah an die Bürokratie, dieses Modell gibt es noch gar nicht?
Pellert: Oh ja, ich erlebe es im Entstehen. Nach den ersten Versuchen, die da und dort Anleihen genommen haben, glaube ich, entsteht immer stärker der Eindruck, wir müssen uns um das kümmern. Was heißt, gutes Management hängt von der Qualität des administrativen Netzes aus. Da muss das Präsidium professionell sein, aber da brauche ich auch Professoren und Professorinnen, die verstehen, dass Management auch zur Bewältigung ihrer Aufgaben notwendig ist, zur Nachwuchsförderung, um gute Teams zu leiten. Ich brauche eine gute Verwaltung, ich brauche Beiräte, die mitspielen und sozusagen ein Stück Gesellschaft hineinbringen in die Universität. Also Management findet an vielen Orten in der Universität statt, und wir dürfen nicht den Fehler machen, das nur so hierarchisch zu sehen.
Meyer: Jetzt haben Sie auch schon mehrfach gesagt, ein Ziel ist eben auch, die Universitäten unabhängiger zu machen von den vorgeschalteten Behörden, eben den Kultusministerien. Wenn jetzt aber da ein einzelner Präsident oder eine Präsidentin an der Spitze sitzt, die immer auch vom Ministerium bestätigt werden soll und die Abhängigkeit über diese einzelne Person läuft, ist dann die Gefahr nicht viel größer, dass da politische und andere Abhängigkeiten entstehen und dieses Ziel der Unabhängigkeit der Universitäten da nicht erreicht wird?
Pellert: Erstens nimmt das ab, die Abhängigkeit vom Ministerium, auch in den Bestellungen der Professoren, der Präsidien et cetera, da steigt die Autonomie. Aber natürlich bewegen sie sich letztlich in einem politischen Raum. Bei der Besetzung solcher Positionen spielt natürlich auch Politik, aber auch sehr viel Mikropolitik der Universität eine Rolle. Das gehört dazu, man ist ja auch eine Scharniersstelle zwischen innen und außen. Also Manager sind immer so Mittler zwischen der Welt außen und dem inneren Funktionieren. Also das unterscheidet sich aber nicht wesentlich von anderen Bereichen.
Meyer: Die Universitäten werden professioneller gemanagt, aber sie werden nie wie ein Unternehmen funktionieren. Das sagt die Professorin Ada Pellert, die Präsidentin der privaten Universität für Weiterbildung, Berlin. Heute tagt in Berlin die Kultusministerkonferenz, um über die Weiterentwicklung der deutschen Hochschulen zu diskutieren.